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"Wer zahlt die Schulden, Herr Minister?"

Von Martin Roithner   05.Dezember 2020

Wer wird das alles einmal bezahlen, wenn die Krise vorbei ist?" Diese Frage stellen sich wohl alle Österreicher. Schüler der oberösterreichischen Handelsakademien wollten es genau wissen. Sie sammelten unter der Anleitung ihrer Direktoren und Lehrer Hunderte Fragen zum Thema Corona und Finanzen.

Die Wirtschaftsredaktion der OÖN und die Sparte Geld der Wirtschaftskammer wählten drei Schüler aus, die die spannendsten Fragen an Finanzminister Gernot Blümel (VP) stellten. Maria Deisenhammer von der HAK Ried im Innkreis, Andreas Egger von der HAK Rudigierstraße in Linz und Natalie Ritzlmayr von der HAK Steyr sprachen per Videochat im Newsroom der OÖNachrichten mit dem Minister.

"Wer wird das alles zahlen, Herr Finanzminister?"

Gernot Blümel im Interview mit Schülern oberösterreichischer Handelsakademien über den Abbau der Schulden, eine drohende Pleitewelle und die Geldanlage der Österreicher.

Wie würden Sie derzeit 5000 Euro anlegen?

Blümel: Die beste Investition ist immer jene in Bildung. Da hat man sicherlich den höchsten Return. Ich habe selbst einmal für meinen MBA (Master of Business Administration) angespart. Deshalb glaube ich, dass sich das am meisten auszahlt.

Was halten Sie von ETF-Sparplänen? Ist das ein guter Einstieg für Jugendliche wegen der geringen Beträge?

Ich denke schon, dass es eine gute Variante ist. Die durchschnittlichen Erträge hängen natürlich vom Fonds ab, den man wählt, sind aber momentan sicherlich höher als auf dem Sparbuch, das de facto keine Zinsen abwirft. Indexfonds haben durchschnittlich eine gute Ertragslage, und damit fährt man in den allermeisten Fällen am besten. Bei ETFs gibt es gute Angebote. Sie sind transparent, erprobt, und man kann den Betrag variieren.

Was halten Sie vom Online-Euro? Und sollen Kryptowährungen wie Bitcoin verboten werden?

Die Europäische Zentralbank befasst sich derzeit mit dem Zukunftsszenario Digitaler Euro. Das kommt auch aus der Konfrontation mit nicht staatlich gestützten Währungen wie zum Beispiel dem Bitcoin, der auf der Blockchain-Technologie basiert, Libra oder anderen Währungen. Die große Herausforderung ist natürlich, dass diese nicht staatlichen Währungen einer relativ hohen Volatilität unterliegen und dadurch derzeit noch sehr risikoreich sind, wenn man sie als Zahlungsmittel wählt. Sie haben aber auch viele Vorteile, weil sie unmittelbarer sind und keine Banken benötigen. Wenn man jedoch auf Bargeld Wert legt und dies als Grundmaß an Freiheit betrachtet, wäre das mit einer ausschließlich digitalen Währung natürlich ganz anders. Noch ist das alles Zukunftsmusik, aber eine spannende technische Weiterentwicklung, die vieles verändern wird.

Wie planen Sie den Staatshaushalt langfristig zu sanieren – in Anbetracht der bereits sehr hohen Abgabenlast für Bürger und Unternehmen?

Gerade jetzt häufen wir hohe Schulden an, weil wir mit

unseren Maßnahmen den Unternehmen und Menschen unter die Arme greifen müssen. Der beste Weg, die Schulden zurückzuzahlen, ist aus meiner Sicht durch Wachstum. Ich halte nichts davon, wenn man in eine Diskussion ausbricht, wem man etwas wegnimmt und wo man noch zusätzlich besteuert. Die beste Möglichkeit, den Staatshaushalt wieder zu sanieren, ist, nach der Krise zu einer soliden Budgetpolitik zurückzukehren und gleichzeitig eine gute Wachstumspolitik zu machen. Diese ermöglicht es den Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen, und dem Staat, Steuereinnahmen zu lukrieren. Dadurch wächst die Wirtschaft, und der Schuldenberg wird abgetragen.

Werden die Schulden, die durch Corona entstanden sind, größtenteils durch Emissionen von Staatsanleihen finanziert, oder sehen Sie alternative Wege?

Österreichische Staatsanleihen sind sehr gefragt und vielfach überzeichnet in diesem Jahr. Momentan zahlen Investoren dafür, dass sie Anleihen kaufen dürfen. Österreich ist ein sehr sicheres Land für Kapital, und die Investoren wissen, sie bekommen ihr Geld zurück. Wir können uns zu günstigen Konditionen das Geld holen, und das ist derzeit und in den nächsten Jahren die richtige Variante.

Gibt es eine Obergrenze für die Staatsverschuldung, ab der Sie nicht mehr guten Gewissens bereit wären, neue coronabedingte staatliche Hilfen zu veranlassen?

Es gibt derzeit keine andere Möglichkeit, als Geld aufzunehmen auf den Märkten. Wir sind in einer Staatsverschuldungshöhe, die man früher als problematisch erachtet hätte, nun aber nicht. Momentan ist so viel Geld da, das in sichere Häfen geht, wie zum Beispiel Staatsanleihen. Derzeit sehe ich es als richtigen Weg, weil die Kapitalkosten einfach sehr niedrig sind.

Wie genau stellt sich die Regierung die Finanzierung der Krise vor? Müssen wir künftig mehr Steuern zahlen, oder werden Sozialleistungen gestrichen?

Ich bin überzeugt davon, dass das nicht notwendig ist. Man muss die Wachstumsstrategie damit kombinieren, nicht mehr auszugeben als einzunehmen. 2015 haben wir rund 84 Prozent Staatsschulden gehabt im Vergleich zum BIP. Anfang dieses Jahres sind wir auf 70 Prozent gekommen, ohne die Steuern zu erhöhen. Ich halte das für den richtigen Weg.

Die Sparquote ist aufgrund von Corona gestiegen, der Konsum sinkt. Sind Maßnahmen der Regierung geplant, um dem entgegenzuwirken?

Das ist eine der großen Herausforderungen. Durch die staatlichen Maßnahmen haben gerade die untersten Einkommensschichten kein Einkommen verloren. Die Ärmsten sind nicht ärmer geworden. Der Konsum ist aber massiv eingebrochen. Die Menschen kaufen jetzt kein Auto oder buchen keinen Urlaub, weil sie nicht wissen, wann Corona vorbei ist und wie es im Job weitergeht. Um den Konsum anzukurbeln, muss man Optimismus verbreiten. Durch die Tests und eine mögliche Impfung ist Licht am Ende des Tunnels da. Dann wird die Wirtschaft angekurbelt.

Rechnen Sie mit vielen Insolvenzen, wenn die bisher gestundeten Steuern und Abgaben gezahlt werden müssen?

Es wird Nachzieheffekte geben. Seit dem März haben wir um 40 Prozent weniger Insolvenzen als in normalen Jahren. Die Maßnahmen haben sehr gut gegriffen. Das geht natürlich nicht ewig. Die Zahl der Firmenpleiten wird aber nicht so hoch sein, wie viele befürchten. Wir machen Ratenzahlungen und Verlustrückträge möglich. Dadurch reduziert sich die Steuerlast, wodurch wir davon ausgehen, dass ein Großteil der Steuern gar nicht fällig gestellt werden.

Wie viele Jahre wird es dauern, um die durch die Krise entstehenden Staatsschulden auszugleichen?

Runtergehen werden die Schulden bereits in drei Jahren, wie wir erwarten. Wie lange es dauern wird, bis wir wieder auf Vorkrisenniveau sind, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Bei der Finanzkrise 2008/09 hat es etwa zehn Jahre gedauert. Dadurch, dass diese Krise wesentlich härter ist, glaube ich, dass dieser Zeitraum nun ambitioniert ist.

Wie lange wird die Wirtschaft die Auswirkungen der Krise spüren?

Das ist total unterschiedlich. Viele werden schnell aufholen, wenn wieder offen ist, etwa der Handel. Manche Bereiche werden sich aber für immer verändern. Die großen Gewinner der Krise sind Amazon und Netflix. Aber auch österreichische Firmen, die sich umgestellt haben, etwa Lieferdienste, werden profitieren. All das wird auch bleiben. Heimarbeit, Digitalisierung, Breitband – diese Bereiche werden sich durch die Krise beschleunigen.

Der Finanzmarkt in Österreich hat sich in den vergangenen Jahren schlechter entwickelt als europäische Pendants. Woran liegt das?

Der Finanzplatz mit den Banken ist in Österreich sehr stabil, aber der private Kapitalmarkt ist relativ schlecht entwickelt. Das hat mehreren Gründe. Vor einigen Jahren ist etwa die Behaltefrist für Aktien abgeschafft worden. Wenn man Aktien kauft und sie wieder verkauft, muss man 27,5 Prozent vom Kursgewinn an Kapitalertragsteuer zahlen. Das war früher nicht so. Wir haben auch im Regierungsprogramm drinnen, dass wieder eine Behaltefrist kommen soll. Wenn man Aktien behält, soll man nicht als Spekulant abgestempelt werden. Generell besteht aber eine große Kapitalmarktskepsis in Österreich. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos habe ich gesagt, dass in Österreich 60 Prozent der privaten Geldvermögen auf Sparbüchern liegen. Niemand hat das geglaubt und verstanden. Da gibt es Aufholbedarf, allein schon wegen der Ertragslage auf den Sparbüchern.

Wie soll man privat für die Pension vorsorgen, wenn es keine Zinsen gibt und Dividenden und Kurszuwächse so hoch besteuert werden?

Generell ist ein Mix in der Anlage eine gute Idee, um Risiko zu diversifizieren. Alles nur auf dem Sparbuch liegen zu haben, ist zwar in Österreich wegen der Einlagensicherung eine sichere Variante, aber langfristig wegen der niedrigen Zinsen nicht die beste.

Wird die EZB an ihrer Nullzinspolitik festhalten, oder ist eine Zinswende in Sicht?

In nächster Zeit ist keine Zinswende in Sicht, zumindest nicht nach oben hin. Es wird noch dauern, bis sich die Märkte so stabilisiert haben werden, dass man überdenken kann, das Anleihekaufprogramm der EZB zu beenden. Viele Staaten wären ohne diese Programme der Zentralbank in Gefahr.

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29. März 2024