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Digitales Wollmilchrad

Von Peter Affenzeller   21.September 2019

Bei den Händlertagen des Sportartikler-Verbandes VSSÖ in Wels war man sich einig: E-Bikes in allen Variationen werden noch jahrelang den Fahrrad-Markt umkrempeln. Die Steuerung per App vom Smartphone aus und Daten-Aufzeichnung jeder (Trainings-)Ausfahrt wird bald selbstverständlich, vermuten Hans Jürgen Schoder von der Arge Fahrrad und VSSÖ-Präsident Gernot Kellermayr. Die Elektromotoren werden kleiner und leichter, ohne elektrischen Schub kuppelt sich das Getriebe aus und ermöglicht so ein fast normales Radl-Gefühl.

Neuheit Gepäckträger: Klick-Systeme

Kindersitz, Packtaschen, Kameratasche – alles mit einem Handgriff und einem Klick wechseln und fix am Gepäckträger verankern: Das können zwei Systeme, die 2020 verstärkt in die Radgeschäfte kommen werden. Beide arbeiten mit einem eigenen Basisträger, der fix am Rad verschraubt ist. Damit die Packtaschen nicht gestohlen werden, gibt es wahlweise einen Steckschlüssel zum Entriegeln dazu oder ein Seilschloss. Wer den Basisträger noch nicht auf dem Rad hat, kann sich mit einer Verbindungsplatte behelfen, die auf jeden herkömmlichen Gepäckträger passt.

Digitale Schaltungen mit allerlei Sensoren sollen ein immer "natürlicheres" Fahrgefühl ermöglichen. Damit entstehen sogar neue Berufsbilder: Der Fahrrad-Mechatroniker und der Sportartikel-Techniker sollen dem Kunden die schöne neue Rad-Welt erklären und die Geräte warten können. Jobrad-Angebote für Pendler sollen steuerlich gestützt einen Anreiz bieten, um dem Verkehrskollaps der Innenstädte entgegenzuwirken. Damit weniger Stürze passieren, haben Bosch und inzwischen auch andere Hersteller bereits das ABS aufs E-Bike übertragen: Sensoren messen die Umdrehungen von Vorder- und Hinterrad und lösen notfalls eine blockierende Bremse. Vor allem bei "Panik-Bremsungen" bergab auf Schotter oder auf dem Radweg, wenn sich eine Autotüre öffnet, soll man so bessere Chancen haben, auszuweichen.

Anhängerleuchten

Der erschütternde Unfall mit dem Tod zweier Kleinkinder hat die Anhänger-Hersteller wachgerüttelt: Es gibt auch zum Nachrüsten leistungsstarke LED-Leuchten, nach hinten rot, nach vorne weiß, die man einfach an den Griff des Anhängers klemmen kann. Allgemein sind an den Fahrradanhängern mehr Signalfarben und Reflektorflächen zu sehen.

Packtaschen mit Reflektoren

Bei den Packtaschen setzen sich zwei Trends durch: abnehmbar und wasserdicht sowieso, aber dazu noch ausgestattet mit Reflektoren und Signalfarben, um die Sicherheit zu verbessern. Obwohl niedriges Eigengewicht natürlich wichtig ist, verwenden manche Hersteller inzwischen ein Lkw-Planen ähnliches, gummiertes Material, wie man es auch von wasserdichten Packsäcken im Raftingsport kennt. Der Verschluss wird eingerollt, verdeckt angebrachte Träger machen die Packtasche zum Rucksack, sobald man das Rad irgendwo abstellt und zu Fuß weiter muss.

Neuheit Intube: Integration und App-Steuerung

Integration und „Intube“ sind viel strapazierte Begriffe der Rad-Hersteller: Mit Integration meinen sie ein Verschwinden der Seilzüge und Kabel in den Rahmen – soweit das vorne auf dem Lenker überhaupt möglich ist. Intube heißt nichts anderes, als dass auch die

Akkus der E-Bikes in den dicken Unterrohren der Rahmen versenkt werden, mit unterschiedlichen Lösungen für eine leichte, schnelle

Demontage. Shimano-Produktmanager Andreas Jungwirth zeigt oben gerade, wo beim Merida e-140 die Ladebuchse platziert ist.

Bedient wird das Bike schon über eine App auf dem Handy, das in einer Halterung auf dem Lenker sitzt.

Gravelbikes: Mit dem Rennrad über die Schotterstraße

Einen neuen Kundenkreis erhoffen sich die Radhändler von elektrisch unterstützten „Gravelbikes“: Beim Simplon Inissio pmax (Bild) ist ein 250 Watt starker Motor am Tretlager und ein Akku im Rahmen

versteckt. Die Räder sind für Forst- und Schotterstraßen gebaut und haben bei etwas molligerem Reifenquerschnitt keine Federung beziehungsweise manche Modelle nur eine Federgabel. Elektronische Schaltung und Scheibenbremsen sind weitgehend Standard.

Die Lenkerformen variieren zwischen geraden und – wie hier – Rennlenkern, manche Hersteller ziehen den Rennlenker auch sehr weit schräg nach außen für eine bessere Kontrolle.

Laufrad mit Seilspeichen

Stolz zeigt Produktmanager Florian Pöllmann von Pancho Wheels das superleichte MTB-Laufrad: Extrem zugfeste Kunststoffschnüre ersetzen die Stahlspeichen, zwei 29-Zoll-Räder wiegen so nicht einmal ein Kilo! Bei der Salzkammergut Trophy wurden die Räder von einigen Fahrern schon getestet. Nachziehen kann man die Speichen über Metallhülsen mit einem Gewinde am Ende, das in die Felge geschraubt ist.

Lastrad: Elektrisch und gefedert

Riese & Müller aus Darmstadt ist einer der wichtigsten Lastenrad-Hersteller in Europa, Verkäufer Alex Sehrei hat Freude an enormen Zuwachsraten: Vorne und hinten gefedert und mit E-Antrieb ausgerüstet, erleben die Räder derzeit einen Boom. Bis zu drei Kinder könnten hier transportiert werden oder eine Box mit 300 Litern Ladung. 1000 Wh aus zwei Akkus bringen hohe Reichweite, Stollenreifen erlauben Ausflüge in leichtes Gelände.

E-Mountainbike: Vorne groß, hinten kleiner

Stolz präsentiert Merida-Importeur Gernot Loidl aus Bad Goisern den superleichten und stabilen Carbonrahmen der neuen E-Mountainbike-Serie – doch die Überraschung sieht man hinter ihm: Viele Merida-Modelle kommen 2020 mit einem 29-Zoll-Vorderrad und 27,5-Zoll-Hinterrad. Das soll im Gelände ein leichteres Überfahren von Hindernissen ermöglichen und trotzdem die nötige Agilität bringen, um auch enge Kehren zu bewältigen. Eine Idee, mit der kleine Bike-Schmieden am Gardasee schon seit Jahren experimentiert haben – Torbole ist ein Mekka für „Downhiller“.

„Auf dem Rad habe ich meine heilige Ruhe!“

Wo im Winter Skirennfahrer die Pisten in der Flachau oder in Kitzbühel hinunterfahren, finden im Sommer einige der härtesten Mountainbike-Rennen statt. Die Teilnehmer meistern mehrere tausend Höhenmeter auf unwegsamem Gelände und sind stundenlang auf dem Rad unterwegs. Die Extremrennen verlangen nicht nur der Kondition, sondern auch der Konzentration der Sportler alles ab. Mitten unter ihnen ist auch Karoline Neumüller. Die 23-jährige Neufeldnerin gehört zu den aktuell besten Mountainbike-Marathonfahrerinnen in Österreich. Beim diesjährigen KitzAlp-Bikefestival im Brixental bezwang sie nicht nur die 100 Kilometer und 4300 Höhenmeter, sondern stand sogar am Stockerl. „Ich bin mit Tränen in den Augen nach 7,5 Stunden Fahrzeit über die Ziellinie gefahren und war froh, dass ich das heil überstanden habe.“

Jeder fängt klein an

Hauptberuflich arbeitet Karoline Neumüller in der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und studiert nebenbei Wirtschaftswissenschaften an der Kepler-Uni in Linz. „Einteilung ist alles“ – mit diesem Leitsatz meistert sie nicht nur ihren knappen Zeitplan zwischen Beruf, Studium und Sport. Sich die Kräfte perfekt einzuteilen, zählt auch während des Rennens zu ihren großen Stärken. Die Faszination fürs Mountainbiken wurde in der Schule geweckt: „Mein Lehrer hat mich überredet, beim Kinderrennen des Raiffeisen Granitmarathons in Kleinzell mitzumachen. Ich war 15 Jahre alt und hatte keine Ahnung, wer da alles am Start stehen würde. Mit meinem fast 16 Kilogramm schweren Fahrrad und in Turnschuhen stand ich mitten unter voll ausgestatteten Profis wie der U17-Europameisterin.“

"Auf dem Rad habe ich meine heilige Ruhe!"
Karoline Neumüller in Aktion beim Granitmarathon.

Steiler Aufstieg

Acht Jahre und unzählige Trainingsstunden später kann sie bereits auf zahlreiche Erfolge zurückblicken. „Dazu braucht es ein starkes Team. Josef Hofstätter hat mich von Anfang an auf dem sportlichen Weg begleitet, ohne Sponsoren wie Sport Haderer oder meinem Verein Team DNA Eindruck Sarleinsbach wäre das alles nicht möglich.“ Neumüller ist überzeugt: „Es ist nie zu spät, etwas Neues anzufangen.“ Der Sport ist für sie auch ein guter Ausgleich zum Alltag: „Ich kann der Hektik entfliehen und vor allem habe ich auf dem Rad meine heilige Ruhe. Wichtig ist, dass man den Spaß dabei nicht verliert und sich realistische Ziele setzt.“

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29. März 2024