Metaller-KV: "Dann verliert ihr in den nächsten 20 Jahren durchschnittlich über 80.000 Euro"

WIEN. Beim Maschinenbauer Engel mit Zentrale in Schwertberg und den Standorten Dietach (Bezirk Steyr-Land) und St. Valentin (Niederösterreich) hat es am Donnerstag zeitgleich Protestaktionen geben.
Der Donnerstag war laut Gewerkschaft ihr „stärkster Streiktag“. Seit Dienstag wurde bei den Metallern gegen die bisherigen Angebote zur Lohnerhöhung protestiert. Bis Freitag werde in 250 Unternehmen die Arbeit für mehrere Stunden niedergelegt worden sein, zieht die Pro-Ge eine Zwischenbilanz.
Seit Donnerstagvormittag steht der nächste Verhandlungstermin fest: Am Montag um 13.30 Uhr startet die siebte Runde im Fachverband der Metalltechnischen Industrie.
Am Donnerstag wurden die Positionen vorerst einmal zementiert: Bei einer Versammlung im Engel-Werk St. Valentin sagte der GPA-Geschäftsführer Michael Pieber in Niederösterreich: Eine Einmalzahlung als Inflationsabgeltung käme nicht infrage, „dann verliert ihr in den nächsten 20 Jahren durchschnittlich mehr als 80.000 Euro“.
Die Arbeitgeber haben zuletzt sozial gestaffelte Lohn- und Gehaltserhöhungen von durchschnittlich 6 Prozent (2,7 Prozent plus 130 Euro monatlicher Fixbetrag) sowie eine steuerbefreite Einmalzahlung von netto 1200 Euro vorgeschlagen.
Oberösterreichs Arbeiterkammer-Präsident Andreas Stangl habe angesichts der kämpferischen und solidarischen Stimmung „Gänsehaut bekommen“, sagte er während eines einstündigen Protestmarsches von mehr als 1000 Engel-Beschäftigten durch Schwertberg.
Erstmals seit mehr als 30 Jahren habe sich der Anlagenbauer Primetals mit 400 Protestierenden an einem Lohnstreik beteiligt, heißt es von dort. Die Streiks seien auf die gesamte Metallindustrie ausgedehnt worden, teilten die Verhandlungsführer Reinhard Binder und Karl Dürtscher mit. Auch Gießereien und Betriebe der Fahrzeugindustrie – etwa BMW in Steyr – hätten sich beteiligt.
„Wir allein sind nicht zuständig“
„Die wirtschaftliche Situation ist für die meisten Betriebe sehr schwierig, viele beginnen, Arbeitsplätze abzubauen. Streiks gießen Öl ins Feuer, anstatt dass wir gemeinsam für sichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen sorgen“, sagte Christian Knill, Obmann des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie. Die Gewerkschaften müssten sich bewegen, „denn Verhandlungen sind keine Einbahnstraße“, so Knill. Er wiederholte den Standpunkt der Arbeitgeber, dass „wir nicht allein für die Erhaltung der Kaufkraft zuständig sind“. Ein Abschluss in Höhe der rollierenden Inflation sei „definitiv nicht leistbar“.
Bildergalerie: Metaller-KV: Mitarbeiter von Engel und voestalpine streiken

„Es wird heuer mehr gestreikt“
Angesichts der weit auseinanderliegenden Positionen stellt sich die Frage, wie die Sozialpartner auf einen gemeinsamen Nenner kommen können.
Der Chef der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria, Franz Schellhorn, sagt, die Verhandlungspartner müssten sich in einer gemeinsamen Analyse die Frage stellen, was die Kunden bereit sind, für die Produkte zu zahlen. „Denn nicht die Arbeitgeber zahlen die Gehälter, sondern die Kunden“, sagt Schellhorn.
Nur wenn es gelinge, die Produktivität zu steigern, könne man über höhere Entlohnung reden. Die Produktivität sei aber in den vergangenen Jahren nicht gestiegen. Österreich habe in den vergangenen Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren und rutsche in den Rankings ab. „Ohne zusätzliche Investitionen wird es schwierig, die Produktivität zu erhöhen. Aber wer soll derzeit in Österreich investieren?“, fragt Schellhorn und kritisiert, dass auf politischer Ebene nichts für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit getan werde, sie überhaupt kaum ein Thema sei. Er rechne damit, dass die Stimmung noch ruppiger werde, weil die Unternehmen keiner automatischen Inflationsabgeltung zustimmen würden: „Es wird heuer wohl mehr gestreikt werden.“
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