Innauer und eine beleidigte Majestät

Von Christoph Zöpfl   04.Dezember 2017

Was bisher geschah: Nicola Werdenigg (59), in den 1970er-Jahren als Nicola Spieß ein Ski-Talent mit erfolgversprechender Perspektive, outet sich als Missbrauchsopfer, erinnert sich an eine Vergewaltigung und erzählt über unzumutbare Praktiken im Umfeld der Kader des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) und Schulen mit Skisport-Schwerpunkt.

Die ÖSV-Führung reagiert betroffen und verständigt sich reflexartig auf die Parole "Wir haben davon nichts gewusst". Mögliche gerichtliche Schritte gegen Frau Werdenigg wurden in Gesprächen mit Journalisten angedacht, aber daran kann sich inzwischen niemand mehr erinnern. Morgen wird Werdenigg vor der Staatsanwaltschaft, die inzwischen aktiv geworden ist, aussagen. Laut "Tiroler Tageszeitung" hat die in Wien lebende Tirolerin handfeste Beweise, die Zahl der potenziellen Opfer, die sich seit ihrem Outing bei ihr gemeldet hätten, sei inzwischen im zweistelligen Bereich. Werdenigg spricht von 40 bis 50 Missbrauchsfällen, bei den jüngsten wären weniger als zehn Jahre vergangen.

 

Was gerade passiert: Für die Medien ist das Thema Skisport und Missbrauch natürlich eine verlockende Thematik. Österreich ist eine Skination, Skandale im Umfeld des ÖSV sind publikumswirksam und quotenträchtig. Fast ausnahmslos werden die von Nicola Werdenigg thematisierten Missstände, wie das in verschiedenen Schulen praktizierte "Pastern" (das Einreiben mit Schuhcreme von Genitalien von Novizen), aufgegriffen und kritisch hinterfragt. Verhaltensauffällig sind die Sichtweisen der ÖSV-Partner ORF und "Kronen Zeitung", die in dieser Causa sehr defensiv unterwegs sind. Das Kleinformat versucht noch dazu, mit grenzwertigen Statements von Zeitzeuginnen Werdenigg aus der Opferrolle zu holen und ihre Glaubwürdigkeit zu torpedieren.

 

Was kommen wird: Werdenigg wird morgen der Staatsanwaltschaft möglicherweise neue Fakten liefern. Unabhängig davon werden sich neue mutmaßliche Opfer von missbräuchlich eingesetzten Autoritätsverhältnissen im ÖSV melden. Viele der Opfer sind derzeit noch anonym. Verschiedene Medien haben allerdings längst sehr hohe Preisgelder für exklusive Outings ausgesetzt. Selbst wenn die Schweinereien im Jahre Schnee stattgefunden haben, wird man die Geschichte der guten, alten Zeit des österreichischen Skisports korrigieren oder zumindest mit kritischen Fußnoten ergänzen müssen.

 

Nicht zuletzt wird auch der ÖSV einsehen, dass Peter Schröcksnadel zwar ein verdienter Präsident ist, aber mit seinem autokratischen Gehabe nicht mehr in die Zeit passt. Dem fundierten OÖN-Gastkommentar von Toni Innauer in der Samstag-Ausgabe antwortete der 76-Jährige so: "Deine Ansage heute ist (...) aus meiner Sicht schon sehr bedauerlich, weil du dich dadurch in die Gilde der Opportunisten und Pharisäer einreihst, was ich schade finde."

Wer Schröcksnadels Imperium kritisch hinterfragt, begeht Majestätsbeleidigung. Das war schon immer so. Und das war schon immer ein Schwachsinn.

 

Video: Im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen im Österreichischen Skiverband, nahm dessen Präsident Peter Schröcksnadel am Montag vor einer Woche in der ZIB 2 Stellung: Er kritisiert, dass man bis heute nicht genau wisse, um welche Vorwürfe es konkret geht.