Ein goldenes Solo für die Geschichte
TOKIO. Die Niederösterreicherin Anna Kiesenhofer krönte im Rad-Straßenrennen der Damen eine 137 Kilometer lange Flucht mit dem Olympiasieg.
"Anna wer?", dachten sich gestern wohl viele heimische Zuschauer vor dem Fernsehschirm, als da tausende Kilometer weiter östlich in Tokio eine unbekannte 30-jährige Niederösterreicherin das Radrennen ihres Lebens fuhr. Doch das war keine Schande. Auch ihre hochdekorierten Konkurrentinnen wussten nicht so recht, wie ihnen da geschah. Als völlige Außenseiterin fuhr Kiesenhofer nach 137 Kilometern mit 1:15 Minuten Vorsprung auf die Niederländerin Annemiek van Vleuten und 1:29 auf die Italienerin Elisa Longo Borghini zu Gold. Der historische Überraschungscoup gelang aus diesen Gründen:
Funkloch: Mittels Knopf im Ohr der Fahrer informiert der sportliche Leiter via Funk laufend über Abstände oder gibt Anweisungen, wann der Angriff oder die Einholaktion erfolgen soll – der moderne Radsport funktioniert in gewisser Weise heute mit der "Fernsteuerung" aus dem Betreuerauto. Weltmeisterschaften und auch Olympische Spiele haben sich dieser Entwicklung bislang als Einzige verwehrt. Was Kiesenhofer in die Karten spielte. Lange hatte man im Feld keinen Finger gerührt, um den bis auf fast elf Minuten angewachsenen Abstand auf sie und ihre ebenfalls kaum bekannten Fluchtkolleginnen zu verringern. "Im wichtigsten Rennen in vier Jahren keine Kommunikation zu erlauben, ist nicht professionell", schimpfte Favoritin van Vleuten, die sich irrtümlich bei der Zieldurchfahrt sogar als Siegerin feiern ließ, weil sie Kiesenhofer nicht vor sich wähnte. Dass die Ex-Weltmeisterin aber im Gegensatz zur Einzelkämpferin mit der niederländischen Mannschaft das stärkste Helferteam an der Seite hatte, half ihr gestern auch nichts. Weil Kiesenhofer unorthodox und nicht wie sonst im oft so berechenbaren Radsport zum Erfolg kam.
Unbekanntheit: Die Favoritinnen kennen und beäugen sich. Mit einer Amateurin – Kiesenhofer arbeitet als Mathematikerin an der Hochschule in Lausanne – hatte keine gerechnet. Weshalb man die 30-Jährige gewähren ließ. "Als bekanntere Fahrerin hätten sie mir sicher nicht so viel Vorsprung gelassen, das war auch der Faktor der Überraschung", wusste Kiesenhofer. Im engen Pulk fühlt sich Kiesenhofer, die bislang kaum größere internationale Rennen fuhr, ohnehin nicht wohl. Daher fuhr sie die ersten, neutralen Kilometer bis zum Start auch einige Meter hinter dem Feld. Doch nachdem das Rennen bei 34 Grad Hitze auf dem hügeligen Kurs mit dem Fuji Sanroku (1451 m) als höchstem Punkt freigegeben war, trat Kiesenhofer voll an. Das olympische Motto "Dabeisein ist alles" war ihr diesmal zu wenig.
Mut: Für einen Ausreißversuch dieser Art braucht es auch viel Herz. Mit der Polin Anna Plichta und der aus Israel stammenden Omer Shapira fand sie gute Mitstreiterinnen. Die schüttelte sie dann 40 Kilometer vor dem Ende aber ab und strampelte als versierte Zeitfahrerin beinhart allein ins Ziel. Wie viele Watt sie treten konnte, ohne einzubrechen, wusste die analytisch denkende Mathematikerin zu jeder Zeit genau. Erst auf dem letzten Kilometer verließen die 30-Jährige dann die Kräfte. "Meine Beine waren völlig leer. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so verausgabt, ich konnte kaum noch treten."
Der Rest war heimische Sportgeschichte. Kiesenhofer holte das erste Rad-Olympia-Gold für Österreich seit Adolf Schmal 1896 im Zwölfstundenrennen in Athen.
Kleiner Hinweis am Rande: Kiesenhofer musste sich für das rot-weiß-rote Olympia-Ticket im Mai sogar bewerben. Bei einem kritisierten, internen Ausscheidungsrennen in Tirol suchte sie ebenfalls ihr Heil alleine in der Flucht – und enteilte der heimischen Konkurrenz wie gestern dann der internationalen Elite.
Meine große Freude mit Anna und meine kleine Schadenfreude mit der Niederländerin, die doch wohl etwas zu selbstsicher und arrogant war.
Tolle Leistung und vor allem tolle Fahrt!
Die Art und Weise hat am meisten beeindruckt, einfach ihr Ding durchziehen und nicht das machen was alle anderen machen!
Gratulation!!
ja richtig !
ich vermute dass sie von den Anderen unterschätzt wurde als sie " oghaut " ist , und danach war es zu spät sie einzuholen. 😉
DAS ist der Unterschied zu Tour de France wo ALLES per Funk aus den Autos gelenkt und somit UNATTRAKTIV gemacht wird . 🤢🤢
Hochachtung und Glückwunsch zu dieser ungewöhnlichen Leistung.
es können nur wenige die Anna kennen ,den der Radsport wird in Österreich stiefmütterlich behandelt, ORF sowieso die sind Banausen einzig die Krone und OÖN berichten etwas. Dafür wird im Skisport jede Werbeliftsäule interviewt. schlimm diese Banaussen