Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

„Wir sind kognitiv überall und nirgends“

Von Sonderthemen-Redaktion, 12. Februar 2022, 00:01 Uhr
Digitaler Stress kann krank machen. Bild: Pexels / energepic.com

Universitätsprofessor und Digitalisierungsexperte René Riedl über den Umgang mit digitaler Überlastung, Stressfaktoren im Homeoffice und neue Phänomene wie die „Zoom Fatigue“.

Anrufe, E-Mails, Push-Benachrichtigungen: Digitaler Stress nimmt in unserer Arbeits- und Lebenswelt eine immer zentralere Rolle ein. Doch was bedeutet das für Körper und Psyche? Wir haben mit Professor René Riedl gesprochen. Er gilt als einer der führenden Wissenschaftler in der Erforschung neuropsychologischer Wirkungen der menschlichen Interaktion mit digitalen Technologien.

Herr Riedl, wie entsteht und zeigt sich digitaler Stress?

René Riedl: „Digitaler Stress kann vielerlei Auswirkungen haben. Am Arbeitsplatz erleben wir ständige Unterbrechungen und der Grad des Multitasking steigt an. Das verhindert, dass wir in einen ,Flow’ kommen, also in einen Zustand der absoluten Konzentration. Stattdessen sind wir kognitiv überall und nirgends und fühlen uns abends ausgelaugt, während wir das Gefühl haben, nichts weitergebracht zu haben. Das Wohlbefinden nimmt ab. Ein Mehr an Stress kann auch mit einer depressiven Symptomatik einhergehen.“

Ab wann wird der Stress für uns spürbar?

„Schon lange, bevor wir den Stress überhaupt wahrnehmen, laufen bestimmte Stressprozesse in unserem Körper ab, wie zum Beispiel die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol oder ein erhöhter Blutdruck. Das passiert meist, bevor wir den Stress überhaupt verbalisieren können.“

Ist dauerhaftes Homeoffice ein Grund dafür, dass der digitale Stress zunimmt?

„Manche Menschen profitieren vom Homeoffice, zum Beispiel, wenn sie in einer ungestörten Umgebung arbeiten können und die Möglichkeit haben, sich zwischendurch den ,fantastischen Vier´ zu widmen: Bewegung, Ernährung, Achtsamkeit und Verbringen von Zeit in der Natur. Die Situation hängt stark vom Umfeld und vom Wohnverhältnis ab. Bei einigen Arbeitnehmern zeigt sich, dass der Stress gestiegen ist, zum Beispiel durch die ständige Erreichbarkeit. Viele Menschen haben daheim außerdem eine weniger gute (IT-)Infrastruktur und keinen geeigneten Platz zum Arbeiten. Die Situation verschärft sich zum Beispiel im Falle von Eltern, die ihre Kinder im Homeschooling betreuen.“

René Riedl, Digital Business Professor, FH OÖ & JKU Bild: oon

Welche Strategien zur Stressbewältigung gibt es?

„Egal, ob im Homeoffice oder im Büro: Es ist wichtig, auf eine optimale Pausengestaltung zu achten. Man sollte unbedingt hin und wieder aufstehen und seine Körperposition verändern, das ist förderlich für Kreislauf und Blutdruck. Zudem wirkt sich eine kognitive Ablenkung auch positiv auf die Produktivität aus. Heutzutage erleben wir einen regelrechten ,Information Overload´, da tut es gut, sich regelmäßig zumindest für kurze Zeit vom Bildschirm zu entfernen.
Auch in Bezug auf das E-Mail-Management kann man einiges tun. Viele Menschen checken ihr Postfach permanent und verwenden das Mail-Programm wie einen Instant-Messenger. Dabei ist die E-Mail eigentlich ein asynchrones Medium, man muss nicht in Echtzeit antworten. Studien zeigen, dass es am vernünftigsten wäre, die elektronischen Nachrichten nur dreimal am Tag abzurufen. Natürlich gibt es hier Ausnahmen, zum Beispiel, wenn man im Kundenservice arbeitet und zeitnah auf Anfragen reagieren muss. Für manche Persönlichkeitstypen mit einer eher neurotischen Tendenz kann es sogar weniger belastend sein, wenn sie ihre E-Mails öfter abrufen, da sie gedanklich ohnehin dauernd ,dort´ sind.“

Wie kann ich privat digitalen Stress reduzieren?

„Der allerwichtigste Tipp ist, die Smartphone- und Social-Media-Zeit sukzessive zu verkürzen. Viele fühlen sich dann aber aus sozialen Gruppen ausgeschlossen. Da sollte man sich die Frage stellen: Muss ich jede Info tatsächlich immer sofort erhalten? Oder erreichen mich wichtige Botschaften auch, wenn ich nicht ständig meine Nachrichten abrufe? Bestimmte Strategien können im Umgang mit digitalem Stress helfen, zum Beispiel fixe Uhrzeiten festzusetzen, in denen man nicht aufs Smartphone schaut. Oder ich lege mir selbst bestimmte Nutzungsregeln auf: Während der Arbeitszeit und an bestimmten Orten – zum Beispiel im Schlafzimmer – schaue ich nicht aufs Handy bzw. auf soziale Plattformen.“

Was glauben Sie, wie werden sich die digitale Überlastung und unser Umgang damit in Zukunft entwickeln?

„Es werden weiterhin neue Phänomene dazukommen, wie es auch jetzt schon der Fall ist. Zum Beispiel hat die Zeit der Lockdowns die sogenannte ,Zoom Fatigue’ hervorgebracht. Der Begriff bezeichnet die Müdigkeit und Erschöpfung von Menschen, die durch die Teilnahme an Videokonferenzen ausgelöst wird. Wenn wir die Pandemie endlich in den Griff bekommen haben, sollten wir wieder auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen digitaler und Face-to-Face-Kommunikation achten.“

mehr aus Digitalisierung

Mit Digital-Know-how zum Erfolg

Eintauchen in die digitale Welt

Am Puls der Zeit

"Netzausbau bleibt zentrales Thema"

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

Aktuelle Meldungen