Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

"Voll auf dem Gas und auf der Bremse"

Von Dietmar Mascher   13.Dezember 2019

Nächste Woche feiert Michael Rockenschaub seinen 65. Geburtstag, wenige Tage später geht er als Generaldirektor der Sparkasse Oberösterreich in Pension. Im Gespräch mit den OÖNachrichten zieht er nach mehr als 40 Jahren Bankgeschäft Bilanz.

OÖNachrichten: Welche Ämter werden Sie im Jänner noch haben?

Rockenschaub: Ich gebe nächste Woche mein Handy und meine Schlüssel ab und werde keine Funktionen mehr ausüben. Auch nicht in der Anteilsverwaltung. Ich bleibe lediglich eines von 220 Vereinsmitgliedern im Sparkassenverein.

Dann geht es auf Reisen?

Nein, aber ich lade meine Familie in der zweiten Jännerwoche zum Skifahren ein. Das ist eine Zeit, in der ich beruflich leider nicht weg konnte. Außerdem habe ich wieder mehr Zeit für Museumsbesuche in Wien. In meiner Studienzeit habe ich mir als Reiseführer etwas dazuverdient und war viel dort.

Was war das bewegendste Erlebnis Ihrer Laufbahn?

Das war der Totaleinbruch von Ende 2008 bis Mitte 2009: Das war wie ein Wasserfall, der plötzlich versiegt. Es sind keine Aufträge mehr nachgekommen. Dieses Nichts-geht-mehr war eine Art Weltuntergangsstimmung. Es gab Krisenrunden beim Landeshauptmann, der an uns Regionalbanken appelliert hat, keine unnötigen Fälligstellungen oder Nichtverlängerungen von Kreditlinien zu machen. Für alle drei Regionalbanken war das im Nachhinein ein riesiges Imageplus.

Damals haben die Regionalbanken ein großes Risiko genommen.

Es ist speziell bei Raiffeisen und den Sparkassen massiv in die Identitätsfrage hineingegangen: Für wen sind wir da? Ein Regionalinstitut, das aus einer genossenschaftlichen oder einer Sparkassentradition kommt, tut sich sicher leichter als ein renditeorientiertes Institut, das primär schauen muss, dass der Gewinn passt. Damals hat sich gezeigt, welche Bedeutung Geschäftsmodelle für eine Region haben können. Deshalb kann man an die EU-Politik nur appellieren: Macht den Regionalbanken das Leben nicht allzu schwer mit Regularien, die für die Großbanken gedacht sind.

Die drei großen Regionalbanken Raiffeisen, Oberbank und Sparkasse haben einander auch immer starke Konkurrenz gemacht. War das auch stimulierend?

Auf alle Fälle. Das ist eine Sondersituation in Oberösterreich, die aber auch Teil des Erfolges des Landes ist. Es ist für alle drei Platz. Würde einer ausfallen, weil er sich zum Beispiel aus dem Firmenkreditgeschäft zurückzieht, könnten die anderen beiden dieses Milliardenvolumen gar nicht übernehmen.

Was war Ihr schönstes Erlebnis?

Dass ich miterleben durfte, wie speziell nach dem EU-Beitritt die Exportbetriebe aufgeblüht sind. Ständig sind neue Firmen entstanden, bestehende gewachsen. Vor allem die Verschränkung mit dem bayerischen Raum war wichtig. Ich bin im Innviertel aufgewachsen und habe gesehen, wie es vom Armenhaus zu einer der besten Industrieregionen Österreichs geworden ist. Von der Dynamik halte ich das Innviertel für die beste Region Österreichs.

Sie haben Anfang der 1990er Jahre die Globalisierung der Märkte miterlebt.

Das war die weltweite Freigabe der Finanzwirtschaft. Davor mussten wir für jedes Fremdwährungskonto bei der Nationalbank um eine Bewilligung ansuchen. Es hat ein paar Wochen gedauert, bevor man ein Lira-Konto aufmachen durfte.

Dann kam der Spekulationswahnsinn.

Der hat damals die ganze Republik erfasst, nicht nur uns Banken mit den Fremdwährungskrediten für Häuslbauer, sondern auch die Politik mit dem Cross-Border-Leasing. Jeder Landesrat, jeder Bürgermeister war der Meinung, man brauche das Geld nur aufzuheben, der Finanzmarkt verdient das schon. Kraftwerke, Kanalleitungen, Stromnetze – alles wurde verkauft und zurückgeleast. Im Oktober 2008 hatten wir dann schlaflose Nächte, weil das Geld bei der AIG-Versicherung gelegen ist. Nach der Lehman-Pleite war ja nichts mehr unsinkbar. Wäre die AIG untergegangen, wäre das eine Republikskatastrophe gewesen.

Haben die Jahre nach 2009 den Hausverstand zurückgebracht?

Eindeutig, das war ein Schock. Zum Teil hat das Pendel zu radikal in die andere Richtung ausgeschlagen. Aus dem heraus gibt es Widersprüchlichkeiten, die uns in Zukunft bewegen werden: Die Europäische Zentralbank flutet die Staaten mit Geld. Die Europäische Kommission macht auf dieselben Staaten Druck zur Budgetdisziplin. Ähnliches gilt für die Finanzierung von Firmen: Die Kommission sagt, die Firmen müssen sich mehr über den Kapitalmarkt finanzieren. Die EZB sorgt aber mit wahnwitzigen Regularien dafür, dass das immer schwerer wird. Ich frage mich: Wer verkauft diese Anleihen für KMU-Fonds, ohne mit einem Fuß im Kriminal zu stehen? Und wer soll das kaufen, wenn der Banker ihm fünf Mal sagt, wie gefährlich das eigentlich ist? Das ist alles wie gleichzeitig voll aufs Gas und auf die Bremse zu steigen. Aus all dem ist eine ambivalente Finanz- und Aufsichtspolitik geworden, die für Geschäftsmodelle wie das unsere schon sehr spannend wird. Darum beneide ich meine Nachfolger nicht.

Wie geht es weiter mit dem Bankgeschäft?

Die Branche wird in Europa weiter durch Fusionen schrumpfen. Wir haben schon viel hinter uns: Als ich begonnen habe, gab es für Firmenkunden in Linz doppelt so viele Anbieter wie jetzt. Die ersten Jungen kennen den Namen Länderbank nicht mehr. Es gibt auch noch 40 Kleinsparkassen in Österreich, da ist auch bei uns noch einiges möglich.

Wie lange halten die Banken die Nullzinsen aus?

Der Zinsertrag bleibt ein Problem. Die Erträge kommen aus dem Dienstleistungsgeschäft, das sich aber nur in sehr großen Mengen rechnet. Das bedeutet, der Zusammenlegungsdruck steigt. Fragt sich nur, wer wann wie mit wem fusioniert. In zehn Jahren könnte sich die Zahl der Banken halbiert haben.

copyright  2024
24. April 2024