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In der Krise rückte die Welt zusammen: Jetzt sind die Fliehkräfte stärker denn je

Von Hermann Neumüller   14.September 2018

Fast genau zwei Monate nach der Lehman-Pleite 2008 trafen sich in Washington die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20). Ein umfangreiches Aufgabenpaket wurde beschlossen, um den Absturz der Weltwirtschaft zu verhindern.

Allein die Regierungen der USA, Chinas, Japans und Deutschlands gaben zusammen mehr als 1450 Milliarden US-Dollar aus, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Alle Staaten versprachen, alles zu tun, um eine derartige Krise künftig unmöglich zu machen.

Der Kollaps der Weltwirtschaft konnte zwar verhindert werden, mit der Erholung und mit dem zeitlichen Abstand zur Lehman-Pleite nahmen die politischen Fliehkräfte wieder zu, bis hin zur derzeitigen Situation, in der viele Staaten – allen voran die USA – ihr Heil in der Abschottung suchen.

"Finanzsystem jetzt stabiler"

In den USA und in der EU wurde eine Vielzahl von Regeln beschlossen, um das Finanzsystem stabiler zu machen. "Man hat vor allem gelernt, dass eine grenzenlose Deregulierung des Finanzsystems in die Katastrophe führt", sagt Friedrich Schneider, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der JKU Linz.

Auch der frühere Wifo-Chef Karl Aiginger hält das Finanzsystem jetzt für deutlich stabiler. Als Beispiele nennt er die dickeren Kapitalpolster für Banken, die gemeinsame europäische Bankenaufsicht oder auch den im Volksmund Euro-Rettungsschirm genannten ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus). Damit habe man das Instrumentarium, um in Europa "mittlere Krisen zu bewältigen", sagt Aiginger.

Ein Thema sei man überhaupt nicht angegangen, kritisiert Schneider: "too big to fail" (zu groß zum Scheitern, Anm.). Sowohl in den USA als auch in Europa habe man sich seitens der Politik nicht getraut, die Banken in kleinere Einheiten aufzuteilen. Damit seien sie nach wie vor zu groß, um sie wirklich abwickeln zu können. "Mit der Rettung der Banken haben wir die Fehler der Manager belohnt. Das löst zurecht bei vielen Bürgern Unmut aus." Sowohl Aiginger als auch Schneider sehen die größte Gefahr für das globale Finanzsystem von der Politik ausgehen. In den USA ist Präsident Donald Trump gerade dabei, die Banken-Regulierung wieder zu lockern.

Und der russische Präsident Wladimir Putin lasse keine Gelegenheit aus, die EU zu destabilisieren, sagt der frühere Wifo-Chef Aiginger. Vor allem bei den Rechtspopulisten habe der russische Präsident viele Verehrer, die teilweise ja auch mit EU-Skepsis zu punkten versuchen. In der EU sieht Ökonom Schneider derzeit die größte Gefahr von Italien ausgehen. Die neue Regierung habe trotz extrem hoher Verschuldung Ausgabenprogramme angekündigt, die sie bisher aber noch nicht umgesetzt habe.

"Das größte Problem in der EU sehe ich generell darin, dass die Regierungen die Regeln nicht einhalten", sagt Schneider. Das ständige "Regel-Brechen" schwäche die Union und gebe den Populisten damit Auftrieb.

Auf den Finanzmärkten selbst sieht Schneider die seit Lehman exorbitant gestiegenen Schulden sowohl der Staaten als auch des Privatsektors als Bedrohung an. Bei den gestiegenen Staatsschulden müsse man freilich einräumen, dass sich diese nicht zuletzt durch die Finanzkrise selbst erhöht hätten.

 

ESM: Der Europäische Stabilitätsmechanismus ist eine Finanzierungsinstitution mit Sitz in Luxemburg. Aufgabe des ESM ist es, überschuldete Mitgliedsstaaten der Eurozone durch Kredite und Bürgschaften zu unterstützen, um deren Zahlungsfähigkeit zu sichern. Gegründet wurde der ESM 2012 und wird derzeit von Klaus Regling geleitet.

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