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Erfolgsgeschichte Schilling: Vom Notnagel zum Alpendollar

Von Hermann Neumüller   27.Dezember 2011

„Ein Geldbetrag, mit dem Sie 1914 noch ein Haus kaufen konnten, reichte 1922 vielleicht noch für ein Mittagessen“, sagt Professor Roman Sandgruber, Leiter des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Linz. Eine Hyperinflation beutelte das Land als Folge des Ersten Weltkrieges. Hohe Reparationszahlungen an die Siegermächte taten ein Übriges. Die Regierung wusste sich nicht anders zu helfen, als die Banknotenpresse auf Hochtouren laufen zu lassen.

Es war aber dann doch die internationale Staatengemeinschaft, organisiert im Völkerbund, dem Vorläufer der UNO, die ein Einsehen hatte. Eine Völkerbund-Anleihe half dem Land ab 1922 aus der größten Not.

Griechische Verhältnisse

Diese Hilfe war freilich mit harten Auflagen verbunden. Österreich musste sich zur Sanierung des Budgets und zur Stilllegung der Notenpresse verpflichten und – unter Einschränkung seiner staatlichen Souveränität – der Kontrolle eines mit weitgehenden Befugnissen ausgestatteten Völkerbund-Kommissärs unterwerfen. Das erinnert fast ein bisschen an die momentane Situation in Griechenland. Ein sichtbares Zeichen dieser neuen Fiskal- und Geldpolitik war der Schilling.

Im Dezember 1923 erhielt die Regierung vom Nationalrat die Ermächtigung, Schilling-Silbermünzen zu prägen. Der erste eigentliche Schillingwert war eine Banknote mit einem Nominale von 100 Schilling, die 1925 in Umlauf gebracht wurde. 1926 folgten Goldmünzen zu 100 und 25 Schilling.

Nach den Erfahrungen der Hyperinflation war Stabilität das oberste Prinzip der Wirtschaftspolitik der österreichischen Regierung. Sparsamkeit und eine Politik des knappen Geldes fanden breite Zustimmung. Der Schilling entwickelte sich in diesem Umfeld zu einer der stabilsten Währungen Europas, was ihm im Volksmund den Spitznamen „Alpendollar“ einbrachte.

Dass die Regierung auch in der Weltwirtschaftskrise an ihrer restriktiven Politik festhielt und die Arbeitslosigkeit dramatisch ansteigen ließ – bis auf 600.000 Menschen Anfang der 1930er-Jahre – blieb freilich nicht ohne Kritik. Aus heutiger Sicht ein schwerer wirtschaftspolitischer Fehler, den freilich andere Staaten ebenso begingen.

Ein jähes Ende fand der Schilling mit dem Einmarsch der deutschen Truppen am 12. März 1938. Schon fünf Tage später, am 17. März, wurde die Deutsche Reichsmark als Währung eingeführt und die Reichsbank mit der Liquidation der Oesterreichischen Nationalbank betraut. Die Nazis hatten es auf den Goldschatz in Wien abgesehen. 78,3 Tonnen Feingold im Wert von 467,7 Millionen Schilling und quasi als Draufgaben Devisen und Valuten im Wert von 60,2 Millionen Schilling wurden zur Reichsbank nach Berlin gebracht. Der Umrechnungskurs vom Schilling zur Reichsmark (1 Reichsmark zu 1,5 Schilling) bedeutete eine Aufwertung des Schillings. Das war eine populistische Maßnahme der Nazis. Dafür nahmen sie sich das Gold.

Nach dem Krieg stand einer im Vergleich zu 1938 geringeren Geldmenge eine etwa um das Sechsfache gesteigerte Geldmenge gegenüber. Und es kam, was kommen musste. Mit der Rückkehr zum Schilling verloren die Bürger – so wie in der Hyperinflation der 20er-Jahre – noch einmal den Großteil ihres Geldvermögens.

Die Phase der Abwertungen dauerte bis 1953. Der bisher „gespaltene Wechselkurs“ wurde vereinheitlicht: 26 Schilling waren ab dann ein US-Dollar. Das war zwar noch einmal eine Abwertung, ebnete Österreich aber den Weg zur Vollmitgliedschaft beim Internationalen Währungsfonds.

Hart wie die D-Mark

Eine weitere Zäsur der österreichischen Währungspolitik erfolgte nach dem Ende des Systems von Bretton Woods 1971 (Aufhebung der Gold-Konvertibilität des US-Dollar). Österreich schwenkte auf die so genannte Hartwährungspolitik ein. Der Schilling orientierte sich zuerst an einem Währungskorb, ab 1976 dann an der Deutschen Mark.

Während andere Länder ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit durch regelmäßige Abwertungen wieder herzustellen versuchten, musste Österreich den harten Weg über Strukturreformen und Produktivitätssteigerungen in der Wirtschaft gehen. Das brachte uns dorthin, wo wir heute stehen: Wir sind eine der wirtschaftlich stärksten und wettbewerbsfähigsten Nationen Europas.

Glossar: Hartwährung

Wenn ein Land seinen Geldwert durch entsprechende Fiskal- und Geldpolitik möglichst stabil zu halten versucht, spricht man von Hartwährungspolitik. Österreich ging diesen Weg in den 1970er-Jahren, indem es den Schilling an die harte Deutsche Mark band. Damit versperrte man sich den Weg, die internationale Wettbewerbsfähigkeit über Abwertungen zu steigern. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, zwingt die Hartwährungspolitik zu Strukturreformen und Produktivitätssteigerung. Das ist nicht unbedingt der einfachste Weg, bringt aber längerfristig Vorteile.
 

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