Felbermayr kritisiert Wohnkostenhilfe, Kocher verteidigt Maßnahme

WIEN. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr hat mit Ablehnung auf die gestern von der Regierung präsentierte Wohnkostenhilfe reagiert.
Die Maßnahme werde die Teuerung weiter anheizen, anstatt die "Inflationsanpassungsdynamik" einzubremsen, kritisierte der Ökonom am Donnerstag im "Ö1-Morgenjournal". Die in den jüngsten Verhandlungen gescheiterte Mietpreisbremse wertete er als verpasste Chance. Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) verteidigte unterdessen den Zuschuss.
Für Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt entbehrt der Wohnkostenzuschuss als Einmalzahlung der Logik. Er sei keine nachhaltige Hilfe, belaste aber trotzdem das Budget. "Es geht darum, Menschen, die trotz Dynamisierung von Löhnen und Sozialleistungen nicht genug zum Leben haben, zu unterstützen", schrieb Badelt auf Twitter.
Mietpreisbremse gescheitert
Die türkis-grüne Regierung hatte sich am Mittwoch auf ein 250 Mio. Euro schweres Hilfspaket verständigt, nachdem mehrere Wochen lang über eine Mietpreisbremse diskutiert worden war. Nach diesem von den Grünen angedachten Modell hätten die anstehenden Mieterhöhungen per 1. April (Neuverträge) beziehungsweise 1. Mai (Bestandsverträge) abgedämpft bzw. die Steigerungen auf mehrere Jahre aufgeteilt werden sollen. Nun erhöhen sich die Mieten wie gesetzlich vorgesehen aber doch - den Mieterinnen und Mietern steht eine Steigerung von 8,6 Prozent ins Haus. Die Wohnkostenhilfe, die für Haushalte als eine zu beantragende Einmalzahlung konzipiert ist, soll heute im Finanzausschuss beschlossen werden.
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Felbermayr bemängelte mit Blick auf die geplanten Zahlungen, dass erneut Geld mit der "Gießkanne" ausgeschüttet werde. So würden diese unter anderem an Personen fließen, die gar keine höheren Mieten zu bestreiten hätten. Und: "Die 250 Millionen Euro, die jetzt zusätzlich ausgegeben werden, die hat der Staat nicht." Die erforderlichen Mittel müssten wieder an den Kapitalmärkten aufgenommen werden. "Das wirkt sicher nicht inflationsdämpfend, sondern führt eben weiter Elemente in die Nachfrage hinein, was am Ende die Preise eher nach oben treibt."
Der Leiter des Wifo räumte zwar ein, dass es in der Anfangsphase der Teuerungskrise richtig gewesen sei, die Bevölkerung über Direktzahlungen zu entlasten und nicht zu stark in die Märkte einzugreifen. "Da ging es darum, dass die Preissignale bei den Menschen ankommen. Es war wichtig, dass Anreize da sind, zum Beispiel Gas einzusparen." Mittlerweile sei aber ein Umdenken in Richtung einer stabilisierenden Politik vonnöten. Es gehe darum, "dass wir diese Inflation nicht von einem Jahr ins nächste weiterschleppen". "Das muss jetzt zu einer politischen Priorität werden."
Wenn man damit nicht bald beginne, so Felbermayr mit Blick auf zweistellige Inflationsraten, drohe "ein Verlust der preislichen Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ausland". Eine dauerhaft hohe Inflation schwäche außerdem den sozialen Zusammenhalt und dämpfe das Wirtschaftswachstum. "Das sind Dinge, wo wir dringend entgegensteuern müssen." Die Regierung habe bei den Mieten einen Einstieg auf dem Weg zu einer geringeren Teuerung verpasst. Generell forderte der Wifo-Chef vor dem Hintergrund der vielen aus Steuergeld finanzierten Hilfen einen "Regimewechsel".
Mit teils heftiger Kritik reagierten gestern auch die Oppositionsparteien sowie unter anderem die Arbeiterkammer (AK) und der Gewerkschaftsbund (ÖGB) auf die Maßnahme. Während beispielsweise die Arbeiterkammer ähnlich wie Felbermayr ein weiteres Anheizen der Inflation ortete, sah die Opposition keine nachhaltige Entlastung für die Mieter. Dem schloss sich heute auch die Volkshilfe an.
Wenig Verständnis für die Kritik äußerte Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP). Mit der Wohnkostenbeihilfe könne man "mehr Menschen helfen" und "viel treffsicherer agieren" als mit einer Änderung des Richtwertmietsatzes, so Kocher am Rande einer Pressekonferenz. Als "völlig abgehoben" wiederum bezeichnete die Kritik gestern der ÖVP-Abgeordnete Andreas Ottenschläger, der in einer Mitteilung ebenso von einer treffsicheren und sozial gerechten Maßnahme sprach. Prinzipielle Zustimmung kam ferner von der Caritas.
