Vorsorge: Zwei wackelige Säulen
Private und betriebliche Alters- vorsorge spielen in Österreichs Pensionssystem immer noch eine untergeordnete Rolle. Zumindest an Reformvorschlägen mangelt es nicht.
Firmenpension in den Kollektivvertrag
Betriebspensionen sollten zur Stärkung der Altersvorsorge öfter in Kollektivverträgen verankert werden, forderten Ende Oktober in- und ausländische Experten bei einer Tagung zum Thema Vorsorge in Wien. In Österreich sollte "die Politik außer Streit stellen, dass wir das brauchen. Nur dann werden die Sozialpartner von ihrem ideologischen Mäntelchen befreit", sagte Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen in der Wirtschaftskammer Österreich.
Grundsätzlich sollten dabei alle Mitarbeiter einbezogen sein, für Einzelne sollte es aber auf deren eigene Verantwortung eine Opt-out-Möglichkeit geben, sagte Zakostelsky. Für diese "zweite Säule" der Altersvorsorge, neben der staatlichen ersten und der rein privaten dritten, sehe er die Unternehmen in einer sozialen Verantwortung zugunsten der Beschäftigten.
Für den Arbeitgeber einspringen
Binnen fünf Jahren sollte so jeder zweite heimische Arbeitnehmer über eine Pensionskassen-Vorsorgelösung verfügen, hatte Zakostelsky schon im August gefordert. Bis dahin solle der Anteil der Firmenpensionsberechtigten in der "zweiten Säule" von jetzt 23 auf bis zu 50 Prozent steigen. Nach damaligen Angaben hatten in Österreich erst 69 von 859 Kollektivverträgen entsprechende Regelungen.
Zur besseren Ausnutzung der heute mit zehn Prozent der Lohn- und Gehaltssumme limitierten steuerlichen Absetzbarkeit der Arbeitgeber-Beiträge in eine Pensionskasse sollen den nicht durch die Dienstgeber ausgeschöpften Teil die Dienstnehmer in Anspruch nehmen können, forderte Zakostelsky. Denn derzeit würden meist nur drei bis fünf Prozent ausgenutzt.
Anlagevolumen "lächerlich"
Adam Lessing, Österreich- und Osteuropachef der Fondsgesellschaft Fidelity, bezeichnete bei der Tagung in Wien die von der heimischen Pensionskasse bisher eingesammelten 20 Milliarden Euro Veranlagungsvolumen im europäischen und weltweiten Vergleich "lächerlich gemessen am Bruttoinlandsprodukt". Die österreichischen Unternehmen hätten sich aus der Verantwortung für die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter "herausgestohlen".
Die gleiche Beobachtung für das Nachbarland Deutschland macht der Chef der dortigen Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (aba), Heribert Karch, mit Verweis auf eine vom deutschen Finanzministerium in Auftrag gegebene 400-seitige Analyse. "Die Arbeitgeber haben zu wenig Motivation, etwas zu tun, die Arbeitnehmer zu wenig Geld und beide zusammen zu wenig Ahnung davon", sagte Karch.
Wer weniger verdient, sollte selbst weniger für eine Altersvorsorge der "zweiten Säule" einzahlen müssen, aber entsprechend mehr Förderung erhalten, forderte Zakostelsky.
Zukunftsvorsorge auch für die Pflege
Eine Reihe von Reformen hat die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge schon hinter sich. Die Versicherungswirtschaft sieht aber trotzdem noch Verbesserungsbedarf. Eine Änderung ist mit Jahresbeginn geplant: Sie soll künftig auch für die Pflege verwendet werden können.
Für Manfred Rapf, Vorsitzender der Sektion Leben im Versicherungsverband und stellvertretender Generaldirektor der s Versicherung, ist das ein kleiner, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Kunde soll bei Pensionsantritt eine weitere Option für die Verwendung der Zukunftsvorsorge, und zwar für eine Pflegeversicherung erhalten. Dies sei eine sinnvolle Ergänzung. Die erforderliche gesetzliche Änderung ist derzeit in Begutachtung und soll laut Begutachtungsentwurf zum Abgabenänderungsgesetz 2016 mit Jahresbeginn 2017 in Kraft treten.
Voraussetzungen für die Übertragung in eine Pflegeversicherung sind demnach, dass es sich um eine selbstständige Pflegeversicherung handelt, dass ein Rückkauf oder eine Kapitalabfindung nicht möglich ist und dass die Pflegeversicherung nur bei Anspruch auf Pflegegeld nach dem Bundes-Pflegegeldgesetz leistet.
Flexiblere Veranlagung
Die wesentlichen derzeitigen Verwendungsmöglichkeiten für die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge sind die Auszahlung einer lebenslangen Rente oder die Kapitalauszahlung, bei der aber die staatliche Prämie zurückgezahlt werden muss. Wichtig für eine Reform der Zukunftsvorsorge wären flexiblere Veranlagungsmöglichkeiten, so Uniqa-Österreich-Vorstand Peter Eichler. Es stelle sich auch die Frage von Kapitalgarantien.
Was die Veranlagung des Geldes im Niedrigzinsumfeld angeht, schlagen die Chefs der heimischen Versicherungen die Erweiterung der Anlage-Möglichkeiten vor. Robert Lasshofer, Generaldirektor der Wiener Städtischen, ist für eine Einbindung von Wohnbauinvestitionen. Wolfram Littich, Generaldirektor der Allianz Österreich, könnte sich auch Infrastruktur-Investitionen vorstellen. Diese hätten lange Laufzeiten und stabile Verzinsungen. Um die Versprechen an die Kunden angesichts der langen Vertragsdauer von Lebensversicherungen erfüllen zu können, seien lange Laufzeiten im Portfolio wichtig.
Lasshofer betonte, dass man mit Investitionen zur Wohnraumbeschaffung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte: private Zusatzrenten bis ans Lebensende und die Finanzierung von Immobilien-Investitionen.
Generell wünscht sich Rapf von der Politik mehr Dialog. Beide Systeme der Altersvorsorge, Umlageverfahren und kapitalgedeckte Formen hätten Vor- und Nachteile. Die Reformen des Umlageverfahrens würden dazu führen, dass die Ersatzraten sinken. Daher sollte es einen Schulterschluss zum Gegensteuern geben.
Robert Lasshofer, Generaldirektor der Wiener Städtischen