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"Ist das der Preis, dass ich Rad fahre?"

Von Reinhold Pühringer, 12. Juni 2019, 00:04 Uhr
"Ist das der Preis, dass ich Rad fahre?"
Eine Schattenseite des Sports: Der Umgang mit Fällen von sexueller Gewalt oder Missbrauch ist stark verbesserungswürdig. Bild: afp

LINZ. Sexueller Missbrauch: Wie der Traum eines ehemaligen Talents zum Albtraum wurde und die Folgen.

Mehr als 20 Jahre liegt es zurück. Wenn sie darüber sprechen muss, zittert ihre Stimme nach wie vor. "Dann ist es, als ob du es wieder erleben würdest. Da drückt es dich fast weg." Stefanie D. (Name von der Redaktion geändert) ist 37 Jahre alt und aus dem Bezirk Kirchdorf. Mitte der 90er begann sie im Alter von 13 Jahren mit dem Radsport und wurde von ihrem damaligen Klub-Trainer sexuell missbraucht. Die von den OÖN heuer aufgedeckten Fälle rund um einen Langlauftrainer gaben D. einen Anstoß, ihre eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Bereits im März öffnete sie sich den OÖN, die sie seither durch die diversen Institutionen wie die Melde-Hotline, Gewaltschutz-Zentren oder in vermittelten Gesprächen mit der Exekutive begleiteten. "Ich möchte, dass meine Geschichte nicht umsonst war. Wenn es nur einem hilft, hat es etwas gebracht."

Ihre Geschichte begann 1995. "Über meinen Papa bin ich damals zu meinem Trainer gekommen, die waren in der gleichen Firma." Er schrieb ihr Trainingspläne, war vom ersten Rennen weg an ihrer Seite. Das introvertierte Mädchen hatte bald großes Vertrauen zu ihrem Coach. "Er hat gesagt: Wenn du blind durch einen Tunnel fährst, dann musst du nur meiner Stimme folgen." In wenigen Jahren bei der Junioren-WM zu starten, lautete damals das große Ziel. Jedoch trübten erste Übergriffe alsbald die funktionierende Zusammenarbeit: In einem Trainingslager in Italien schlief sie nach einer 140-Kilometer-Ausfahrt während einer Oberschenkelmassage ihres Coachs ein. Ihr war, als ob er mit den Händen bis in den Schritt hinaufkam.

D. reagierte darauf verstört, konnte in seiner Gegenwart nichts mehr essen. "Vor meinem ersten Frauenrennen hat er dann gesagt, es geht so nicht weiter, ich muss was essen. Er hat mir den Pullover ausgezogen, mir die Hose ausgezogen und mich dann von oben bis unten begrapscht", schildert D., die rückblickend nur schwer versteht, warum sie sich nicht dagegen gewehrt hat.

Nur wenige Monate später ging der Trainer noch weiter. Bei einem Trainingslager in Florida schlugen die beiden ihr Lager im Haus seiner Tante auf. "Dort haben wir uns ein Doppelbett geteilt, obwohl es eine Couch gegeben hätte." Keine Stunde habe es gedauert, bis es zum Sex kam. D. war damals 14. Von da an habe es für den Trainer kein Halten mehr gegeben. Praktisch jedes Rennen kam es zu Vorfällen. So ging das dahin bis zu ihrem 16. Lebensjahr. "Da fragte ich mich: Ist das der Preis, dass ich Rad fahre?"

D. zog die Notbremse. Psychisch stand sie am Abgrund. "Für mich war das das Ende, ich hatte Suizidgedanken." Ihre Eltern, insbesondere ihre Mutter, halfen ihr auf dem Weg zurück ins Leben.

Keine Kraft für eine Anzeige

D. unternahm mehrere Versuche, mit dem Erlebten fertig zu werden. Mit 17 durchlief sie eine Kurzintervention von Pro Mente. Später studierte sie Psychologie. "Das hat mir sehr geholfen. Ich hatte dadurch eine empirische Bestätigung, dass dieses Wegkapseln meiner Erinnerungen eine natürliche Überlebensstrategie ist." D. gelang es, die Vorgänge in sich zu analysieren, nicht aber die restlose emotionale Aufarbeitung. Sie habe ganz genau gewusst, dass sie wegen der Verjährungsfrist bis zu ihrem 28. Geburtstag Zeit hat, Anzeige zu erstatten. "Aber ich konnte es einfach nicht, hatte damals noch nicht die Kraft dazu."

Erst ein Schlüsselerlebnis rund vier Jahre später brachte ein Umdenken. Mittlerweile selbst Mutter, stand sie nach dem Kinderschwimmen ihrem ehemaligen Peiniger mit einem Mal in der Umkleidekabine des hiesigen Hallenbads gegenüber. Wie sich herausstellte, war dieser nun Schwimmtrainer im ansässigen Triathlon-Verein – er ist es noch heute. Die Anzeige bei der Polizei brachte jedoch nichts. Verjährt sei die Angelegenheit, wurde ihr von einer jungen Beamtin erklärt, die D. nicht einmal aus deren Tagebuch-Aufzeichnungen vorlesen lassen wollte.

Hilfe ist "Glückssache"

Motiviert durch das Outing der ehemaligen Langläuferinnen in den OÖN, unternahm D. heuer einen neuerlichen Anlauf. Nach dem Erstgespräch mit den OÖN erklärte sie sich einverstanden, sich bei der vom Land OÖ eingerichteten Hotline zu melden. Sie wird auch der jüngst installierten Missbrauchskommission zur Verfügung stehen. Ihre Erfahrungen mit den diversen Institutionen fielen unterschiedlich aus. "Bei solchen Beratungsstellen brauchst du Glück, zu den richtigen Leuten zu kommen." Die zuhören, die nachfragen und die vor allem die Welt keinesfalls schönreden würden, wie D. erklärt. "Er (der Täter; Anm.) kann nach wie vor tun, was er will, währenddessen wollte ich mir das Leben nehmen. Da willst du dir nicht erzählen lassen, dass du dein Leben eh schon sehr gut im Griff hast." Bei der Zusammenstellung der Kommission hätte sie sich jemanden gewünscht, der Missbrauch "nicht nur aus Büchern" kennt.

Missbrauch im Langlauf: „Dienstverwendung“ unbefristet verlängert

Im März hatte das Outing von zwei Frauen in den OÖNachrichten hohe Wellen geschlagen. Beide waren in den 1990er-Jahren von ihrem damaligen Langlauftrainer misshandelt worden. Die Reaktionen der Sportfunktionäre waren anfangs suboptimal, zeitverzögert wurde die Politik aktiv, eine Hotline und eine Kommission wurden installiert. Auch die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein, die beiden Betroffenen entschlossen sich, vor den Behörden auszusagen. Das Bundesheer zog den beschuldigten Trainer vom HLSZ im Linzer Olympiazentrum ab und sprach eine 90-tägige „Dienstverwendung“ in Wien aus. Diese lief gestern ab. Heeressprecher Michael Bauer sagte auf OÖN-Anfrage, dass diese Dienstverwendung „einvernehmlich unbefristet verlängert“ worden sei. Eine Rückkehr in die bisherige Funktion würde, während derzeit immer noch Ermittlungen laufen, eine ganz schlechte Optik ergeben.

Hinweise, wonach der beschuldigte Trainer zuletzt wieder häufig in Linz – angeblich auch im Olympiazentrum – gesichtet worden sei, konnten nicht verifiziert werden. Angeblich war er zuletzt nicht an seiner Wiener Dienststelle, sondern im Urlaub. Diese Woche soll er eine dreiwöchige Kur im Mühlviertel antreten. (chz)

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Autor
Reinhold Pühringer
Redakteur Sport
Reinhold Pühringer

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