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Barrierefreiheit ist seit 1. Jänner Pflicht, Tausende Betriebe sind aber säumig

Von Alexander Zens   04.Jänner 2016

Seit 1. Jänner müssen alle Gebäude, in denen Waren und Dienstleistungen angeboten werden, barrierefrei zugänglich sein. Das Behindertengleichstellungsgesetz wurde 2005 beschlossen. Zehn Jahre hatten Unternehmen und Organisationen Zeit, Geschäftsflächen in Altbauten zu adaptieren, Stufen zu beseitigen oder Treppenlifte und Behindertentoiletten einzurichten. Trotz der langen Frist dürften Tausende Betriebe bei der Barrierefreiheit säumig sein – ein großer Teil der 24.000 oberösterreichischen Handelsfirmen etwa.

Unternehmer seien zuletzt mit vielen anderen Belastungen wie den Registrierkassen beschäftigt gewesen, Barrierefreiheit sei oft in den Hintergrund getreten, sagt Christian Kutsam, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Oberösterreich: "Viele haben Maßnahmen getroffen, aber nicht unbedingt alles Notwendige."

Wie weit geht Barrierefreiheit?

Die Kammer habe im Vorjahr viel Informationsarbeit geleistet. "Wir werden weiter Bewusstsein schaffen." Dem Vorwurf, zehn Jahre zu wenig getan zu haben, hält Kutsam entgegen, dass sich der Bund selbst eine Ausnahmeregelung gebe. Er muss seine Gebäude erst bis 2019 komplett barrierefrei machen. "Man sollte nicht mehr verlangen, als man selbst bereit ist zu leisten." Die Stadt Wien gibt sich sogar bis Anfang der 2040er-Jahre Zeit.

Thomas Mayr-Stockinger, Obmann-Stellvertreter der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft und Fachgruppenobmann der Gastronomie, kritisiert, dass immer noch unklar sei, "wie weit Barrierefreiheit gehen muss". Reichen im Hotel einige barrierefreie Zimmer? Braucht es die Speisekarte in Blindenschrift? Muss man im Handel bis ganz oben im Regal greifen können? Es werde Musterfälle geben müssen, um Klarheit zu haben. Das Gesetz sieht keine verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen vor. Wer sich diskriminiert fühlt, kann ein Schlichtungsverfahren beim Sozialministeriumservice beantragen. Gibt es keine Einigung, bleibt die Schadenersatzklage.

Kutsam fordert, dass "Klagen nicht zum Sport wird". Unternehmer seien an Gesprächen und Lösungen interessiert, Mitarbeiter würden Behinderten immer helfen.

Mayr-Stockinger sagt, dass in Oberösterreichs Gastronomie und Hotellerie (7500 Betriebe) alle, denen Umbauten zumutbar seien, diese vorgenommen hätten.

Laut Gesetz muss man nicht umbauen, wenn es unverhältnismäßig wäre, etwa zu teuer in Relation zum Umsatz. Was zumutbar ist, wird im Streitfall vor Gericht geprüft.

Arztpraxen bauten teilweise um

Bei Oberösterreichs 1000 Kassenärzten haben auch noch nicht alle umgebaut. "Soweit es zumutbar war, wurden Ordinationen barrierefrei gemacht", sagt Ärztekammer-Präsident Peter Niedermoser. Neue Verträge werden seit 2010 grundsätzlich nur unter der Bedingung der Barrierefreiheit vergeben. Für Patienten gibt es im Internet eine Liste mit barrierefreien Praxen.

Gunther Trübswasser, Vorsitzender von SOS Menschenrechte, fordert mehr "Ernsthaftigkeit" bei der Wahrung der Grundrechte. Nach zehn Jahren Übergangszeit gebe es viele Ausreden. "Wir werden auf grobe Missstände hinweisen." Die Strafbestimmungen im Gesetz seien sehr schwach, ein Betrieb könne nicht zur Beseitigung der Barriere verurteilt werden. Trübswasser betont, dass es für die Wirtschaft, etwa den Tourismus, eine Chance sei, Angebote für Menschen mit Behinderung zu machen.

Aus dem Sozialministerium heißt es, dass viele Unternehmer in Barrierefreiheit investiert hätten. Der Bund brauche die längere Frist, weil er sehr viele Gebäude habe und Denkmalschutz eine Rolle spiele. Mehr als die Hälfte der Schulen und Ämter sei aber schon barrierefrei.

Bei Landes- und Kommunalgebäuden in Oberösterreich dürfte der barrierefreie Anteil laut Beobachtern bei rund drei Viertel liegen.

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25. April 2024