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Lenzing übernimmt Kontrolle über Hygiene Austria

Von Hermann Neumüller   04.März 2021

Mehrheitseigentümer Lenzing zieht beim Schutzmasken-Hersteller Hygiene Austria, der eine teilweise Fertigung seiner Masken in China eingeräumt hat, jetzt die Zügel straffer an. Wie schon länger geplant übernimmt der börsennotierte Faserhersteller bei der Hygiene Austria LP GmbH die Managementkontrolle und setzt mit Stephan Sielaff einen zusätzlichen Geschäftsführer ein. Außerdem werde ein externes forensisches Untersuchungsteam bestellt, erklärte Lenzing am Donnerstag.

Das Forensik-Team solle zum Masken-Produktionsthema "Klarheit schaffen", hieß es dazu auf Nachfrage. Eine Zahl, wie viele FF2-Masken möglicherweise aus China bezogen worden sind, wird noch nicht genannt. Am Mittwochabend hatte Hygiene Austria mit dem Eingeständnis überrascht, zum Abdecken von Spitzennachfrage auch auf chinesische Lohnfertiger zurückgegriffen zu haben. Davor hatte man sich immer als "Made in Austria"-Produzent dargestellt, deshalb hatten sich auch Spitzenpolitiker ein Stelldichein bei Hygiene Austria gegeben. Die Vorwürfe von Betrug und Schwarzarbeit, denen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nachgeht, hat das Unternehmen am Mittwochabend "klar zurückgewiesen".

Sielaff, der nun als dritter Geschäftsführer bei der Hygiene Austria LP GmbH eingesetzt wird, ist hauptberuflich Vorstand für Fasern & Technik bei Lenzing, diplomierter Chemieingenieur und war von 1993 bis 2014 in Management-Positionen bei Unilever und Symrise tätig gewesen. Von 2014 bis Februar 2020 saß er im Vorstand des Schweizer Spezialchemie-Unternehmens Archroma, einem Zulieferer der Textil- und Papierindustrie.

Bisher werden die Geschäfte bei der Hygiene Austria LP GmbH von Tino Wieser und Stephan Trubrich geführt, wobei Tino Wieser (wie auch sein Bruder Luca Wieser) dem Vorstand des Hygiene-Austria-Minderheitseigentümers Palmers Textil AG angehört und Trubrich bei Lenzing mit dem Bereich Kapitalmarktaktivitäten befasst ist. An der Anteilsaufteilung 50,1 Prozent Lenzing und 49,9 Prozent Palmers soll sich nichts ändern, hieß es zur APA. Dass Lenzing bei der Maskenfirma die Managementkontrolle übernehmen will, ging bereits Anfang Februar aus einer Zusammenschlussanmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hervor. Die BWB hatte bis 2. März Zeit für die Prüfung.

"Knietief in chinesischen Masken gewatet" sei er bei der Hausdurchsuchung, wurde ein Polizist im Ö1-Mittagsjournal zitiert, der auf dem Firmengelände der Hygiene Austria in Wiener Neudorf am Dienstagabend bei der Großrazzia war. Die Masken seien möglicherweise bereits mit dem Aufdruck "Hygiene Austria" aus China geliefert und bloß umetikettiert worden, lautet der Vorwurf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Video: Hygiene Austria gesteht Kauf aus China

Diese ermittelt wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs bzw. organisierter Schwarzarbeit. Auslöser der Ermittlungen war ein abgehörtes Telefonat wegen des Verdachts auf organisierte Schwarzarbeit bei Arbeitern der Hygiene Austria. Diese und die Lenzing AG weisen alle Vorwürfe zurück. Man räumten aber ein, dass man "zum Spitzenausgleich" einen chinesischen Lohnfabrikanten beauftragt habe.

Spur nach Liechtenstein

Laut "Kurier" sollen 20 Millionen chinesische Schutzmasken an Palmers geliefert und die Rechnung an eine liechtensteinische Stiftung geschickt worden sein. Zuletzt hatte das Gemeinschaftsunternehmen des oberösterreichischen börsenotierten Faserherstellers Lenzing und des Partners Palmers mehr als zehn Millionen Stück Mund-Nasen-Schutz (MNS) monatlich produziert. Die Idee für das Joint Venture kam von Palmers-Chef Tino Wieser, der neben Stephan Trubrich (der auch die Kapitalmarktaktivitäten bei Lenzing verantwortet) bei Hygiene Austria die Geschäfte führt. Es gab kaum heimische MNS, diesen Engpass wollte man beenden.

Bei der Lenzing AG heißt es auf Anfrage, man könne zu der Sache nichts sagen, da die Ermittlungen noch laufen, so Unternehmenssprecher Filip Miermans. Auch bei Palmers war für die OÖNachrichten niemand zu einer Stellungnahme bereit.

Millionenfach landeten die MNS bei Handelsketten wie Rewe, Spar, Hofer, Libro, aber auch bei den Apotheken in den Regalen. Diese sind alarmiert. Von Kundenseite droht dem Maskenproduzenten die Gefahr von Schadenersatzklagen. Spar gab gestern nach Rückfrage bei Hygiene Austria eine Dreifachgarantie: Man habe bestätigt bekommen, dass "alle Masken, die wir von Hygiene Austria haben, in Wiener Neudorf mit EU-Rohstoffen und nach europäischem FFP2-Standard gefertigt wurden", so ein Sprecher zu den OÖN.

Masken auch bei den ÖBB

Die ÖBB haben 576.000 Stück über die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) von Hygiene Austria bezogen. Die Bundesbahnen werden sie jetzt vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen prüfen lassen. Die BBG teilte mit, dass sie den Vertrag mit Hygiene Austria auf Eis lege. Die Versorgung sei dennoch sichergestellt. Bisher haben öffentliche Stellen 184 Mal die BBG-Rahmenvereinbarung mit Hygiene Austria genützt und diese als Masken-Produzent beauftragt. Dafür, dass die Lenzing AG nichts von diesen Vorwürfen wusste, spricht, dass das Unternehmen die Beteiligung (bisher 50,1 Prozent) aufstocken wollte. Bei der Bundeswettbewerbsbehörde lief ausgerechnet gestern die Einspruchsfrist für diese Transaktion aus. Auch auf die Frage, ob man die Aufstockung auch jetzt noch wolle, sagte Lenzing-Sprecher Miermans nichts.

Eine politische Dimension hat die Causa dadurch, dass der Geschäftsführer der Firma, Tino Wieser, ein Verwandter der Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist.

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