Von der Tischlerin zur Sonderpädagogin
Nach beinahe 16 Jahren hat sich Petra Riedl beruflich komplett neu aufgestellt – und den Sprung ins kalte Wasser nicht bereut
Eine berufliche Neuorientierung erfordert viel Mut und Einsatz und kann mitunter etwas angsteinflößend sein. Vor allem, wenn man jahrelang in einem bestimmten Beruf tätig war und dann etwas komplett Neues wagt – wie Petra Riedl aus dem Bezirk Eferding.
Die 41-Jährige war 16 Jahre lang als Tischlerin tätig und arbeitet heute als Sonderpädagogin an der Volksschule. Uns hat sie von ihrem Weg zum beruflichen Glück erzählt.
Sie haben viele Jahre lang in einer Tischlerei gearbeitet und sich dann beruflich komplett verändert. Wie kam es dazu?
"Ich habe als Jugendliche eine dreijährige Tischler-Lehre gemacht und im Anschluss bei einem Betrieb in Eferding begonnen. Fast 16 Jahre lang war ich in der Industrietischlerei tätig. Irgendwann aber spürte ich, dass ich diesen Beruf nicht bis zu meiner Pensionierung ausüben wollte. Ich sehnte mich nach einer neuen Aufgabe, wollte mich wieder gefordert fühlen. Also gab ich meinen Job auf und begann eine Ausbildung zur Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin in Kärnten."
Wieso haben Sie sich für eine Ausbildung in diesem Bereich entschieden?
"Das hat sich eigentlich durch mein privates Umfeld ergeben. Mein Neffe ist Legastheniker, was in seiner Schule lange Zeit nicht erkannt wurde. Dann besuchte er einmal pro Woche eine Trainerin, doch es zeigten sich keine wirklichen Erfolge oder Verbesserungen. Das Thema interessierte und beschäftigte mich. Es ging mir nicht ein, dass man da nichts machen konnte."
Dieser Neubeginn muss eine große Herausforderung für Sie gewesen sein ...
"Die fünfwöchige Ausbildung in Kärnten war sehr spannend, aber auch anstrengend. Gleich im Anschluss legte ich die Diplomprüfung ab. Mit meinen fast 32 Jahren musste ich das Lernen sozusagen wieder neu lernen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte einen sicheren Job aufgegeben, um komplett von vorne zu starten. Doch der Wille war stark, ich wollte diesen Neustart unbedingt schaffen."
Wie ging es im Anschluss an die Ausbildung weiter?
"Danach machte ich mich als Legasthenietrainerin selbständig, was auch gleich sehr gut anlief. Der Bedarf war da und ich übte diese Tätigkeit zwei Jahre lang aus, was mir große Freude bereitete. Natürlich war es eine Herausforderung. Bei manchen Kindern sah man rasch Verbesserungen, bei manchen machte sich eine Zeitlang keine große Veränderung bemerkbar, dann wiederum gab es einen Entwicklungssprung. Kinder sind nun mal sehr unterschiedlich und daher sind es auch ihre Lernerfolge. Insgesamt machte es aber großen Spaß und es gab schöne Erfolgserlebnisse."
Dennoch haben Sie sich beruflich noch einmal neu orientiert ...
"Bei dieser selbständigen Tätigkeit war es so, dass in den Ferien kein Geschäft da war. Nach zwei Jahren habe ich mich neu orientiert, da ich irgendwann nicht mehr mein ganzes Geld sparen wollte, um im Sommer über die Runden zu kommen. Meine Schwester brachte mich auf die Idee, Volksschullehrerin zu werden. Anfangs traute ich mir das nicht so ganz zu und hatte Zweifel, weil ich keine Matura hatte. Ich informierte mich über die Studienberechtigungsprüfung und fand raus, dass am folgenden Tag gleich ein Mathematikkurs startete. In diesem saß ich dann auch schon. Mit 34 holte ich also meine Matura nach und nach einem Jahr hatte ich die fünf Fächer abgeschlossen."
Danach nahmen Sie das Studium in Angriff?
"Genau, im Anschluss an die Studienberechtigungsprüfung studierte ich berufsbegleitend an der öffentlichen Pädagogischen Hochschule in Linz. Ich entschied mich, die Sonderschulausbildung zu machen, da mir dieser Bereich sehr am Herzen liegt und mich sehr interessiert."
Seit vier Jahren sind Sie nun schon als Sonderpädagogin an der VS Prambachkirchen tätig. Wie gefällt es Ihnen dort?
"Es gefällt mir sehr gut. Wir haben eine super Chefin, sind ein tolles, junges Team, das gut zusammen passt. Ich arbeite mit Kindern aller vier Schulstufen und helfe jenen, die lernschwach sind. Wenn ein Sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, komme ich ins Spiel. Manche Sachen können die Kinder mit der Klasse mitmachen, bei anderen brauchen sie Unterstützung. Ich gestalte Arbeitsblätter oder Tests für sie, die zwar aussehen wie die der anderen Kinder, aber speziell auf sie und ihren Lernbedarf abgestimmt sind. Die Kinder, mit denen ich arbeite, brauchen etwas mehr Übung und Unterstützung."
Das hilft den Schülern sicher sehr in ihrer Entwicklung?
"Ja, denn wenn sie nicht mitkommen, werden sie frustriert und verlieren die Motivation zu lernen. Aber wenn man auf sie eingeht, haben sie Erfolgserlebnisse und blühen richtig auf. Manche Eltern sind über die Förderung sehr froh, weil es dadurch ja auch zuhause einfacher wird. Manche wiederum können die Hilfe schwer annehmen, weil sie denken, wir würden ihnen sagen, dass ihr Kind nicht schlau genug sei. Das ist aber natürlich nicht der Fall. Wir erklären den Familien die Vorteile der Unterstützung. Diese zieht sich bis in die Hauptschule hinein und bis zum Bewerbungsschreiben. In der Bildungsregion Eferding wurde bisher noch jedes Kind mit Förderbedarf in eine Lehre gebracht."
Sie sind heute in Ihrem Beruf angekommen. Was würden Sie anderen raten, die über einen beruflichen Neustart nachdenken?
"Ich bin sehr froh, diesen Schritt gewagt zu haben. Für die Fähigkeiten, die ich als Tischlerin erlernt habe, bin ich dankbar. Doch ich wäre heute todunglücklich, wenn ich meinen Wunsch nach Veränderung nicht umgesetzt hätte. Manchmal muss man reinbeißen, wenn man etwas will. Aber wenn man was macht, das einen wirklich interessiert, schafft man es auch."