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Brennender Topfen und Gips im Käse empören die Russen

06.August 2016

Dieser russische Topfen verhält sich nicht so wie er sollte. Lichterloh brennt das vermeintliche Milchprodukt. Gut zehn Minuten dauert das Experiment, bei dem eine Reporterin den Tworog aus einem Hinterhofladen in St. Petersburg einer Feuerprobe unterzieht.

Nach kurzer Zeit verwandeln die züngelnden Flammen den schneeweißen Speisetopfen in einer dunkelbraune Masse. "Es riecht nach Plastik", sagte die Journalistin des Portals fontanka.ru und rümpft im Video-Beitrag die Nase. "Guten Appetit, Genossen!"

Der Videoclip löst einen Aufschrei im Internet aus. Eine Analyse des Topfens im Auftrag des Online-Magazins zeigt: Das als Tworog verkaufte Milchprodukt enthält kein Milchfett, sondern ist mit Zusatzstoffen gepanscht. Medien berichten gar von Produkten, die mit Stärke, Kreide oder Gips gestreckt sein sollen.

Gut ein Viertel seines Rohmilch-Bedarfs von 30 Millionen Tonnen importiert Russland. "Jahrelang wies die Sparte die niedrigsten Investitionen in der russischen Agrarindustrie auf", sagt Artjom Below, Geschäftsführer des Verbands der Milchproduzenten.

Erbe aus der Sowjetzeit

Aus Sowjetzeiten geerbte Anlagen gelten als rückständig und unproduktiv. Die Lage hat sich noch durch das russische Embargo von EU-Lebensmitteln verschärft. Vor genau zwei Jahren, am 6. August 2014, trat das Importverbot in Kraft. Es war eine Reaktion auf Sanktionen des Westens gegen Russland im Ukraine-Konflikt. Das hat umgekehrt auch die Bauern in der EU hart getroffen. Produzenten von Fleisch, Obst und Milch haben mit Russland einen wichtigen Markt verloren. Österreichs Agrarexporte brachen 2015 um 80 Prozent ein. Die mit niedrigen Preisen und Überproduktion kämpfenden Milchbauern bekommen dies zu spüren.

In Russland kostet der Liter Rohmilch nach Verbandsangaben etwa 21 Rubel (rund 28 Cent) und liegt damit spürbar über dem Preis von rund 23 Cent, den EU-Bauern derzeit erzielen können.

Umgekehrt sieht der russische Milch-Funktionär Below in der momentanen Situation daher eine Chance. Durch das Embargo seien Marktanteile von 20 Prozent frei geworden, die russische Hersteller übernommen hätten, sagt er. Allein heuer soll die Produktion um 2,5 Prozent steigen.

Doch die Kehrseite der Medaille ist die Qualität. Die russische Regierung will zwar künftig aus eigener Produktion den Bedarf decken, doch wie kurzfristig die qualitativ hochwertige EU-Ware ersetzt werden kann, ist offen. Mehr als 80 Prozent der Importe kommen inzwischen aus Weißrussland.

Und so bleibt das Fälschungsproblem: Rund zehn Prozent der russischen Milchprodukte würden unlauter mit billigen Pflanzenfetten wie Palmöl gestreckt, heißt es bei der Agraraufsicht. Der Palmölimport stieg Berichten zufolge zwischenzeitlich um rund ein Fünftel. Von brennendem Topfen und Käse mit Gips will Below aber nichts hören. Dafür gebe es keine eindeutigen Beweise.

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