Kastner & Öhler expandiert auch in der Krise
GRAZ. Textilhandel: Nach dem Liquiditätsengpass im Frühjahr hat K & Ö "stabilen Boden".
Martin Wäg war einer jener Unternehmer, die sich im Lockdown öffentlich Luft machten: Der Vorstandsvorsitzende des Handelsunternehmens Kastner & Öhler warnte Ende März eindringlich davor, dass die Hilfsmaßnahmen des Staates zu lange auf sich warten ließen. Sein Unternehmen "liege auf der Intensivstation". Wägs Ur-Ur-Großvater Carl Kastner war einer der beiden Gründer. Martin Wäg wäre beinahe zur fünften und letzten Generation geworden.
"Gegen Ende März ist das nicht einmal ein unrealistisches Szenario gewesen", erzählt der Vorstandschef rückblickend. Bei einem Umsatz von rund fünf Millionen Euro pro Woche seien Rechnungen in eben dieser Größenordnung zu bedienen gewesen. Da sei die Liquidität eng geworden – zumal die Frühjahrs-Sommerware im Haus war, allerdings keine Kunden kommen durften.
Schließlich griffen der Staat und die Hausbank Raiffeisenlandesbank Steiermark doch noch rechtzeitig unter die Arme, um das Schlimmste abwenden zu können.
Mittlerweile habe Kastner & Öhler wieder "stabilen Boden unter den Füßen", auch wenn ein zweistelliger Millionenbetrag beim Umsatz heuer fehlen wird. Zuletzt hat das Familienunternehmen, zu dem auch Gigasport gehört, mit 1900 Mitarbeitern einen Umsatz von 290 Millionen Euro erzielt. "Wir werden heuer einen sehr namhaften Verlust machen – nach Fixkostenzuschuss", sagt Wäg. Die Pandemie und die daraus resultierenden Maßnahmen hätten ein "passables Stück Schaden" und ein gewisses Maß an Unsicherheit hinterlassen. Letzteres hat sich auch beim Einkauf für die Frühjahrs-Sommersaison 2021 gezeigt, der in den vergangenen Wochen über die Bühne gegangen ist: "Es war wahnsinnig schwierig. Welchen Umsatz werden wir machen und welche Ware wird überhaupt geliefert?" Denn bereits während der Krise hätten namhafte Lieferanten zu wackeln begonnen und verspätet Ware geliefert. Man habe einen Mittelweg aus Vorsicht und Mut gesucht.
Mut kann man der Handelsfamilie ohnehin nicht absprechen, wurde doch erst diese Woche eine neue Niederlassung eröffnet. Standort Nummer 34 befindet sich im Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, das zu René Benkos Immobilienreich gehört. Dieser war natürlich auch bei der Eröffnung dabei.
Es handelt sich um den ersten Standort von K & Ö in Westösterreich und mit einer Fläche von 6500 Quadratmetern den zweitgrößten nach dem Stammhaus in Graz. Dort wird seit Jahren das Warenhauskonzept perfektioniert, das für Wäg keineswegs aus der Mode gekommen ist. In Fernost, aber auch in vielen europäischen Metropolen gebe es gut laufende Warenhäuser. Während die heuer aufgrund des Ausfalls des internationalen Tourismus leiden würden, kann sich K & Ö auf seine Grazer Kunden verlassen.
Bewegte Geschichte
1873 gründeten Carl Kastner und Hermann Öhler im heutigen Tschechien eine Kurzwarenhandlung. Ein weiterer Standort entstand in Zagreb. Auf einer der Reisen von Tschechien nach Zagreb strandete Kastner in Graz und fand ein Geschäftslokal in der Sackstraße 7. Dort befindet sich heute noch das Stammhaus.1887 startete der Versandhandel, für den K & Ö bis in die 1990er bekannt war. Heute gibt es 34 Filialen, in Oberösterreich etwa in Ried, Vöcklabruck, Bad Ischl (Gigasport) und in der Plus-City (Infected).