Gandler: "Von Erinnerungen an die Ramsau können wir uns nichts kaufen"
SEEFELD. Interview: Österreichs Langlauf-Chef war 1999 Teil der Goldbande. Der Tiroler über einstige Heldentaten, Österreichs falschen Zugang zum Ausdauersport und Dopingsünder Dürr.
Die Langläufer dürfen heute bei der 52. Nordischen Ski-WM in Seefeld den Anfang mit dem Einzel-Sprint (12/14.30 Uhr) machen. Medaillen für die Heimischen – zumindest in diesem Bewerb ein fast aussichtsloses Unterfangen. 20 Jahre ist es her, da spielte Österreich in der Ramsau im Konzert der Großen mit. ÖSV-Langlaufchef Markus Gandler im OÖN-Gespräch.
OÖN: Sie waren 1999 Teil der Staffel, die in einem unvergessenen Rennen Gold vor Norwegen holte. Werden Sie heute noch öfters darauf angesprochen?
Markus Gandler: Nein, weil der Sport schnelllebig ist. Eigentlich ist es erschreckend, wie lange das schon her ist, muss ich selbst sagen. Aber natürlich war das damals ein absolutes Highlight für uns alle. Damit konnte davor auch nicht gerechnet werden.
Eine Heim-WM wie damals wird heuer zumindest bei den Langläufern wohl nicht möglich sein. Wie ist Ihre Erwartungshaltung?
Ich bin nicht wie so viele der Meinung, dass unser Team nur aus Teresa Stadlober besteht. Klar ist sie unsere größte Hoffnung. Falls sie ihre gesundheitlichen Probleme vom Jänner überwunden hat, traue ich ihr vieles zu. Aber wir haben etwa auch einen Dominik Baldauf, der diesen Winter schon in den Top-Ten im Weltcup war. Leider war er zuletzt ebenfalls angeschlagen. Der Langlauf ist eine beinharte Sportart mit einer hohen Nationendichte. Und wir haben nicht die Möglichkeiten, die andere Länder haben.
Was meinen Sie damit?
Ich brauche nur unser Schulsystem mit jenem der Norweger oder Franzosen zu vergleichen. Ich höre von meinen früheren Langlauf-Kollegen von dort, dass die Kinder dort wenig Stress haben. Bei uns kommt mir das nicht so vor. In der Schule wird bis zur Matura enormer Stress gemacht, und das ist mit trainingsintensivem Ausdauersport oder Spitzensport generell nur schwer vereinbar. Es wird zwar gern mit Medaillengewinnern posiert. Aber dafür die Grundvoraussetzungen zu schaffen, ist nicht das große Thema.
Was kann man dagegen tun?
Wir haben nicht diese Breite, wie es etwa bei den Norwegern der Fall ist. Doch das muss gar nicht sein. Viel größer ist das Problem, dass viele Kinder heute nicht mehr rausgehen, Fußball spielen bis zum Umfallen oder einfach im Wald herumtollen. Vielen fehlt es dann später an Grundlagen, die früher gar kein Manko waren. Wir erleben heute Jugendliche im Kader, die nicht einmal einen Purzelbaum schlagen können. Das alles aufzuholen, ist schwierig. Wir müssen wieder mehr vermitteln, dass Sporttreiben auch Spaß macht und nicht nur anstrengend ist. Mit unserem Koordinator Trond Nystad setzen wir seit drei Jahren einige Initiativen. Ob die greifen, wird wohl erst mein Nachfolger in zehn Jahren wirklich bewerten können.
Wie sehr schmerzt es Sie, dass der ÖSV bei der Heim-WM keine Damen-Staffel stellen kann?
Klar tut uns das weh, weil wir in Pyeongchang noch geglaubt haben, dass uns das gelingt. Aber dann hörte mit Anna Seebacher eine überraschend auf, Lisa Unterweger erlitt einen Bandscheibenvorfall, und Nathalie Schwarz (Anm.: Gandler ist Firmpatin der Mühlviertlerin) erholt sich gesundheitlich leider gar nicht recht.
Dopingsünder Johannes Dürr wollte für Seefeld ein Comeback wagen. Sind Sie froh, dass er nun nicht dabei ist?
Das war wohl nicht mehr als ein Marketinggag. Einige Aussagen von ihm haben mich sehr erstaunt. Aber man sollte dem Ganzen nicht allzu viel Bedeutung beimessen.
Zur Person
Der Absolvent der Skihandelsschule Stams war 16 Jahre im Skilanglauf-Weltcup aktiv. Markus Gandlers Stern ging 1986 bei der Junioren-WM auf, als er Zweiter über 30 Kilometer wurde. 1998 holte er bei den Winterspielen in Nagano im 10-Kilometer-Bewerb (klassisch) mit Silber hinter dem großen Bjørn Dæhlie die erste österreichische Olympiamedaille im Langlaufsport überhaupt. Ein Jahr später dann der große Karriere-Höhepunkt, als er in der Ramsau mit der ÖSV-Staffel zu Gold lief. Seit 2003 ist er auf Wunsch Peter Schröcksnadels im heimischen Skiverband Direktor für Langlauf und Biathlon.