Hayböck bringt frischen Wind in die Tournee-Tristesse
INNSBRUCK. Der Kirchberg-Theninger steigt nach einer Bandscheiben-Operation in Innsbruck ein.
Die 70. Vierschanzentournee steht aus rot-weiß-roter Sicht unter keinem hellen Stern, die Jagd nach dem "Goldenen Adler", den sich Stefan Kraft als bis dato letzter Österreicher 2015 gekrallt hat, ist schon zur Halbzeit eine aussichtslose Mission. Jan Hörl, der Fünfte von Garmisch, liegt im Gesamtklassement als Neunter bereits 65,9 Punkte hinter dem führenden Japaner Ryoyu Kobayashi, der sich als überzeugender Sieger der beiden Deutschland-Springen Chancen auf den zweiten Grand Slam – also Triumphe bei allen vier Bewerben innerhalb einer Tournee – ausrechnen darf.
Dieses bemerkenswerte Double ist noch niemandem gelungen. "Daran denke ich nicht, ich schaue von Tag zu Tag", sagte der 25-Jährige, dem bei der Zeremonie in Garmisch ein Schmunzeln ausgekommen war. Der Sockel der Trophäe hatte sich von der Glaskugel gelöst und war zu Boden gekracht.
Neue Schanze, neue Chance
Wer weiß? Scherben sollen ja Glück bringen – jenes Glück, das Stefan Kraft in Garmisch zu erzwingen versuchte. Dass das in einer hochsensiblen Sportart wie Skispringen nicht funktionieren würde, war sonnenklar: Der Salzburger, der sich als "Außenseiter-Favorit" auf den Titel bezeichnet hatte, scheiterte in der Qualifikation. Heute (13.30 Uhr, ORF 1, Ausscheidung) ist ein neuer Tag – mit einer neuen Schanze und einer neuen Chance. Die Tournee übersiedelt nach Österreich. Genauer gesagt auf den legendären Innsbrucker Bergisel, wo der bis zu 22.000 Zuschauern Platz bietende (Hexen-)Kessel pandemiebedingt leer bleibt.
Trotzdem erscheint ein Stimmungsaufheller – Krafts Kumpel Michael Hayböck, der sich kaum einen besseren Ort für sein Comeback aussuchen hätte können. Der 30-jährige Kirchberg-Theninger hält in Innsbruck seit 2015 mit einer Weite von 138 Metern den Schanzenrekord.
Vor exakt 91 Tagen hatte sich Hayböck einer Bandscheiben-Operation unterziehen müssen. Mit Engelsgeduld, vielen Therapieeinheiten und unermüdlichem Einsatz brachte sich der fünffache Einzel-Weltcupsieger so weit in Schuss, dass er sich in der vergangenen Woche mit einem dritten Platz beim Continental-Cup in Engelberg förmlich für eine Rückkehr in den Weltcup aufdrängte.
"Der Bergisel war mein Wunsch, es ist schön, dass es geklappt hat. Ich bin sehr motiviert", sagte Hayböck, der längst noch nicht bei 100 Prozent ist. "Ich muss noch an der Konstanz meiner Sprünge arbeiten, auch mein Fitnesslevel ist ausbaufähig. Ich darf und werde nichts überstürzen." Vom engen Olympia-Zeitfenster – am 4. Februar werden die Winterspiele in Peking eröffnet – lässt sich Hayböck nicht unter Druck setzen. "Wenn es perfekt läuft, traue ich mir dort einen Start zu. Ich lasse alles auf mich zukommen", betont der UVB-Hinzenbach-Athlet, der seinen bis dato letzten Einsatz im Weltcup am 28. März 2021 beim Team-Skifliegen in Planica (Rang drei) hatte.
Jedes Spitzenergebnis kann ein Türöffner für China sein. Österreichs Skisprung-Herren werden mit fünf bis sechs Olympiatickets ausgestattet werden, gesetzt sind derzeit wohl nur die beiden Saisonsieger Hörl und Kraft, der beim Langlaufen den Kopf freizubekommen versuchte. Darüber hinaus schob der 28-jährige Salzburger eine Spezialeinheit in Seefeld ein. "Ich werde den Kopf nicht in den Sand stecken", versprach Kraft.
Der Bergisel ruft
Seit 2013 wartet Österreichs Skisprung-Equipe auf einen Heimsieg auf dem Innsbrucker Bergisel. Damals triumphierte Lokalmatador und Rekord-Weltcupgewinner (53 Erfolge) Gregor Schlierenzauer, der nach seinem Rücktritt im Sommer als Tournee-Analytiker für das ZDF im Einsatz ist. Fünf Athleten – darunter der Waldzeller ORF-Experte Andreas Goldberger (1993, 1994, 1996) – trugen sich hier dreimal in die Siegerliste ein. Titelverteidiger ist der Pole Kamil Stoch, der in Garmisch das Finale der Top 30 verpasst hat.