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Charles Vögele meldet Insolvenz an: "Mir wäre sehr leid um den Betrieb"

Von Sigrid Brandstätter und Elisabeth Prechtl   01.August 2018

"Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, es geht immer irgendwie weiter. Da bin ich ganz optimistisch", sagt die zuvorkommende Charles-Vögele-Verkäuferin und bedient weiter freundlich die Kundschaft.

Wer sich am Dienstag mit dem Personal in der Charles-Vögele-Filiale in Linz-Wegscheid unterhielt, konnte nur schwer glauben, dass der Tag für die rund 700 österreichischen Mitarbeiterinnen in den 102 Filialen mit einer schlechten Nachricht begonnen hat: Die Modekette mit Sitz in Kalsdorf bei Graz ist insolvent.

Vögele hat einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung gestellt. Das Unternehmen konnte die fälligen Juli-Gehälter und die gestundeten Urlaubsgehälter für die Belegschaft nicht mehr bezahlen.

Die Gläubiger sollen in den kommenden zwei Jahren eine 20-prozentige Quote erhalten. Die erste Gläubigerversammlung findet am 13. August statt. "Gegenüber der Zerschlagung des Unternehmens und Abgabe der Filialen an Einzelabnehmer, wie immer wieder kolportiert, sehen wir im eingeleiteten Sanierungsverfahren die beste Chance zur Fortführung der Gesellschaft", sagte Thomas Krenn, Geschäftsführer von Charles Vögele Austria, gestern in einer Aussendung. Die Verkaufsverhandlungen sind laut Krenn "weit fortgeschritten".

48,5 Millionen Euro Passiva

Weiter verhandelt werde auch über die Schwesterfirmen in Slowenien (elf Filialen) und in Ungarn (26 Filialen), die ebenfalls von Kalsdorf aus geleitet werden. Das Vermögen der Österreich-Gesellschaft beläuft sich laut Gläubigerschutzverband Creditreform auf 28,4 Millionen Euro. Die Passiva dürften bei 48,5 Millionen liegen.

Die Charles-Vögele-Holding wurde 1955 gegründet. Nach dem Börsengang 1999 war die Modekette einer der größten Bekleidungshändler in Europa. Bis zu 760 Filialen gehörten in Glanzzeiten in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Belgien und den Niederlanden zum Konzern.

2016 übernahm eine italienische Investmentgruppe um den Modekonzern OVS den längst strauchelnden Schweizer Textilhändler Charles Vögele. Im Heimatland der Kette wurde eine Konzeptumstellung probiert: weg von Hosen und Shirts für konservativeres Publikum über 40, hin zu Mode für eine deutlich jüngere Kundenschicht. Das Konzept ging in der Schweiz nicht auf. Wie berichtet, mussten dort alle 140 Filialen mit 1400 Mitarbeitern zusperren.

Das Österreich-Geschäft lief bis 2016 stabil: Der Umsatz lag bei 121 Millionen Euro. Ein Jahr später folgte der Einbruch. Der Erlös ging um 11,5 Millionen Euro zurück, ein Verlust wurde eingefahren.

Nachdem die Schweizer Mutter in die Pleite geschlittert war, wurden auch in Österreich seit Jahresbeginn 30 Standorte geschlossen. 13 Filialen wurden auf die Marke "OVC" umgestellt. Zudem wurde fieberhaft nach einem Investor für die Filialen gesucht. Unternehmen wie Fussl, Hofer oder Spar sollen aber, wie berichtet, nur an einzelnen Standorten interessiert sein. Man wolle eine Zerschlagung des Unternehmens jedenfalls verhindern, so Krenn in der Vorwoche.

In einem nächsten Schritt sollen die Vögele-Mitarbeiter in ganz Österreich bei Betriebsversammlungen über die Vorgehensweise informiert werden, so Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten.

"Es war immer was dabei"

Die wenigen Kunden, die am Dienstag in der Wegscheider Filiale nach Schnäppchen stöbern, bedauern das drohende Aus der Kette: "Mir wäre sehr leid um den Betrieb", sagt eine Kundin, die Arme voll mit Hosen und Leiberln. "Das Sortiment hat oft gewechselt, und es war für Kunden mit den unterschiedlichsten Größen immer etwas dabei."

Zeiten für Textilhändler werden noch härter

Die Zeiten für Modehändler werden in den nächsten Jahren schwieriger, sagt der Marktdaten-Analyst RegioData Research. Das Unternehmen erwartet, dass schon 2020 jedes dritte Bekleidungsstück per Zustelldienst geliefert wird.

Laut jüngst verfügbaren Marktdaten kaufen die Österreicher bereits 27 Prozent ihrer Bekleidung online. 2010 lag dieser Anteil, laut Wolfgang Richter von RegioData, erst bei sechs Prozent. „Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ware danach in einer Filiale abgeholt wird. Der Kaufvorgang findet online statt.“ Richter sagt zudem, dass die echten Online-Händler wie Zalando deutlich mehr dieses Bestellgeschäfts abschöpfen würden. Stationäre Händler mit Online-Angebot könnten nicht in dem Ausmaß am Marktanteilsgewinn des Online-Handels partizipieren.

Die Top-10-Händler halten wie im Vorjahr einen Marktanteil von etwa 50 Prozent, heißt es in den Zahlen von RegioData. Innerhalb dieser komme es aber zu Verschiebungen: Konservativere Marken wie Gerry Weber, Bonita, Cecil oder Adler würden Umsätze verlieren. Diskonter wie Primark und NKD legten zu.

Charles Vögele sei Ende 2017 mit einem Marktanteil von drei Prozent auf Platz zehn des heimischen Bekleidungsmarktes gelandet. Richter sagt, dass sich das Konsumverhalten verändere und Charles Vögele vor den Polen „billig“ oder „beliebte Marke“ eine klare Positionierung vermissen ließ.

Unterm Strich sinkt die Verkaufsfläche im heimischen Bekleidungshandel seit dem Jahr 2016 – von mehr als 860.000 auf unter 780.000 Quadratmeter. Diese Reduktion verlaufe aber langsamer, als die stationären Händler Geschäft an die Online-Konkurrenz verlieren.

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