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Spitzenforscher Hochreiter: "Damit könnte man von Linz aus die Welt umstülpen"

Von Martin Roithner, 27. September 2023, 06:04 Uhr
"Andere Regionen sind risikofreudiger als Oberösterreich"
Sepp Hochreiter (56) wünscht sich mehr KI-Förderung in Österreich. Bild: VOLKER WEIHBOLD

LINZ. Linzer Spitzenforscher Sepp Hochreiter spricht im Interview über ChatGPT, den KI-Fluch und Politiker-Kritik.

Sepp Hochreiter begleitet fast jeden von uns täglich, aber nur wenigen ist das bewusst: Seine "Long Short-Term Memory"-Technologie (LSTM) ist Grundlage für die Spracherkennung moderner Smartphones und Navigationssysteme. Wie er Systeme wie ChatGPT sieht, was ihn nach wie vor an der Forschung reizt und was er von den Aktivitäten der Regierung hinsichtlich künstlicher Intelligenz hält, sagt der gebürtige Bayer und Leiter des Instituts für Machine Learning an der JKU im Interview.

OÖN: Herr Hochreiter, Ihr Sprachmodell LSTM steckt heute in jedem Handy. Hand aufs Herz: Hätten Sie das beim Schreiben Ihrer Diplomarbeit vor 32 Jahren für möglich gehalten?

Sepp Hochreiter: Nein, überhaupt nicht. Damals habe ich bloß daran gedacht, mein Studium fertig zu machen. Ich für mich habe es spannend gefunden. Aber ich hätte nie gedacht, dass es irgendwann einmal jemanden interessiert.

Spätestens mit dem Programm ChatGPT, das Texte in Sekundenschnelle schreibt, ist künstliche Intelligenz in der breiten Masse angekommen. Fluch oder Segen für einen Spitzenforscher?

Beides. Einerseits Segen, weil die Erfindungen jetzt verwendet werden und nicht in der Schreibtischlade verschwinden. Es interessieren sich mehr Leute dafür, und man bekommt mehr Studenten und Doktoranden. Andererseits ist es aber auch Fluch, weil sehr viel missverstanden wird. Viele Leute und Firmen, die sich jetzt mit dem Thema beschäftigen, sagen, das ist ein Schmarrn. Da muss ich mich oft ärgern, weil hinter solchen Aussagen nichts steckt.

Die Herausforderer von ChatGPT bringen sich in Stellung. Am Montag gab Amazon bekannt, vier Milliarden US-Dollar in den KI-Entwickler Anthropic zu investieren. Der Markt nimmt nun Fahrt auf.

Das ist unübersehbar. Es ist schon vorher viel im Hintergrund passiert. Mit ChatGPT ist die Gesellschaft aufgerüttelt worden.

Blicken wir in die Zukunft: Wie wird KI in 20 Jahren unseren Alltag verändert haben?

Bei vielen Sachen wird man es nicht merken, weil sie einfacher und bequemer gehen. Jetzt muss man googeln, auf die richtige Seite klicken und dann Informationen nachlesen. Mit Programmen wie ChatGPT kann ich direkt eine KI fragen. Wenn ein Rechtsanwalt künftig nach einem Fall sucht, wird ein digitales Register automatisch durchsucht. Wenn ich wissen möchte, warum mein Geschirrspüler tropft, kann ich ein Foto machen und die KI gibt mir rasch Rückmeldung. Die Menschen werden das für normal halten und sich wundern, wie umständlich das früher gewesen ist. Und natürlich werden viele Prozesse von der Logistik bis zur Kundenbetreuung durch KI optimiert.

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Die Chancen

Dietmar Mascher

KI und die Folgen: Nicht nur die Gefahren sehen

von Dietmar Mascher

Sie halten der KI-Forschung die Treue, trotz Lockrufen von Google und anderen Großkonzernen. Was reizt Sie daran?

Genau so etwas wie LSTM zu erfinden. Natürlich kann man zu großen Firmen gehen und viel Geld verdienen. Was man mit Geld aber nicht aufwiegen kann, ist, eine gute Idee zu haben, die dann funktioniert. Das treibt mich an.

Wie schwierig ist es, den Spagat zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung zu schaffen?

Das Schöne an der KI ist, dass sie für viele andere Sachen verwendet werden kann. Wenn etwa Trumpf in Pasching Bleche schneidet oder Borealis im Linzer Chemiepark Plastik oder Kunstdünger erzeugt, dann tauchen Probleme auf, bei denen die KI helfen kann. Das ist das Spannende an der Anwendung. Aber natürlich möchte ich Grundlagenforschung nicht vernachlässigen, da habe ich Stärken.

Sie haben wiederholt KI-Investitionen in Österreich kritisiert. Inwieweit naht Besserung?

Von der Regierung ist kein Cent zusätzlich in Sicht. In Oberösterreich hat mir die Landesregierung zugesichert, weiter meine Forschungsinstitute zu fördern. Das passt, aber ein bissl mehr geht immer. Ganz enttäuschend ist, dass vom Bund nichts kommt. Da wurde ich auf die Zeit nach den Nationalratswahlen 2024 vertröstet. In Deutschland hat mich das Bundeskanzleramt gebeten, als Experte Kanzler Olaf Scholz, Minister und Leute aus der Industrie zu beraten. Die haben mir gesagt, 13 Milliarden Euro zu investieren, zwar nicht nur für KI, aber doch. Da geht was. In Österreich haben bisher weder der Kanzler noch Minister angefragt. Es gibt aber Hoffnung.

Und zwar?

Wir arbeiten in Linz daran, ein verbessertes Modell von LSTM zu entwickeln, nämlich XLSTM. Damit schlagen wir ChatGPT bei Schnelligkeit und Genauigkeit, vor allem bei kleineren Datensätzen. Und da gibt es erste Anzeichen für Unterstützung. Damit könnte man von Linz aus die Welt umstülpen.

Wie würden Sie generell die Digitalszene in Österreich und Oberösterreich beurteilen?

Es kommt darauf an, mit wem man sich vergleicht. Im Silicon Valley und in China sind die Leute schneller bei der Umsetzung. Da gibt es eine Idee und sofort drei Start-ups, die das bauen, in China auch mit staatlicher Unterstützung. In der Forschung brauchen wir uns nicht verstecken. Es passiert einiges in Oberösterreich, aber es ist natürlich nicht vergleichbar mit Berlin, London oder Amsterdam. Die Leute bei uns sind total klug, gut ausgebildet und machen Sachen, die Hand und Fuß haben. Aber es gibt mehr Zurückhaltung. Andere Regionen sind forscher und risikofreudiger – auch wenn Projekte nicht sofort Erfolg bringen.

Ein Herbst im Zeichen der Digitalisierung

Künstliche Intelligenz ist nicht nur das zentrale Forschungsthema von Sepp Hochreiter, sondern steht auch bei den Digital Days der OÖNachrichten im Mittelpunkt. Diese finden heute, Mittwoch, und morgen, Donnerstag, im OÖN-Forum in den Promenaden Galerien in Linz statt. Auf die Teilnehmer warten spannende Vorträge, Workshops und Gespräche mit zahlreichen Digitalexperten aus Oberösterreich und Österreich.

Den Vorreitern der Digitalisierung in unserem Bundesland – ob Start-ups, etablierten Betrieben, Organisationen, Institutionen oder im Internet erfolgreichen Menschen – geben die OÖN und ihre starken Partner am 16. November in der Linzer Tabakfabrik eine Bühne: Dann wird zum bereits fünften Mal der Digitalos verliehen.

Es ist noch bis 7. Oktober möglich, sich in fünf Kategorien zu bewerben: digitale Start-ups, digitale Persönlichkeit, digitale Transformation, digitales Projekt, Sonderpreis Digitalia. Aus allen Einreichungen wählt die Jury um den Vorsitzenden und Vorjahrespreisträger Sepp Hochreiter die Sieger. Senden Sie uns Ihre Bewerbung!

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Autor
Martin Roithner
Redakteur Wirtschaft
Martin Roithner

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