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Harte Worte in Graz: Das Duell der Hofburg-Kandidaten

13.Mai 2016

Politikberater Thomas Hofer charakterisierte die Kandidaten anfangs so: Norbert Hofer inszeniere sich als "Anti-System-Kandidat", Alexander Van der Bellen stehe eher für Kontinuität.

Gestern Abend trafen die beiden zum Duell in der Grazer Stadthalle aufeinander. Schon die Debatte über den Begriff "Heimat" ließ die beiden Kandidaten heftig aneinandergeraten.

"Ich bin ein Kind von Flüchtlingen. Mir hat man vor 72 Jahren im Kaunertal in Tirol eine Heimat geschenkt", sagte Van der Bellen. Hofer sprach ihm ab, es mit der Heimat aufrichtig zu meinen "Was Van der Bellen mit dem Begriff Heimat tut, ist ja nicht ehrlich. Die Grünen haben den Begriff Heimat immer abgelehnt."

Der Ton wurde im Lauf des Wahlkampfes zunehmend rauer. "Je öfter sie aufeinandertreffen, desto unfreundlicher gehen sie miteinander um", stellte Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung fest.

Der Livestream zum Nachschauen:

Regierung entlassen?

Hochspannend waren die Fragen nach dem Umgang der beiden mit der Regierung.

Wann würde Norbert Hofer als Bundespräsident die Regierung entlassen? Wenn sich ein halbes Jahr nach der nunmehrigen Neuaufstellung "herausstellt, es wird immer noch gestritten, es geht nichts weiter", sagte Hofer. "Da würde ich nicht zuschauen, da kommt der Punkt, wo ich sage: Dann hat es keinen Sinn mehr."

Offen ließ Hofer, ob er denn die Wiener SP-Stadträtin Sonja Wehsely als Ministerin angeloben würde. Er würde zuerst klären, inwieweit sie Verantwortung rund um den "Skandal um islamistische Kindergärten in Wien trägt".

Und unter welchen Umständen würde Alexander Van der Bellen doch einen FP-Chef Heinz-Christian Strache mit der Regierungsbildung beauftragen? Bisher hatte er das ja stets mit dem Verweis auf die europapolitischen Positionen abgelehnt. Reicht die Unterzeichnung einer pro-europäischen Präambel zum Regierungsprogramm? "Ich kann es mir vorstellen", sagte Van der Bellen.

Im Übrigen gab es allerlei Unfreundlichkeiten, die zwischen den beiden Kandidaten ausgetauscht wurden. "Regen sie sich nachher nicht auf, wenn Arbeitsplätze in Österreich verloren gehen, weil das Gesicht, das Österreich nach außen vertritt, Probleme hat, sich als europäisch wirtschaftsfreundlich darzustellen", warnte Van der Bellen vor einem Bundespräsidenten Hofer.

Der wies das zurück. "Sie sind es, der Ängste schürt", warf der FP-Kandidat Van der Bellen wegen dessen wiederholter Warnungen vor einer "blau umgefärbten" Republik vor, und erinnerte dabei an dessen jüngste Pressekonferenz: "Ich habe jedenfalls keine Pressekonferenz gegen Sie gemacht."

Auch das Verhältnis zum Islam wurde nach einer Publikumsfrage zum Thema: "Ich habe nichts gegen den einzelnen Muslim", sagte Hofer. "Aber ich bin nicht der Meinung, dass der Islam ein Teil von Österreich ist." Die österreichische Kultur sei aus dem Judentum und Christentum und dem Geist der Aufklärung entstanden.

"Der Islam ist seit mehr als 100 Jahren anerkannte Religionsgemeinschaft in Österreich", sagte Van der Bellen. Und im Gardebataillon des Heeres habe es vor ein paar Jahren 40 Prozent Muslime gegeben. "Mich schreckt das nicht."

Eine freundliche Fußnote gab es auch: Auf einen Kaffee würde er Norbert Hofer in die Hofburg einladen, meinte Alexander Van der Bellen, wenn man Zeit für persönlichen Kontakt habe. "Am 9. Juli. dem Tag nach dem Amtsantritt."

Hofer winkte scherzend ab. Er habe nicht vor, Van der Bellen als Kabinettsdirektor mit in die Hofburg zu nehmen.

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Ein Abend heftiger Emotionen

Das Interesse war enorm. 800 Besucher wollten gestern Abend in der Grazer Stadthalle das Duell zwischen den Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen live vor Ort sehen. "Wir waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft", sagte Kleine Zeitung-Chefredakteur Hubert Patterer zur Begrüßung. "Wir hätten heute in Graz auch das Schwarzenegger-Stadion füllen können".

Mehr als 65.000 Zugriffe hatte die Live-Übertragung der Veranstaltung auf nachrichten.at sowie den Internetplattformen der anderen Bundesländerzeitungen und der "Presse", die gemeinsam mit den OÖNachrichten das Duell in Graz organisiert hatten.

"Das war ein echtes Streitgespräch - kontroversiell, offenherzig, mit neuen Einsichten. Hofers mühsam gezügelte Aggressivität war doch überraschend. Van der Bellen versuchte es mit demonstrativer Sachlichkeit", fasste Christoph Kotanko, Wien-Korrespondent der OÖNachrichten, seinen Eindruck von der Fragerunde zusammen.

"Spannend war, wie beide auf dem Instrumentarium der Gefühle gespielt haben - etwa beim Heimatbegriff", sagte Politikanalyst Peter Plaikner nach der Diskussionsrunde. Der lobte die Diskussion generell, auch im Hinblick auf vergangene Wahlkampfauftritte: "Das war ein Format, wo die Kandidaten wirklich Fragen beantworten konnten", sagte Plaikner.

Für Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle offenbarten sich einmal mehr die deutlichen Unterschiede zwischen den Kandidaten – "im Verhältnis zum Islam, zur EU und beim Thema Asyl."

Enorm war auch das internationale Medieninteresse an der Veranstaltung: ZDF, das Schweizer Fernsehen sowie der französische Sender France 5 filmten gestern mit. Und auch die finnische Tageszeitung Helsining Sanomat schickte eine Reporterin zur Duellbeobachtung.

Wer in der Favoriten- und wer in der Herausfordererrolle steckte, war auch für die Politikwissenschafter schwer zu beurteilen: "Die Karten sind seit 24. April neu gemischt", sagte Plaikner.

 

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