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Ein glänzendes Handwerk auf goldenem Boden

Von Christoph Zöpfl   01.September 2021

Wenn dem redseligen Walter Ablinger einmal die Worte fehlen, dann muss etwas ganz Außergewöhnliches passiert sein. So geschehen gestern auf dem Fuji Speedway bei Tokio, der sich nach der sensationellen Goldmedaille von Anna Kiesenhofer jetzt auch bei den Paralympics als gutes Pflaster für den österreichischen Radsport erwiesen hat. Im Zeitfahren zum Auftakt der Rad-Bewerbe gab es mit Gold, Silber und Bronze einen kompletten Medaillensatz für das rot-weiß-rote Team. Ablinger brachte dabei mit seinem Handbike ein Goldstück ins Ziel, das alles überstrahlte. Der 52-jährige Innviertler hatte nach einer Hardcore-Kurbelei über 24 Kilometer 1,89 Sekunden Vorsprung auf den deutschen Favoriten Vico Merklein.

Ablinger holt Gold: Rainbach feiert

Walter Ablinger hat am Dienstag bei den Paralympics in Tokio im Einzelzeitfahren die Goldmedaille gewonnen. Seine Familie, der Bürgermeister und die gesamte Ortschaft in Rainbach im Innkreis haben mitgefiebert und dürfen jubeln.

"Ich glaube, solche Momente erlebt man nicht viele in seinem Leben. Das kann man mit Worten nicht beschreiben. Ich bin einfach nur dankbar", sagte Ablinger schließlich nach einem beherzten Rennen, bei dem er den Herzfrequenzmesser seines Handbikes abgeklebt hatte. Dass er sich absolut am körperlichen Limit beziehungsweise schon jenseits von Gut und Böse bewegte, wusste er auch so. "Mehr wäre nicht mehr gegangen, da hätte ich kotzen müssen oder wäre vielleicht gestorben."

Bei der Produktion dieser Goldmedaille haben viele Räder ineinandergegriffen. Im Frühjahr war noch Sand ins Getriebe gekommen, als sich das hoch dosierte Training Ablingers mit den beiden Covid-Impfungen sehr schlecht vertrug. Dem Zeitfahr-Titel bei der Heim-EM in Schwanenstadt folgte ein Harnwegsinfekt samt Fieberschub. Nach der mühsamen Reise nach Tokio schlugen sich die Strapazen der Eröffnungsfeier und eine nicht mehr ganz frische, von daheim mitgebrachte Ration Reis auf den Magen.

Ein glänzendes Handwerk auf goldenem Boden
Gold, Silber, Bronze für Österreichs Handbike-Asse: Ablinger (li.) mit Tom Frühwirth (M.) und Alexander Gritsch

Ein neuer Kranz als Goldgriff

Die Kämpfernatur aus Rainbach im Innkreis brachte Geist und Körper aber rechtzeitig in den paralympischen Wettkampfmodus. Der Wechsel des vorderen Kettenblattes – Ex-Landestrainer Karl Hammerschmid, der in Tokio als Mechaniker bei den Handbikern schraubt, montierte statt dem 50er- einen 48er-Kranz – sollte sich als Goldgriff erweisen.

Dass Ablinger auf einer Rennstrecke gerne Vollgas gibt, hat er schon 2012 in Brands Hatch gezeigt, wo er bei den Paralympics in London Gold und Silber holte. Der Fuji Speedway wurde erneut zum goldenen Boden für das Handwerk des Handbike-Champions, den gestern nicht nur die Medaille, sondern auch eine große Portion Bescheidenheit zierte. "Ich liege ja nur in meinem Handbike und kurble ein bisschen. Aber da stecken so viele Menschen dahinter, die ich jetzt gar nicht alle aufzählen kann, weil das so viele sind", teilte Ablinger seine Freude mit vielen Wegbegleitern – und vervielfachte sie damit. Das Herz, das er bei der Siegerehrung mit seinen Fingern formte, war das Dankeschön an sein goldenes Umfeld. Und die nassen Augen hatten nichts mit der hohen Luftfeuchtigkeit zu tun. Ablinger: "Ich kann gar nicht fassen, wo ich das ganze Glück herhabe."

Die Gedanken des Dalai Lama, die in Buchform in Ablingers Hotelzimmer auf dem Nachtkastl liegen, sind sicher keine schlechte Gebrauchsanweisung für den Umgang mit diesem goldenen Moment, der vergänglich und unvergesslich zugleich sein wird.

Innviertler Bike als Erfolgsgeheimnis

Neben Walter Ablinger strahlten gestern auch Tom Frühwirth und Alexander Gritsch in ihrer Klasse über eine Silber- beziehungsweise Bronzemedaille. Das Goldstück wurde ihnen vom Niederländer Jetze Plat weggeschnappt. Der Ausnahme-Athlet hatte schon am Sonntag im Triathlon vor dem Mühlviertler Florian Brungraber den Titel geholt.

Der gemeinsame Nenner von Ablinger, Frühwirth und Gritsch ist ein Handbike aus dem Innviertel. Es stammt aus der Schmiede von Ludwig Hackinger aus St. Georgen bei Obernberg. Der Ingenieur, der bei der Firma Fill in Gurten beschäftigt ist und selbst mit einer schweren Behinderung konfrontiert ist, hat die Bikes in Eigenregie auf seinem Rechner gezeichnet, konstruiert und entwickelt. Aufgrund von Karbonteilen aus dem Flugzeugbau sind sie nur knapp sieben Kilo schwer. Ein Vorteil, der im Kampf um Medaillen ins Gewicht fiel.

„Im Vergleich zu den Paralympics in Rio war das Bike in Tokio um drei Kilo leichter, außerdem hatten wir durch einen tieferen Schwerpunkt einen Vorteil in den Kurven“, sagte Ablinger, der sich auch bei Frühwirth bedankte, der an der Entwicklung des Bikes maßgeblich beteiligt war. Ablinger: „Er ist ein unglaublicher Tüftler.“

Das vierte Hightech-Bike fuhr gestern der Innviertler Ernst Bachmaier, der gesundheitlich angeschlagen das Zeitfahren vorzeitig aufgeben musste. Ein Mensch, ob behindert oder nicht, ist halt keine Maschine.

Yvonne Marzinke aus Mondsee belegte in ihrer Klasse Platz 13, ihre Teamkollegin Elisabeth Egger aus St. Peter am Wimberg kam bei ihrer Paralympics-Premiere als Zehnte ins Ziel. Die 25-Jährige wird in der Nacht auf Donnerstag mit Ablinger und Frühwirth Österreichs Mixed-Staffel bilden.

Wetterbericht als Drohung

Zuvor steht heute bereits das Straßenrennen auf dem Programm. Der gestrige Wetterbericht für den Fuji Speedway klang wie eine gefährliche Drohung: Nach Österreichs Medaillenregen könnte es Schusterbuben regnen. Die Angriffslust von Ablinger, Frühwirth und Gritsch ist wasserdicht.

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