Moderne Bauern, digitale Knechte
Der Traktor wird von Satelliten gesteuert, das Tier mit Chips überwacht, der Betrieb vom Computer analysiert. Der Bauer ist digital und kann dabei auch auf Technik heimischer Firmen zurückgreifen. Von Josef Lehner
Bis zu 40 Mägde und Knechte haben vor 70 Jahren auf dem Weißauergut in Kirchdorf am Inn gearbeitet. Heute schaukelt Michael Treiblmeier (32) den Betrieb mit mehr als 60 Hektar Acker und Schweinemast allein, unter tatkräftiger Hilfe des Vaters – und digitaler Knechte. Erst hat die Mechanisierung den Personalabgang aufgefangen. Jetzt erleichtert Landwirtschaft 4.0, dass ein Hof profitabel geführt werden kann.
Die Produktion einfach auszuweiten, um wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben, das funktioniert nicht mehr, weil Boden knapper wird und die gesetzlichen Auflagen schärfer werden. "Deshalb rückt immer stärker in den Mittelpunkt, Wertschöpfung durch Innovation zu schaffen", schreibt Gertraud Leimüller vom "Netzwerk Zukunftsraum Land" in einer Studie. Die Digitalisierung ermöglicht es, vorhandene Ressourcen besser zu nutzen und effizienter zu produzieren. Die "next Generation" hat das Wissen dazu.
Michael Treiblmeier nutzt sein Studium der angewandten Pflanzenwissenschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien, um seinen Kollegen Bodenanalysen anzubieten. "Das Potenzial des Bodens wird zu wenig genutzt", sagt er. Bilder, die er mit seiner Drohne macht, zeigen den Pflanzen- und Bodenzustand eines Feldes: "Jeder Boden ist anders. Die Interpretation der Daten ist ganz wichtig." Treiblmeier hat dazu ein Ingenieurbüro gründen und eine Flugbewilligung der Austro Control erwirken müssen.
Es gibt heute viele Arten von Erwerbskombinationen. Sie sind in einem Land mit agrarischen Ungunstlagen besonders wichtig. Die Juristin Gabriele Hebesberger führt den Schweinemastbetrieb der Eltern in Kremsmünster. In ihrem akademischen Beruf kann sie als Mitarbeiterin der OÖ. Landwirtschaftskammer auch ihr agrarisches Wissen anwenden. "In der Urproduktion lässt sich derzeit nur schwer Geld verdienen", sagt Hebesberger. "Es kann nicht jeder seinen Betrieb umstellen, es gibt aber viele Chancen." Dazu würden "Green Care" (Betreuung von Kindern, Behinderten, Senioren) ebenso zählen wie Direktvermarktung oder Urlaub am Bauernhof. "Der Internet-Auftritt ist dabei nicht mehr wegzudenken. Es fehlen aber gerade am Land noch leistungsfähige Leitungen", sagt Hebesberger.
Die digitale Kommunikation ist für den Bio-Kräuterbauern Jakob Aufreiter unerlässlich. Über WhatsApp organisiert er etwa eine "Foodcoop", eine Verkaufsplattform, die er mit verschiedenen Produzenten gegründet hat (bauern.laden.ein). Kunden geben ihre Bestellungen digital ab und müssen nicht zu verschiedenen Anbietern laufen. Die Familie Aufreiter hat außerdem einen Bioladen, der im Web präsent ist und neue Kundenschichten erschließt.
Die Digitalisierung in der Landwirtschaft gewinnt auch in der Produktion laufend an Bedeutung. "Precision Farming", ist etwa ein Angebot der Traktorerzeuger wie Steyr-Case in St. Valentin. Die Zugmaschinen laufen, per Satellit gesteuert, wie auf Schienen über die Felder und sparen Betriebsmittel (Treibstoff, Saatgut, Pflanzenschutzmittel, Dünger). Erzeuger wie Pöttinger in Grieskirchen liefern ihre Geräte mit den passenden Schnittstellen.
Der computergesteuerte Stall
Ein Pionier der Automatisierung von Tierställen sei Schauer Agrotronic in Prambachkirchen, wie Geschäftsführerin Eva Vogl erklärt. Schon vor 20 Jahren hätten Automaten die passenden Futterrationen für Mastschweine bemessen, um optimales Wachstum zu garantieren. Seit sechs Jahren hat das Familienunternehmen, das zwei Drittel seines Umsatzes im Ausland macht, einen "Farmmanager", der alle Stall- und Tierdaten zusammenführt: Verbrauch von Futter und Wasser, Temperatur, Abweichungen. "Jetzt haben wir eine Schauer-Cloud im Test, wo alle weltweiten Betriebsdaten bei uns auf Servern gelagert und ausgewertet werden", sagt Verkaufsleiter Karl-Heinz Denk. Als nächster Schritt kann der Bauer Betriebsvergleiche anstellen und sehen, wo er mit seinen Resultaten liegt (Benchmarking).
Bei Schauer gestartet ist auch Wolfgang Auer aus Weibern, ehe er seine Firma "Smartbow" gegründet hat. Er hat ein System entwickelt, das dem Bauern über Ohrchips laufend Daten über das Wohlbefinden der Tiere liefert. Der Wirtschaftsinformatiker hält selbst Rinder und hat international so viel Aufsehen erregt, dass ihm der US-Konzern Zoetis das Unternehmen im Juli abgekauft hat.
Ein früher Innovator ist Johannes Mayr (52). Er liefert Daten über den Agrarsektor und bescheinigt den Bauern hohe Internet-Tauglichkeit. 97 Prozent haben einen Anschluss, 62 Prozent nutzen ihn auch für landwirtschaftliche Programme. Fast die Hälfte der Höfe ist jedoch mit schlechten Leitungen erschlossen, sowohl bei Internet wie Mobilfunk. Digitale Knechte sind so nur unzulänglich einsetzbar – eine Gefahr für den ländlichen Raum.