„Der Anbau von Raps wird halbiert“

LINZ/WIEN. Ohne Neonicotinoide nicht mehr rentabel – Experten sehen andere Gefahren für Bienen.
Plötzlich kursieren in Österreich und international Expertenaussagen und Medienberichte, dass das Bienensterben als Folge von Neonicotinoiden in Saatgutbeize nicht erwiesen, zumindest aber nicht so schlimm sei. Die Konsequenzen des Pestizidverbots sind nicht mehr aufzuhalten, vorerst für den Rapsanbau.
Als „Biene-Maja-Mörder“ wurden die Bauern allgemein und ihr Minister Niki Berlakovich im Speziellen heuer mit einer großen Kampagne von Umweltorganisationen abgestempelt. Wer etwas dagegen einwendete, wurde als bezahlter Büttel der Chemieriesen hingestellt. Im Parlament wurde im Eilzugtempo ein Verbot dreier Pestizide beschlossen. Berlakovich forderte anfangs mehr wissenschaftliche Fakten, knickte unter dem Druck von Medien und Koalitionspartner SPÖ jedoch ein.
Das gewöhnlich grün engagierte Nachrichtenmagazin „Profil“ verblüffte diese Woche mit dem Artikel „Mythos Bienensterben“: Es gebe nicht mehr tote Insekten als früher, als noch gar keine Pestizide eingesetzt wurden; die Ursachen seien ebenso vielfältig wie natürlich; die Zahl der Bienenstöcke sinke nicht, wie behauptet, sondern steige weltweit.
Freilich seien lokal Probleme aufgetreten, wo Bauern die Auflagen des Neonic-Einsatzes missachtet hätten. Es gibt aber viele legale Produkte, die im Falle fahrlässiger Anwendung tödlich sind.
Für die Umweltschützer könnte das Neonic-Verbot zum Pyrrhussieg werden. Bienenexperten erwarten, dass weiter Bienenvölker sterben werden. Die Bauern können indes künftig Raps und Mais nicht mehr schützen, indem sie die Pestizide punktgenau mit dem Saatgut in den Boden bringen; sie müssen gegen Schädlingsbefall und Pflanzenkrankheiten Chemie großflächig versprühen, vermutlich mehrmals im Jahr.
Mehr Geld für Rapso-Bauern
„Wenn ein Mensch krank ist, werden Arzneien verabreicht, bei einer kranken Pflanze muss das auch möglich sein“, sagt Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger. Sonst seien die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und die Versorgung mit Lebensmitteln bedroht.
Regulierung treffe immer kleine Höfe am stärksten, beklagt Bauernbund-Präsident Jakob Auer. Er befürchtet, dass sich der Rapsanbau mangels Rentabilität halbieren wird. Das Linzer Handelshaus Vog, das in Aschach das Markenöl „Rapso“ produziert, befürchtet, dass viele Vertragsbauern abspringen werden. Es bietet deshalb für die nächste Ernte zehn Euro je Tonne mehr. Die Vog hat freiwillig das Neonic-Verbot auf die heurige Aussaat vorgezogen. Für alle anderen Rapsbauern gilt es erst 2014. „Damit werden wir zumindest gute Vergleichsmöglichkeiten erhalten“, sagt Christian Krumphuber, Pflanzenbaudirektor der Bauernkammer.