Highlight bei Sonnenuntergang
NORTH BERWICK. Golfer Bernd Wiesberger erlebte in Schottland einen Karriere-Höhepunkt, dem ein weiterer bei den British Open folgen könnte.
"Habe ich Haggis zwischen den Zähnen?" Golfer Bernd Wiesberger hatte beim Fotoshooting mit der silbernen Siegestrophäe der Scottish Open in North Berwick gut lachen. Und: Nein, der Burgenländer hatte natürlich keine Reste des gewöhnungsbedürftigen schottischen Nationalgerichts aus Schafsmagen zwischen den Beißern. Doch sein Scherz zeigte die Gelöstheit des 33-Jährigen. Eine Gelöstheit, die ihm auf den Weg zu seinem ersten Turniersieg auf der prestigeträchtigen Rolex Series zwischenzeitlich abhanden gekommen war. Mit einer 69er-Runde auf dem Par-71-Kurs hatte er just in der Entscheidung sein schlechtestes Score abgeliefert. "Ich habe den Ball nicht so gut getroffen wie in den ersten Tagen", räumte Wiesberger ein, der sich letztlich im Stechen gegen den Franzosen Benjamin Herbert am dritten Extraloch durchsetzte – und das nicht gerade unglücklich. Herbert "hätte es schon auf den ersten beiden Löchern entscheiden können", sagte der ÖGV-Profi erleichtert.
Vom OP-Tisch zurückgekämpft
Der mit 1,034 Millionen Euro teure Siegerscheck ist der höchst dotierte, den je ein österreichischer Golfer entgegennahm. Für seine zuvor wertvollsten Erfolge bei den Open de France 2015 sowie beim Made in Denmark in Farsö Ende Mai 2019 hatte Wiesberger jeweils 500.000 Euro bekommen.
Im "Race to Dubai", in dem der beste Spieler der European Tour gekürt wird, setzte sich der Burgenländer an die Spitze, in der Weltrangliste sprang er von Platz 83 auf 40.
Ein Höhenflug, der vor einigen Monaten noch nicht abzusehen war. Das Gegenteil schien der Fall: Vor rund einem Jahr hatte sich Wiesberger nach einem gescheiterten Comebackversuch doch einer Operation am Handgelenk unterziehen müssen. Ein Tiefschlag, mit der Sorge verbunden, etwas vom so wichtigen Schlaggefühl einzubüßen. Erst Ende November gelang die Rückkehr auf die Tour – und es lief wie am Schnürchen. "Wenn man bedenkt, in welchen Situationen ich letztes Jahr war, wo ich nicht gewusst habe, was als nächstes passiert, dann schmeckt der Erfolg noch viel süßer", sagte er am Sonntag demütig.
Seine Topform kommt wie gerufen, geht ab Donnerstag doch mit den British Open das letzte Major-Turnier des Jahres im Royal Portrush Club im nordirischen County Antrim über die Bühne. Wiesberger selbst dämpft die Erwartungen an die 148. Auflage des ältesten Golfturniers der Welt, erinnert viel lieber daran, dass er für "The Open", wie das Highlight genannt wird, vor acht Tagen noch nicht einmal qualifiziert war. "Ich nehme alles als großen Bonus, was nächste Woche kommt." Mit seiner momentanen Gelöstheit könnte das ja ein wenig mehr sein.