Das Herantasten der "Formel anders"
SPIELBERG. Auftakt der Formel 1 in Spielberg: Lewis Hamilton gab im Training das Tempo vor. Sonst ist vieles ungewohnt.
Lewis Hamilton vor seinem Mercedes-Kollegen Valtteri Bottas – und dahinter der Rest. Zumindest das Klassement der gestrigen Trainings für den Formel-1-Auftakt morgen in Spielberg (15.10 Uhr, ORF 1) wirkte vertraut, wenngleich die Aussagekraft der Zeiten freilich überschaubar ist. Denn niemand deckt am Freitag vor dem ersten Rennen seine Karten auf.
"Jeder ist ein bisschen eingerostet", umriss Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff die ersten Eindrücke beim vier Monate verspäteten Auftakt. Die Fahrer mussten sich erst an den Red-Bull-Ring herantasten – und das nicht nur, um das Limit der Boliden auszuloten. "Wir werden definitiv vorsichtig herangehen", hatte McLaren-Teamchef Andreas Seidl explizit als Order ausgegeben. Neun Rennen in elf Wochen, davon die ersten drei am Stück, sind der straffste Saisonstart in der Geschichte der Formel 1. Teams fürchten Lieferengpässe bei Ersatzteilen, auch weil Fabriken Pandemie-bedingt nicht auf Hochtouren liefen. Und die Strecke in Spielberg galt wegen hoher Curbs bisher als Frontflügel-Friedhof. Die milliardenschwere Königsklasse des Motorsports geht wegen Ersatzteilen vom Gas – ein ungewohntes Bild.
Verstappen nicht im Teamhotel
Ungewohnt ist vieles am Formel-1-Auftakt. Die leeren Zuschauerränge und die MNS-Masken der Boxencrews sind unübersehbar. Die sonst vor allem von niederländischen Max-Verstappen-Fans belagerten Campingplätze sind verwaist, meist sogar geschlossen. Anstatt der Zeltstädte prägen heuer Heuballen die Landschaft. Nur einige wenige Hardcore-Fans campieren trotzdem – wohl mit der Hoffnung auf ein klein wenig Formel-1-Atmosphäre. Die Aussichten darauf sind mager. Rund um die Strecke ist weitläufig abgesperrt. Wer keine Akkreditierung hat, wird nicht durchgelassen.
Bildergalerie: Spielberg bereitet sich auf die Formel 1 vor
Galerie ansehenDie rund 2000 beim Rennen beschäftigten Personen wurden in 57 in sich geschlossene Gruppen ("Blasen") sowie hunderte Untergruppen unterteilt. Die Teams bezogen unterschiedliche, eigens für sie reservierte Hotels. Die "Hausherren" von Red Bull Racing quartierten sich im Hotel Steirerschlössl ein. Nur Verstappen nicht. Der zweifache Spielberg-Sieger, dem gestern nach zwei Ausritten fast eine Sekunde auf Hamilton fehlte, übernachtet im Motorhome an der Strecke. Das machte er in der Vergangenheit schon öfter. "Solange ich Internet habe, kann ich damit leben", sagte der 22-Jährige schmunzelnd. Auch dabei: die Playstation. Zum Spielen komme er aber kaum. Zu intensiv sei die Arbeit mit dem neuen Boliden, der ein schwieriges Fahrverhalten zeigt. Zudem wünschte sich Teamberater Helmut Marko mehr PS vom Honda-Motor: "Wir verlieren auf den Geraden Zeit."
Naserümpfen bei den Verfolgern
Technisch lässt das neue "Dual Axis Steering" – kurz: DAS-System – von Mercedes die Wogen hochgehen. Mittels Ziehen und Drücken des Lenkrads können Hamilton und Bottas die Spur der Vorderräder während der Fahrt verstellen und so Reifenverschleiß und Aerodynamik optimieren. Ob das regelkonform ist, ist strittig. "Wir wollen Klarheit über einige Sachen haben", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Gestern wurde Protest eingelegt – ganz im Sinne von Wolff, weil es "dann zu einer Klarstellung der FIA kommt. Jedenfalls wollen wir am Sonntag keine Debatte."
Bildergalerie: Formel-1-Rennen in Spielberg wird vom Coronavirus überschattet
Galerie ansehenAn der eigenen Nase nimmt sich derweil Ferrari. Im Gegensatz zu anderen Teams hat die "Scuderia" ihren Wagen seit der Melbourne-Absage aerodynamisch nicht weiterentwickelt. Sebastian Vettel, der an seinem 33. Geburtstag mit 0,6 Sekunden Rückstand auf die Spitze schnellster Ferrari war, bekommt für seine "Lucilla" erst in Budapest einen verbesserten Frontflügel.
Der morgige Renntag soll mit 29 Grad sonnig und heiß werden. Verhältnisse, die Red Bull in die Karten spielen. Zumindest, wenn es wie gewohnt abläuft. (pue)
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