Um 21.08 Uhr war der silberne "Vinc" schon wieder im Abfahrtsmodus

Jene neun Hundertstel, die Vincent Kriechmayr im WM-Super-G von Åre auf Dominik Paris "aufgerissen" hatte, ließen sich am Abend locker wettmachen. Der Silbermedaillengewinner aus Gramastetten war deutlich schneller zu Hause als der Partytiger aus Südtirol. Um 21.08 Uhr verließ Kriechmayr seine eigene Party im "TirolBerg" und war (spätestens) ab diesem Zeitpunkt schon wieder im Abfahrts-Modus. Wenn das Wetter mitspielt (danach sieht es im Moment überhaupt nicht aus), geht am Samstag (12.30 Uhr) in der Königsdisziplin die Post ab.

Gruppenbild mit WM-Helden

Auf die Frage eines rot-weiß-roten TV-Reporters, ob man dann nicht vielleicht die Medaillenfarben tauschen könnte, ließ sich der zunächst verdutzte Paris nicht aus der Reserve locken: "Vinc ist sehr schnell, ich bin es auch. Wir werden sehen, was passiert." Abseits der Skipisten können die beiden Rivalen übrigens blendend miteinander. Dass Kriechmayr und Paris mit dem "Vinc-Fanclub" für ein gemeinsames Foto posierten, war selbstverständlich.

Bei diesem Anlass durfte natürlich auch keine launige Wortspende des nicht auf den Mund gefallenen Kriechmayr-Cousins "Hias" Undesser fehlen: "Wir wollen ja auch ein Bild mit einem Star, nicht nur mit einem Zweiten. Der Vinc ist nicht umsonst Zweiter geworden, denn er war schon mir in jeder Sportart immer unterlegen – außer beim Tischfußball", grinste der "Hias". Zum Beispiel? "Ja, beim Federball oder auch beim Raufen."

"Vinc", der am Nebentisch sitzt, lauscht mit einem Ohr und lacht sich ins Fäustchen: "Glaub eam ned ois, wos er sogt." Eines nehmen wir dem "Hias" aber sehr wohl ab: "Der Vinc ist ein ganz feiner Kerl, mit dem man viel Spaß haben kann. Aber während der Saison arbeitet er extrem hart, da gibt es vielleicht ein kleines Bier – mehr nicht."

Mit Nachtzug, Fähre und Auto

Auch gestern blieb Kriechmayr seinen Prinzipien treu: "Es wird sich ein Zeitpunkt finden, wo wir gescheit anstoßen können." Ein gemeinsames Abendessen im Kreise seiner Liebsten war für den 27-Jährigen Lohn genug. Mama Gertrudis und Papa Heinrich, die mit Nachtzug, Fähre und Auto nach Schweden gereist waren, saßen neben ihrem "Silber-Jungen": "Es freut mich irrsinnig, dass sie da sind und das miterleben dürfen", betonte Vincent, der sich zur Feier des Tages Buchteln wünschte. Für eine kleine Sachertorte mit dem Zuckerguss "2." war dann im Magen kein Platz mehr. Am besten würde "Vinc" freilich Abfahrts-Gold schmecken. "Ich habe hier schon gewonnen und mag die Strecke. Das Gefühl ist gut, vor allem jetzt, da der Druck, den ich mir selbst gemacht habe, weg ist."

Wenn man Vater Heinrich fragt, ob er stolz auf seinen Sohn ist, bekommt man eine bemerkenswerte Antwort zu hören: "Ich habe drei Kinder – und auf jedes einzelne bin ich stolz. Es ist mir wichtig, alle gleich zu behandeln."

Aber Vincent ist eben derjenige, der im Rampenlicht steht. "Für mich stehen alle drei im Rampenlicht." Also auch Tochter Jacoba und Vincents Zwillingsbruder Rafael, die nicht in Åre sein können, weil auf dem Bauernhof viel Arbeit wartet. "Wir haben eine Landwirtschaft mit 80 Rindern. Das sind Lebewesen, die umsorgt werden müssen", sagt Heinrich. Ihre Tochter Jacoba, die in der World Tour der Freerider in der erweiterten Spitzenklasse unterwegs ist, bekamen die Eltern am Dienstagabend trotzdem zu sehen, sie wurde per Videobotschaft an "Vinc" (mit Kühen im Hintergrund) zugeschaltet: "Wir sand stoiz auf di, mach da kane Sorgen um die Viecha."

Der Fischer-Fahrer erntete viel Beifall, der bei seinem Spalier stehenden Trainer-Team nicht enden wollte. Einer tat sich ganz besonders hervor: Werner Franz, ehemaliger ÖSV-Speed-Rennfahrer (zwei Weltcupsiege), der kryptisch anmerkte: "Vielleicht gibt’s hier noch mehr Applaus für dich."

Klar, dass sich auch ÖSV-Sportdirektor Hans Pum mit Kriechmayr gefreut hat: "Der erste Oberösterreicher seit 18 Jahren, der eine Medaille gewinnt – das ist schon schön. Und dann noch dazu ein Mühlviertler", lächelte der "Macher" aus St. Oswald bei Freistadt, der in der Vorbereitung nichts dem Zufall überlassen hatte: "Bei so einem engen Terminkalender war es klar, dass wir den Athleten die angenehmste Form der Anreise ermöglichen. Wir haben auch zwei eigene Köche mit dabei, es fehlt an nichts."

Ausreichend Vorräte

Auch Oberösterreichs Skipräsident Friedrich Niederndorfer war von Kriechmayrs Silberfahrt angetan – und der Fanclub sowieso. Franz "Franky" Grassmann gab nach der Feier den Chauffeur. Die zwölfköpfige Schlachtenbummler-Crew, der auch Kriechmayrs Tante Romana, die Cousinen Monika, Sabina und Verena, deren Ehemann Erich, die Cousins "Ali" und (natürlich) "Hias" sowie die Nachbarn Birgit, Edith, Dominik und Peter angehören, hat ihr Basislager 25 Kilometer außerhalb von Åre in Ottsjö aufgeschlagen. Dort können sie sich gut selbst versorgen, Lebensmittel und Getränke ließen sie einfliegen. Das letzte Wort hat der "Hias": "Bei uns gibt es mit Sicherheit den größten Gin-Tonic-Vorrat in der Gegend." Das kann nicht schaden. Bis 13. Februar sind die "Vinc"-Fans noch da, weitere Medaillenfeiern ließen sich locker stemmen.