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"Die Globalisierung überfordert viele"

Von Hermann Neumüller, 02. November 2019, 00:04 Uhr
"Die Globalisierung überfordert viele"
Allein in China gibt es laut Felbermayr 400 Millionen Menschen, die zur "globalen Mittelschicht" zählen. Bild: APA/AFP

Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, im OÖN-Gespräch über Handelskonflikte, US-Präsident Trump und die Unsicherheit in der Autoindustrie.

OÖN: "Die Rückkehr der Handelskriege(r)", so lautet der Titel Ihres Vortrages bei der diesjährigen Rothschild-Vorlesung (siehe Kasten). Ist diese Rückkehr nicht eine verständliche Gegenbewegung nach dem Globalisierungsschub der vergangenen Jahre?

Gabriel Felbermayr: Ja, doch! Ich werde auch bei meiner Vorlesung so argumentieren. Wir hatten in den Jahren 1990 bis 2008 ein rasches Voranschreiten der Globalisierung. Die Geschwindigkeit hat viele überfordert. Es kam zu einem Vertrauensverlust, es kamen Zweifel auf, ob die offenen Märkte tatsächlich nur Vorteile haben. Diese Skepsis ist berechtigt, muss umgekehrt aber nicht gleich zu Handelskriegen führen. Eine Pause wäre geboten, aber nicht unbedingt neue Handelsbarrieren.

Der Handelskonflikt zwischen China und den USA prägt die Weltwirtschaft. Warum krachen die beiden größten Volkswirtschaften so hart aufeinander?

Als China 2001 der WTO beitrat, hat niemand damit gerechnet, dass China versuchen wird, den USA den Rang abzulaufen, und keiner hat gedacht, dass sich China so entwickeln wird, also diesen speziellen chinesischen Weg gehen wird. Eher war damit gerechnet worden, dass sich das Land in die Riege der westlichen Industrienationen einordnen wird.

Es heißt oft, die "Eliten" würden an der Globalisierung verdienen, während die Einkommen des Mittelstandes – ganz zu schweigen von den unteren sozialen Schichten – stagnieren. Hat man die Verteilungsfrage vernachlässigt?

Ja und nein. Durch die Öffnung der Märkte ist eine globale Mittelschicht entstanden. In China sind das 400 Millionen Menschen. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch in Südostasien oder in Afrika. In den Industriestaaten ist hingegen der klassische Industriearbeiter unter Druck geraten. In Deutschland und in Österreich hat man die Industrie weitgehend erhalten können. Global gesehen hat die Ungleichheit abgenommen.

Sie sagten jüngst in einem Interview, die Wachstumsschwäche Deutschlands sei nicht nur auf den zunehmenden Protektionismus zurückzuführen, sondern teilweise auch hausgemacht. Was läuft falsch in Deutschland?

Wogegen ich mich wehre, ist, dass an der Wachstumsschwäche nur US-Präsident Donald Trump schuld sei. Wenn der weg ist, ist alles wieder gut. So einfach ist das nicht. Es gibt zwei Faktoren, die da mitspielen. Zuerst ist da die Demografie. Das Durchschnittsalter in den deutschen Unternehmen liegt nahe 50. Das drückt auf das Wachstum, es fehlt an Dynamik. Und darüber hinaus gibt es eine ausgeprägte Unsicherheit. Wie geht es mit der Energiewende weiter? Der Ausstieg aus Kohle und Atom wird die Strompreise erhöhen. Das trifft nicht zuletzt die Industrie. Und dann gibt es noch die politische Unsicherheit: Was kommt nach Merkel?

Die deutsche Autoindustrie habe den Trend zum E-Auto verschlafen und habe deshalb Probleme. Stimmt das?

Ich habe die Autoindustrie nicht erwähnt, weil deren Probleme in den Bereich Energiewende und zur damit verbundenen Unsicherheit gehört. Für mich ist die Autoindustrie Opfer der Klimapolitik. Niemand weiß, wie sich die Treibstoffpreise entwickeln werden, niemand weiß, ob es mehr Fahrverbote für Verbrennungsmotoren in deutschen Städten geben wird. Das drückt auf die deutsche Autoindustrie. Wir befürchten, dass diese deutsche Schlüsselindustrie in den nächsten fünf Jahren nicht wachsen wird. Das trifft auch die oberösterreichische Zulieferindustrie.

Sehen wir in Deutschland derzeit nur eine Konjunkturdelle, oder ist das mehr?

Es ist schon mehr. Wir sind ja derzeit in einer technischen Rezession, also zwei Quartale mit einer schrumpfenden Wirtschaft. Ich erwarte zwar nicht unbedingt eine Rezession, aber eine deutliche Reduktion des Trendwachstums.

Wir haben zwei Mega-Trends: den Kampf gegen den Klimawandel und die Digitalisierung. Bleiben wir zuerst beim Klima. Ist eine Versöhnung von Ökologie und Ökonomie möglich, oder sind beide gar keine Gegensätze?

Die Versöhnung ist möglich. Das zeigt die Entwicklung. Das Wachstum kam aus neuen Ideen oder neuen Verfahren und nicht unbedingt aus mehr Ressourcenverbrauch. Wachstum ist auch in Zukunft durchaus ressourcenschonend möglich. Der Klimawandel wird Wachstum kosten, das muss nicht unbedingt für den Lebensstandard gelten.

Bei der Digitalisierung heißt es, Roboter und Algorithmen nähmen uns die Jobs weg. Eine berechtigte Befürchtung?

Roboter haben wir seit Jahrzehnten, und die Beschäftigung hat zugenommen. Roboter machen uns international wettbewerbsfähig. Es wird aber Gewinner und Verlierer geben. Meine Sorge ist eher eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft.

Rothschild-Vorlesung

Die 22. Kurt-W.-Rothschild-Vorlesung findet am 7. November um 18 Uhr im Festsaal des Uni-Centers statt. Referent ist Gabriel Felbermayr. Der aus Oberösterreich stammende Ökonom studierte an der JKU Volkswirtschaftslehre. Seine Stationen: Florenz, Tübingen, Stuttgart und München, wo er das ifo-Zentrum für internationale Wirtschaft leitete. Seit März ist er Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.

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Autor
Hermann Neumüller
Redakteur Wirtschaft
Hermann Neumüller

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10  Kommentare
10  Kommentare
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gegenstrom (16.154 Kommentare)
am 03.11.2019 09:38

Wie Investorenrechte in EU-Handelsabkommen die Energiewende blockieren.
Die ganzen Vorsätze, die uns "Volksvertreter" müsste heissen - "Volksverräter" aufdiktrieren sind nur für Konzerne ein Fressen, denn diese halten sich bei den Staaten = Staatsbürgern warm.
Diese Welt ist nicht mehr zu retten, wenn nicht schleunigst um 180 Grad von den zuständigen Volksver........ die Politik geändert wird.

https://corporateeurope.org/sites/default/files/paradies-fuer-umweltsuender.pdf

https://www.ttip-stoppen.at/wp-content/uploads/2014/03/fallbeispiele_Schiedsgerichte_final-neu.pdf

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Analphabet (15.374 Kommentare)
am 03.11.2019 00:29

Vor Allem überfordert die Globalisierung unsere Erde. Ein Blick auf die Autobahnen und Straßen genügt. Dazu kommt die Überbevölkerung, Die hauptsächlich von den Religionen befürwortet wird.

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betterthantherest (33.772 Kommentare)
am 02.11.2019 20:43

Die Globalisierung frisst ihre ehemaligen Befürworter.
Mir solls recht sein.

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Gugelbua (31.811 Kommentare)
am 02.11.2019 15:30

es ist ein Kampf der globalen Wirtschaftsmächte die immer mehr die Politik diktieren wir haben einen von Lobbyisten gesteuerten Zentralismus, von wegen Demokratie

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pepone (60.622 Kommentare)
am 02.11.2019 16:21

GUGELBUA

wie würde die Wirtschaftswelt aussehen ohne Globalisierung ?
Ewigen kleinen Wirtschaftskrisen oder dauernden Wirtschaftskriege ???
Wie vielen Betrieben gäbe es nicht mehr ?
Könnte Trump auch seine Zollbelastungen durchführen ?
Fragen über Fragen .

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Gugelbua (31.811 Kommentare)
am 02.11.2019 17:34

Ich hätte nichts dagegen gegen Regionalität, würde Arbeitsplätze schaffen eine echte belebende Konkurrenz würde auch den Markt diktieren und dem globalen Einheitsbrei dem wir heute ausgeliefert sind abstellen

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walterneu (4.715 Kommentare)
am 02.11.2019 14:04

Die Ungleichheit der Sisteme braucht einen Ausgleich, und das sind Zoelle,
Das ist als wuerde man eine Ballettaenzer zum Kaefigboxen schicken und auf ein Unentschieden wetten.

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jago (57.723 Kommentare)
am 02.11.2019 13:14

Die Parteihörigen überfordert sie besonders, die Globalisierung!

In allen Bildungsebenen, von den Schulkindern bis zu den Redakteuren.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 02.11.2019 12:59

bin schon gespannt was demnächst aus der USA-CHINA Verhandlungen raus kommt ,und ob die Zollbelastungen nach Einigkeit fallen werden .

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sol3 (13.727 Kommentare)
am 02.11.2019 08:39

Selbstzerstörung war noch nie einfach.

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