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Wie der FACC 50 Millionen abhanden kamen

Von Susanne Dickstein   04.Februar 2016

Der 23. Dezember 2015 geht als schwarzer Tag in die Firmengeschichte des Innviertler Flugzeugzulieferers FACC ein. An diesem Tag überwies ein Mitarbeiter der Finanzbuchhaltung die ersten 13 Millionen Euro an Internetbetrüger. Sie hatten eine gefälschte Mailadresse des Vorstandschefs Walter Stephan eingerichtet und dem Mitarbeiter vorgetäuscht, es handle sich um eine streng vertrauliche Transaktion für einen Firmenkauf. Der Schriftverkehr umfasst rund 40 Mails, um Vertrauen aufzubauen, und folgt dem klassischen Muster eines sogenannten „Fake President Fraud“. Der Schaden für das börsennotierte Unternehmen ist enorm. Bis die mehr als zehn Abbuchungen am 19. Jänner bemerkt wurden, waren in Summe 50 Millionen Euro weg. Die Gelder sind nach China, Taiwan und in die Slowakei geflossen.

Lange Nacht des Aufsichtsrats

Am Montag und am Dienstag bis spät in die Nacht tagte der Aufsichtsrat der FACC bestehend aus sechs chinesischen Vertretern des Mehrheitseigentümers Xi’an Aircraft Industry, vier Betriebsräten und zwei unabhängigen Vertretern. Dann stand fest: Finanzvorchefin Minfen Gu wird mit sofortiger Wirkung abberufen und die Finanzabteilung neu aufgestellt. Interimistisch übernimmt Yongsheng Wang, Mitglied des Aufsichtsrats, bis Personalberater einen geeigneten Nachfolger gefunden haben. Der Mitarbeiter aus der Finanzbuchhaltung bleibt im Unternehmen, ist aber bis auf weiteres freigestellt. „Das ist das Opfer, nicht der Täter“, sagt Vorstandsvorsitzender Walter Stephan.

Nach der personellen Konsequenz im Vorstand bleibt die FACC um Schadensbegrenzung bemüht. Schwer zu beantworten ist aber die Frage, weshalb es bis zum monatlichen Berichtswesen gedauert hat, bis das Abfließen der Millionen entdeckt wurde. „Die internen Prozesse im Finanzbereich sind nicht ausreichend etabliert“, formuliert Stephan vorsichtig.

Aber anscheinend haben nicht nur die internen Prozesse versagt: Denn die abgebuchten 50 Millionen Euro übersteigen die liquiden Mittel der betroffenen Firma, der FACC Operations GmbH, deutlich. Es wurden bei den Banken nicht nur bestehende Kreditlinien ausgenützt, sondern auch Kontokorrentrahmen ausgeschöpft. „Wir prüfen Schadenersatzansprüche gegen Dritte“, sagt Stephan dazu. Um zumindest einen Teil der verlorenen 50 Millionen Euro wieder hereinzubringen, werden zudem Versicherungsansprüche verfolgt. In Frage kommt dabei die D&O-Versicherung, im konkreten Fall die Haftpflichtversicherung für den Finanzvorstand. Auch die (Briefkasten-)Firmen, die Begünstigte der Abbuchungen waren, sind ausgeforscht. Ob hier ein Teil der verschwundenen Millionen wieder hereinzuholen ist, ist jedoch höchst unwahrscheinlich.

Die 50 Millionen Euro werden der FACC noch länger fehlen. In der Operations GmbH stehen zunächst einmal eigenkapitalstärkende Maßnahmen durch die Holdingmutter an. Ein Herantreten an den Kapitalmarkt sei kein Thema, um die Lücke zu schließen.

Vielmehr steht die FACC vor einem Sparprogramm. Ausgeschlossen sei ein Arbeitsplatzabbau. „Wir wollen bei Nebenleistungen sparen wie bei den Reisekosten, nicht bei Entwicklungen und Produkten“, sagt Stephan, dem es inzwischen auch gelungen ist, aufgeregte Kunden und Lieferanten zu beruhigen. Das komplette IT-System sei auf Herz und Nieren geprüft worden, die Daten wurden für sicher befunden.

 

"Ich fühle mich um einiges älter"
Vorstandschef Stephan

„Ich fühle mich um einiges älter“

Anstatt mit Kunden wie Boeing und Airbus neue Projekte zu vereinbaren, war FACC-Chef Walter Stephan in den vergangenen Wochen mit Krisenmanagement beschäftigt. Im OÖN-Interview spricht er von entgangenen Chancen.

Wie geht es Ihnen zwei Wochen nach Auffliegen des Internetbetrugs?

Spaß ist das keiner. Nichts gegen Rechtsanwälte, aber ich würde gern weniger mit ihnen und mehr mit unseren Kunden kommunizieren. Außerdem fühle ich mich um einiges älter aufgrund meines Schlafdefizits.

Ist zu befürchten, dass Kunden abspringen?

Nein, die stehen zu uns. Wir haben nachgewiesen, dass Kundendaten bei uns sicher sind und wir über die notwendige Liquidität verfügen. Aber es ist ärgerlich: Die Luftfahrt hat zurzeit Hochkonjunktur, und wir können das nicht in vollem Ausmaß umsetzen. Wir verpassen Chancen, weil wir uns mit Sonderereignissen beschäftigen müssen.

Wo fehlen die 50 Millionen?

Wir brauchen die Liquidität, um unsere Beweglichkeit auf dem Markt nicht zu verlieren. Einsparen werden wir den vollen Betrag nicht können, daher müssen wir uns auch operativ verbessern. Wir werden die Produktion intensiver auslasten und jeden Euro umdrehen, um uns möglichst rasch wieder in unsere bisherige Finanzposition zu versetzen.

 

Chronologie der Ereignisse:

  • 23.12. - Startschuss: Die ersten Überweisungen werden getätigt. In mehreren Teilbeträgen fließen am Tag vor Weihnachten in Summe bereits 13 Millionen Euro ab. Die Zahlungen gehen nach China, Taiwan und in die Slowakei.
  • 19.1. - 50 Millionen Euro sind weg, für die es keine Erklärung und auch keine Freigaben gibt. Die Kriminalpolizei wird eingeschaltet.
  • 20.1. - Ermittlungen: Um vier Uhr morgens chinesischer Zeit wird der Aufsichtsratschef aus dem Bett geholt. Zu Mittag findet eine telefonische Aufsichtsratssitzung statt. Es ist klar: Das war kein Hackerangriff, sondern ein „Cyber Fraud“.
  • 3.2. - Köpferollen: Der Aufsichtsrat tagt bis tief in die Nacht. Mittwoch Früh wird Finanzvorstand Minfen Gu mit sofortiger Wirkung abberufen. Ein Aufsichtsrat wechselt interimistisch in den Vorstand.
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