Eurogruppen-Chef: EU schlägt sich in Coronakrise besser als USA
BRÜSSEL. Der Präsident der Eurogruppe, Mário Centeno, weist Kritik an der bisherigen wirtschaftspolitischen Antwort der EU auf die Coronakrise zurück.
Die Union schlage sich besser als die USA, argumentierte der portugiesische Ökonom in einem gemeinsamen Interview mit der Tageszeitung "Die Presse" sowie "De Standaard" (Belgien), "The Irish Times", "Kathimerini" (Griechenland) und "Kauppalehti" (Finnland).
"Europa hat seine Instrumente ziemlich erfolgreich adaptiert. Wir haben beträchtliche und zeitgerechte Lösungen für die Notsituation gefunden. Vergleichen Sie das mit dem, was in den Vereinigten Staaten los ist. Dort gibt es eine Bundesregierung, hoch koordinierte Antwortmechanismen - und schauen Sie sich die gegenwärtige Situation an, den Mangel an Koordination, der auf allen Ebenen zu beobachten ist", sagte Centeno laut einer Mitteilung der "Presse", die das Interview am Freitag online veröffentlichte. In der Samstagsausgabe ist eine gekürzte Version geplant.
Im Gegensatz dazu hätten die Finanzminister der 19 Eurostaaten unter seinem Vorsitz nur zehn Tage benötigt, um ein in Summe 540 Milliarden Euro umfassendes Paket an Hilfskrediten für Arbeitnehmer, Betriebe und Staaten zu schnüren. "Wir prügeln in Europa manchmal ein bisschen zu viel auf uns selbst ein. Im Sinne des Ehrgeizes ist das gut, aber es hilft nichts."
Das europäische Modell der sozialen Marktwirtschaft habe "sehr starke Stoßdämpfer. Vergleichen Sie nur die Zahl der Arbeitslosen in den USA mit jener in Europa." Die europäischen Sozialsysteme erlaubten es den Staaten der Union, "diese Periode mit einem starken Sicherheitsnetz zu durchstehen. Wir dürfen das nicht zerstören", sagte er.
"Passende Mischung"
Bezüglich eines EU-Wiederaufbaufonds forderte Centeno "eine passende Mischung aus direkten Budgetzuschüssen und Krediten". Der Betrag müsse im Verhältnis zur verlorenen Wirtschaftsleistung und den zu erwartenden verlorenen Arbeitsplätzen stehen. "Wenn man diese Rechnung anstellt, bekommt man sehr große Beträge. Er muss groß genug sein, um unsere Volkswirtschaften und den Arbeitsmarkt wiederherzustellen. Wir sind uns einig, dass das mit öffentlichem Geld geschehen soll, und dass es eine Dimension der Solidarität geben soll."
Das Problem sei epochal, mahnte Centeno: "Es steht viel auf dem Spiel. Diese Art von sozialem Experiment, in dem wir heute sind, wo wir unsere Ökonomien, unsere Gesellschaften zusperren, ist etwas absolut Neues in der Moderne." Das sei für die EU besonders herausfordernd: "Die meisten unserer Volkswirtschaften sind klein und offen. Viele von ihnen exportieren mehr als 50 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, und mehr als drei Viertel dieser Exporte gehen an andere europäische Staaten." Das trifft beispielsweise auf Österreich zu.
"Werden eine andere Wirtschaft haben"
Vor dem Ausbruch der Pandemie wuchs Europas Wirtschaft 25 Quartale in Folge, erinnerte Centeno an die Erholung nach der Großen Rezession. 13 Millionen Arbeitsplätze waren seither geschaffen worden, 14 der 19 Eurostaaten hatten ausgeglichene oder fast ausgeglichene Staatshaushalte. "Kein anderer Wirtschaftsraum der Welt hatte so eine starke wirtschaftliche Position. Dahin müssen wir wieder zurück. Aber wird werden eine andere Wirtschaft haben. Wir müssen sie digitaler, grüner, und inklusiver machen. Wenn wir scheitern, den Binnenmarkt wiederherzustellen, könnte der Grad der Zerstörung zum wahren Desaster werden."
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Gute Idee, der Vergleich mit den USA. Der drängt sich auf. Und wenn er für die EU günstig ausfällt, stärkt er das Selbstbewusstsein der Europäer_innen. Aber auch so könnten die beiden "Konkurrenten" viel voneinander lernen. Und Europa könnte aus dem permanenten Vergleichen mit den USA auch wichtige Schlüsse ziehen, ob es in Europa dann auch Richtung Vereinigte Staaten gehen soll.
Sich jetzt schon loben ist nicht gescheit, die Europäer haben zusammen viel mehr Tote als die USA und die Krise ist noch lange nicht vorbei.
Es war auch nicht die EU, die in der Krise viel geleistet hätte, es waren in erster Linie die Einzelstaaten, die gehandelt haben (oder auch nicht, oder zu spät).