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Ein Vierteljahrhundert auf der Überholspur

Von Hermann Neumüller   25.Mai 2019

In wenigen Tagen, am 12. Juni, jährt sich die Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zum 25. Mal. 66,6 Prozent der Landsleute stimmten dafür. Die Euphorie war groß. Seither hat die Begeisterung für die EU gelitten. Dabei gäbe es aus rein österreichischer Sicht Gründe genug, diesen Jahrestag gebührend zu feiern.

Eine neue Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, dass der Wohlstand in unserem Land seither kräftig gewachsen ist, viel stärker, als es ohne Beitritt der Fall war. Das Besondere an dieser Studie von Harald Oberhofer und Gerhard Streicher ist, dass Österreichs wirtschaftliche Entwicklung mit jenen beiden Ländern verglichen wurde, die gemeinsam mit uns am 1. Jänner 1995 der Union beigetreten sind: Schweden und Finnland.

"Langfristig konnte die österreichische Außenwirtschaft die Exporte in die anderen EU-Mitgliedsländer durch die EU-Mitgliedschaft um rund 46 Prozent erhöhen. Dieser Handelsimpuls ist deutlich stärker ausgeprägt als für Finnland (plus 13 Prozent) und Schweden (plus sechs Prozent)", heißt es in der Studie.

Wir haben also zwei damals gut mit uns vergleichbare Länder um Längen abgehängt, was das Ausnutzen des Binnenmarktes angeht. Das hat – und darauf weisen die Studienautoren auch hin – nicht zuletzt mit der geografischen Lage zu tun. Von der profitierten wir vor allem gut neun Jahre nach unserem Beitritt, als unsere Nachbarn im Osten ebenfalls der EU beitraten. "Da sind wir vom Rand ins Zentrum gerückt", sagt Studienautor Harald Oberhofer im Gespräch mit den OÖNachrichten.

Unternehmen gut vorbereitet

Die Geografie allein war es nicht. Grundvoraussetzung für den österreichischen Erfolg sei gewesen, "dass die österreichischen Unternehmen schon sehr früh die Marktpotenziale in Osteuropa erkannt haben und sich strategisch in diesen Märkten sehr gut positionieren konnten", heißt es in der Studie.

Dass die Osterweiterung keine Einbahnstraße war, ist auch klar. Auch die Osteuropäer erkannten ihre Potenziale, vor allem ihre persönlichen. Die Zuwanderung aus den Erweiterungsländern war mit ein Grund, dass die Stimmung in der österreichischen Bevölkerung nicht annähernd so europafreundlich ist, wie es die wirtschaftlichen Erfolge vermuten ließen.

Darüber hinaus tun die heimischen Politiker nicht unbedingt ihr Bestes, die Vorzüge der EU uns Bürgern nahezubringen. "Erfolge werden gerne national begründet, wenn es Probleme gibt, nennt man gerne Brüssel als Verursacher", sagt Wifo-Forscher Oberhofer.

Gerne wird der EU die Wirtschaftslastigkeit vorgeworfen. Sie sei nicht sozial, viele Menschen würden vom Binnenmarkt wenig bis gar nicht profitieren. Auch dieser Vorwurf lässt sich damit entkräften, dass nationales Versagen gerne an Brüssel delegiert wird. Die EU ist ausdrücklich nicht für die sozialen Anliegen der Mitgliedsstaaten zuständig.

Das hat gute Gründe. Ein kleines Gedankenexperiment: Würden wir es gerne sehen, wenn uns Brüssel vorschreiben würde, ob wir mit 60, 65 oder 70 Jahren in Pension gehen dürfen? Soll sich die EU-Kommission in die Kollektivvertragsverhandlungen der heimischen Sozialpartner einmischen dürfen? Wir und auch die Bürger der anderen 27 EU-Staaten hätten sicher keine Freude damit.

Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Der Binnenmarkt ist noch längst nicht vollendet, etwa in der Energiepolitik oder bei Dienstleistungen. Weder wirtschaftlich noch politisch ist die EU so weit, auch eine Sozialunion zu sein.

Wir sollten viel eher daran arbeiten, die Institutionen effizienter zu machen. Wer zu viel von der EU verlangt, spielt ihren Gegnern in die Hände. Die sind ohnehin derzeit im Aufwind. Zu viel und zu schnell fordern, hat der EU noch nie gut getan. Erfreuen wir uns daran, was bereits erreicht wurde.

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