Schweres Beben in der Welt der Gewichtheber
BUDAPEST. Ein neuer ARD-Bericht wirft kein gutes Licht auf den angezählten Weltverband.
Veruntreuung von Millionen-Förderungen, Vertuschung von Dopingfällen, korrupte Kontrolleure und noch vieles mehr. Was die neue ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping – Der Herr der Heber" am vergangenen Wochenende zutage förderte, wirft auf den Gewichtheber-Weltverband (IWF) und vor allem seinen greisen Chef Tamás Aján kein gutes Bild. Dem 80-jährigen Ungarn, seit mehr als vier Jahrzehnten in führender Position, wird in dem Beitrag anhand der ARD vorliegender Dokumente vorgeworfen, dem Betrug Tür und Tor geöffnet zu haben.
So sollen fast die Hälfte der 450 Medaillengewinner der Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften von 2008 bis 2017 im Jahr ihres Erfolges keine einzige Trainingskontrolle absolviert haben. "Es gab keine Kontrollen, weil sie wussten, dass die positiv wären", sagte die spanische Gewichtheberin Lydia Valentin, der der Olympiasieg von 2012 nachträglich zuerkannt wurde, weil die drei Erstplatzierten bei Doping-Nachtests noch erwischt wurden.
Zweifel weckt auch, dass die von einem Ungarn angeführte IWF bei vielen internationalen Wettkämpfen die ungarische Anti-Doping-Agentur HUNADO mit den Kontrollen beauftragte. Nur bei der WM 2015 in Houston testete die US-Agentur USADA – trotz Protests der IWF – und erwischte prompt 24 Doping-Sünder. Der ARD-Dopingredaktion liegen auch Hinweise vor, dass von der IWF beauftragte Dopingkontrolleure Geld als Gegenleistung für das Akzeptieren manipulierter Dopingproben angenommen haben sollen. Mit Fremdurin manipulierte Proben sollen sogar von den zu testenden Athleten ähnlich sehenden Doppelgängern abgegeben und von HUNADO-Kontrolleuren übersehen worden sein. Keine andere Sportart hat mehr Betrüger in ihren Medaillenrängen. Alleine bei Nachtests der Spiele 2008 in Peking und 2012 in London wurden 57 Doper überführt, dazu brachte der Film auch auf, dass in einigen Ländern Doping an Minderjährigen Usus ist.
Zudem soll Aján veranlasst haben, Zahlungen vom Internationalen Olympischen Komitee an die IWF – seit 1992 mehr als 23 Millionen Dollar – auf zwei Schweizer Bankkonten zu transferieren, die nicht in den Verbandsbilanzen angeführt waren. "Es hat sich eine Kultur der Korruption breitgemacht", sagt der deutsche Verbands-Chef Christian Baumgartner. Der von der ARD mit der Überprüfung dieser Dokumente beauftragte Schweizer Strafrechtler Mark Pieth sieht in einem Gutachten den Anfangsverdacht für drei Straftaten als gegeben an: Falsch-Beurkundung, ungetreue Geschäftsbesorgung und Veruntreuung. "Was ich gesehen habe, erscheint mir doch sehr, sehr dreist. Dreister als das, was ich bei der FIFA im Fußball gesehen habe", sagte der ehemalige Chef der Reformkommission des Fußball-Weltverbandes. Aján droht nun die Strafverfolgung. Das IOC selbst hat sein "Ehrenmitglied" bisher nur wenig angetastet. Zwar setzte man die Sportart wegen unzähliger Dopingfälle 2017 kurz auf Bewährung. Doch das ist längst Geschichte.
"Lege die Hand für ihn ins Feuer"
Oberösterreichs Verbands-Präsident Gottfried Langthaler sah den Beitrag bisher nicht, doch nach Ausstrahlung bekam er einige Anrufe. Über den heimischen Top-Heber Sargis Martirosjan lässt er nichts kommen. "Er hat im In- und Ausland viele Kontrollen. Für ihn kann man die Hand ins Feuer legen." Der Linzer vermutet aber auch, dass Europas Verbandspräsident Antonio Urso, der im Film schwere Vorwürfe gegen Aján erhebt, nicht ganz uneigennützig handelt. Er war Aján bei der Wahl zum IWF-Chef unterlegen. Das nun könne die Retourkutsche sein. (fei)