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Thiem muss stark sein: "Es ist nicht das Ende der Welt"

Von Alexander Zambarloukos   19.November 2019

"Ich denke, dass wir uns beide den Titel verdient gehabt hätten. Ich hätte das Match auch gewinnen können, aber es musste einen Verlierer geben. In solchen Situationen zeigt sich, dass Tennis mental vielleicht der brutalste Sport ist. Ein Tiebreak ist eine 50:50-Geschichte, das hat auch mit Glück zu tun." Die 7:6, 2:6, 6:7-Niederlage im Endspiel-Krimi der ATP-Finals in London gegen den neuen (inoffiziellen) Weltmeister Stefanos Tsitsipas nagt an Dominic Thiem.

Trotzdem nimmt der Weltranglistenvierte viel Positives aus Großbritannien in den Urlaub mit. Und damit sind nicht nur die 1,302 Millionen US-Dollar Preisgeld und die 800 ATP-Punkte für das Ranking gemeint. Es geht vielmehr um die widrigen Begleitumstände, die der 26-Jährige (nahezu) mit Bravour abgeschüttelt hat.

Nach dem dramatischen Showdown ließ der Lichtenwörther tief blicken, was seinen Gesundheitszustand während der England-Woche anbelangte. "Jedes Match war eine Überwindung, ich habe mich phasenweise energielos gefühlt", gestand Thiem. Besonders ernst war die Lage Dienstagfrüh vor dem Wahnsinnsmatch gegen Novak Djokovic in der zweiten Runde der Gruppenphase. "Da ging’s mir dreckig. Ich war mir sicher, dass ich am Mittwoch wieder zu Hause sein würde", erläuterte Thiem: "Aber dann habe ich mir bewiesen, dass ich auch unglaubliches Tennis spielen kann, wenn ich nicht voll da bin. Und daraus nehme ich sehr viel Selbstvertrauen mit."

"Glücklich mit meinem Körper"

Die krankheitsbedingten Schwächephasen in dieser Saison (bei den Australian Open, vor den US Open und jetzt in London) sieht Thiem nicht als Alarmsignal: "Ich vertrage alles, ich bin echt glücklich mit meinem Körper. Es haben alle irgendwann was. Der Mensch ist halt manchmal krank – und das ist auch okay so. Aber ich will bei den großen Turnieren keine Ausfälle mehr haben."

Als Ausrede für das verlorene Endspiel lässt der "Dominator" seinen grippalen Infekt nicht gelten. "Gegen Stefanos hab ich mich am besten gefühlt. Er ist ein würdiger Champion." Noch dazu mit 21 Jahren einer der jüngsten in der Historie der ATP-Finals, die seit 1970 ausgetragen werden. 2001 triumphierte Lleyton Hewitt (Aus) im zarten Alter von 20.

Hätte Thiem gewonnen, wäre das auch statistisch ein "Hammer" gewesen. Der Niederösterreicher hätte mit seinem 50. Saisonsieg seinen bis dato größten Titel erobert. Es wäre sein sechster im Jahr 2019 gewesen, damit hätte er sich zur alleinigen Nummer eins gemacht. So teilt er sich die Spitzenposition mit einem gewissen Djokovic, der auch fünf Trophäen mit nach Hause genommen hat. Darunter sind allerdings zwei hochkarätige (Australian Open, Wimbledon).

Thiem will aber nicht in Selbstmitleid zerfließen, sondern das große Ganze sehen. "Ja, wahrscheinlich ist es meine schlimmste Niederlage, aber es ist nicht das Ende der Welt. Zu 90 Prozent war es eine gute Saison." Mit dem Höhepunkt Wien. Zuvor hatte der "Dominator" auch in Kitzbühel obsiegt. "Das Österreich-Double würde ich nicht gegen den Titel bei den ATP-Finals tauschen, denn es war mit Wahnsinns-Emotionen verbunden", betonte Thiem.

Ein Erfolg auf der allerhöchsten Ebene ist Thiems großes Ziel für die kommende Saison: "Stand jetzt liegt der volle Fokus auf den French Open." Dafür wird er ab Anfang Dezember knallhart unter der Sonne Miamis – im Fitnesstempel von Konditionstrainer Duglas Cordero – arbeiten. "Ich bin happy, wie sich mein Spiel in den vergangenen Wochen entwickelt hat. Aber es geht noch was. Ich weiß jedenfalls, was zu tun ist."

Vor dem Ertrinken gerettet

Der zweimalige Roland-Garros-Finalist ist längst kein Sandplatzspezialist mehr, Thiem kann jedem Gegner auf allen Belägen zusetzen. Das gilt auch für seinen Bezwinger Tsitsipas, der nach seinem Triumphzug völlig geflasht war: "Es sind zu viele Emotionen, um etwas zu spüren. Ich hoffe, dass jetzt viele junge Griechen auf den Geschmack gekommen sind und mir folgen wollen."

Der Mann mit der österreichischen Urgroßmutter hat bei seinem ATP-Finals-Debüt keine Nervenschwäche gezeigt. Vielleicht liegt das auch an einer Nahtoderfahrung vor ein paar Jahren. Stefanos wäre um ein Haar vor Kreta ertrunken. "Ich war kurz davor, mein Leben zu verlieren", blickt Tsitsipas – den Tränen nah – zurück. Dieses prägende Erlebnis hat einiges in der Sicht der Dinge verändert. "Es gibt nicht mehr viel, das mich erschüttern kann."

Pressestimmen zum Endspiel der ATP-Finals

„Kathimerini“ (Gre): „Stefanos Tsitsipas an der Weltspitze!“

„Ta Nea“ (Gre): „Tsitsipas’ mythischer Auftritt erobert London. Es ist der größte Erfolg in der griechischen Tennisgeschichte.“

„Eleftheros Typos“ (Gre): „Großartig, dass du, Stefanos, gekrönt wurdest. Deine Werke sind wahrhaft wundersam.“

„Bild“ (D): „Tsitsipas nach Tiebreak-Krimi Tennis-Weltmeister. Grieche schlägt Ösi Thiem.“

„Neue Zürcher Zeitung“ (Sui): „Ein Grieche auf dem Tennis-Olymp.“

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24. April 2024