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US-Konzernchefs entdecken die Nachhaltigkeit

Von Hermann Neumüller   24.August 2019

Wir wissen, dass viele Amerikaner kämpfen müssen. Zu häufig wird harte Arbeit nicht belohnt, und es wird zu wenig getan, damit Arbeitnehmer mit dem raschen Wandel in der Wirtschaft Schritt halten können." Dieses Zitat stammt nicht etwa aus einer Gewerkschaftsbroschüre, es stammt aus einer Erklärung des mächtigen Unternehmerverbandes "Business Roundtable".

Unterschrieben wurde es von 181 Vorstandsvorsitzenden der größten US-Konzerne, vom Amazon-Chef Jeff Bezos genauso wie von Tim Cook (Apple) oder Mary Barra, Vorstandsvorsitzende von General Motors, um nur drei zu nennen. Der Business Roundtable hat knapp 200 Mitglieder, die dort vertretenen Unternehmen erzielen einen gemeinsamen Jahresumsatz von sieben Billionen Dollar (6,3 Billionen Euro).

Nicht mehr die Aktionäre allein sollen künftig die einzige Interessengruppe sein, die im Blickpunkt des Unternehmenszwecks steht. Sie sollen künftig nur mehr einer von fünf "Stakeholdern" sein, neben den Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und der Gesellschaft. Damit nehmen die Konzernchefs Abschied vom "Shareholder Value"-Prinzip, das der Business Roundtable in seinen Statements seit mehr als 30 Jahren predigt. Unternehmen sollten "die Umwelt schützen", ihre Arbeitnehmer mit "Würde und Respekt" behandeln und langfristig Gewinne für die Aktionäre erzielen.

Nur ein Papiertiger?

Ein PR-Gag? Eine Zeitenwende? Die Reaktionen auf diesen Vorstoß sind gemischt. Wenden sich die amerikanischen Unternehmenslenker also vom traditionellen Kapitalismus ab und der Nachhaltigkeit zu?

Zweifel sind zwar angebracht, wie ernst sie diese Kehrtwende meinen. Tatsache ist aber, dass diese Großunternehmen und ihr Führungspersonal immer stärker unter Druck kommen – auch von Aktionärsseite. Großanleger wie etwa die Münchener Rück, der größte Rückversicherer der Welt, der norwegische Staatsfonds, der die Öl- und Gaseinnahmen des Landes verwaltet, oder eine zunehmende Zahl von nachhaltig agierenden Investmentfonds für das breite Anlegerpublikum fordern mehr Rücksichtnahme auf das Klima, auf Menschenrechte oder auf eine gerechte Bezahlung der Mitarbeiter.

Larry Fink, der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock und Mitglied des Business Roundtable, hatte schon im vergangenen Jahr Unternehmenslenker in einem offenen Brief aufgefordert, in einer Zeit, in der sich Menschen enttäuscht von der Politik abwendeten, die Führung zu übernehmen. Gerade die jüngere Generation sehe die Aufgabe von Unternehmen nicht nur darin, Gewinne zu erwirtschaften, sondern eine bessere Gesellschaft zu schaffen.

Ob und wie dieses Bekenntnis tatsächlich "gelebt" werden wird, muss sich erst zeigen. In dem Papier ist beispielsweise kein Wort darüber zu lesen, wie man künftig mit der immer größer werdenden Kluft zwischen Vorstands- und Mitarbeitergehältern umgehen soll. Auch darüber, ob sie künftig ihre Gewinne wieder investieren und nicht für Aktienrückkäufe verwenden wollen, liest man nichts.

Vieles aus diesem Papier entspricht ohnehin dem, wie gut geführte Mittelständler in Österreich oder Deutschland wirtschaften. Nachhaltigkeit ist das Gegenteil von Führung nach Quartalsberichten. Das dominiert aber nach wie vor bei den börsennotierten Gesellschaften. Wer institutionelle Investoren nicht vergraulen will, muss jedes Vierteljahr höhere Gewinne ausweisen oder zumindest gut erklären können, warum das nicht der Fall ist.

Die US-Manager können wahrscheinlich schon bald beweisen, wie ernst sie ihren Aufruf gemeint haben. Die USA steuern auf wirtschaftlich härtere Zeiten zu, oft ist sogar von einer Rezession die Rede. Dann darf man gespannt sein, wer die Zeche zahlt, wenn es deutliche Rückschläge gibt: wieder die Mitarbeiter oder wirklich die Aktionäre?

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