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Wie die Voest den Wahlkampf aussperrte

Von Von Dietmar Mascher   23.September 2009

Lokalaugenschein in einer von mehreren Kantinen auf dem Werksgelände. Es gibt entweder Speckknödel oder Fisch mit üppiger Sauce. Menüs für vorwiegend manuell Tätige. Wer keine Vor- und/oder Nachspeise will, wird ein wenig verwundert gemustert. Es gibt Tische, die mit „Arbeitskleidung“ und mit „Straßenkleidung“ gekennzeichnet sind. Werkskantinen müssen so duften. Ein bisschen Metall, ein bisschen Schweiß, ein bisschen Fertigsauce. Maggi hat hier auf den Tischen noch seine volle Daseinsberechtigung.

Josef Stadler wünscht den meisten „Mahlzeit“, fragt, „ob eh alles passt“, nimmt das Nicken zur Kenntnis. Ein Kollege schüttelt ihm die Hand. „Meine Stimme hast du schon. Ich habe meine Wahlkarte schon abgegeben, fahre am Wochenende nach Griechenland.“

Der Arbeiterbetriebsrat Stadler kandidiert für die Linzer SPÖ bei der Gemeinderatswahl. Kampfmandat. Vorzugsstimmen-Wahlkampf. „Ich habe 1000 Hausbesuche gemacht“, sagt er. „Da bekommt man ein Gespür für die Sorgen der Leute.“

Auf dem Werksgelände findet allerdings kein Wahlkampf statt. Die voestalpine-Führung hat die Politik mit Jahresbeginn einfach ausgesperrt. Keine Politikerbesuche mehr. Kein Blauzeug und keine Helme, die angelegt werden, um im Blitzlichtgewitter der Pressefotografen bestehen zu können. Kein übermotiviertes Nicken und Händeschütteln, wenn der Hochofen erklärt wird.

Zum Voestival, dem Klassik-Event in der Grobblechhalle vergangenen Freitag, war ebenfalls kein Politiker eingeladen worden. Dem Vernehmen nach hat sich keiner der 4000 Besucher beschwert.

Keine Plakate, keine Flugzettel. Man hatte genug von der Politik, die sich sechs Jahre vorher der voestalpine als Wahlkampfthema bemächtigt hatte. Manche erinnern sich vielleicht. Unter dem Codenamen „Minerva“ hatte die ÖIAG 2003 im Auftrag der schwarz-blauen Bundesregierung begonnen, Verkaufsverhandlungen mit Magna zu führen. Die Aufregung war groß. Eine Zerschlagung des Konzerns wurde befürchtet. Der Gegenwind, den Josef Pühringer ausgerechnet von seinen Parteifreunden aus Wien verspürte, war Rückenwind für Erich Haider. Die Mitarbeiter waren verunsichert, das Management verärgert. Die voestalpine hat die Landtagswahl 2003 geprägt.

Heute ist die voestalpine vollprivatisiert. Der Großteil der Aktionäre sind Oberösterreicher – inklusive Mitarbeitern. Die große Wirtschaftskrise scheint vorerst überstanden zu sein. Die Kurzarbeit wird gerade beendet.

Lehren aus der Krise

Nicht nur zur Freude vieler Mitarbeiter. Weniger arbeiten und nur ein bisschen weniger verdienen. Gleichzeitig den Arbeitsplatz sichern. Damit können sich viele anfreunden. „Weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich“, folgert Stadler. Die Führung müsse das wollen, müsse sich das leisten.

Der 54-jährige Stadler, der 1971 als Lehrling der Voest begonnen hat und zwischendurch drei Jahre als Entwicklungshelfer in Zimbabwe gearbeitet hat, ist ein Urgestein, der mit allen kann. Der verstaatlichten Voest trauert er noch immer nach. Ihr ginge es heute genauso gut wie der privatisierten, ist er überzeugt. Früher sei es eher um Arbeitsplätze gegangen, heute spiele auch das Geld eine wichtige Rolle. Dass der Staat ein schlechter Unternehmer sei, könne er nicht nachvollziehen. Das Versagen des Staates bei der AUA, der auch nicht vor einem Verkauf an die Lufthansa schützte, sondern diesen dann ersehnte, hält er für die Ausnahme der Regel.

Die Kantine leert sich. Josef Stadler steigt in seinen Wagen. Ein bisschen Wahlkampf konnte er damit auf das Werksgelände „hinüberretten“. Er ist über und über mit Werbung für seinen Vorzugsstimmen-Wahlkampf beklebt.

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25. April 2024