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"Es geht nicht mehr um Erster, Zweiter, Dritter ..."

Von Christoph Zöpfl, 28. April 2016, 00:04 Uhr
"Es geht nicht mehr um Erster, Zweiter, Dritter ..."
Am Ende seines sportlichen Karriereweges zeigt Christian Pflügl, 37, ein zufriedenes Gesicht. Völlig zu Recht. Bild: chz

GMUNDEN. Christian Pflügl am Ende des Karriereweges: Ein Gipfelgespräch über den Lauf der Dinge.

Heimlich, still und leise hat Christian Pflügl beschlossen, am 8. Mai beim Wings-for-Life-World-Run in Wien sein letztes Rennen als Profi-Läufer zu absolvieren. Im Gipfelgespräch mit den OÖNachrichten verrät der 37-Jährige seine Beweggründe für diesen Entschluss und zieht die Bilanz seines sportlichen Lebenslaufes.

 

OÖNachrichten: Christian, du willst mit diesem Gipfelgespräch dein Karriereende als Leistungssportler öffentlich machen. Welcher Gesichtsausdruck würde denn deine aktuelle Gefühlswelt am besten beschreiben?

Christian Pflügl: Ein Gesicht, das so richtig zufrieden dreinschaut. Natürlich ist auch ein weinendes Auge dabei. Für mich ist diese Entscheidung ein absoluter Lebenseinschnitt. Ich bin mit dem Laufsport aufgewachsen, er war 23 Jahre lang ein großer Teil meines Lebens. Jetzt muss ich einen anderen Weg einschlagen, weil der Körper nicht mehr das hergibt, was er sollte, wenn man auf einem hohen Level hundertprozentig konkurrenzfähig sein möchte.

Das Potenzial, der aktuell schnellste Marathonläufer Österreichs zu sein, hättest du aber schon noch.

Da geht es jetzt nicht mehr um Erster, Zweiter, Dritter ... Es muss irgendwo noch eine Perspektive nach vorne hin da sein, und die war jetzt zum Schluss nicht mehr gegeben. Ich muss ja meinen Lebensunterhalt verdienen und eine Familie ernähren. Meine Prioritäten haben sich zuletzt immer mehr verschoben. Das war keine Entscheidung von heute auf morgen, das ist schleichend gekommen.

Zu wie viel Prozent war bei diesem Entschluss deine Familie entscheidend?

Die Entscheidung habe ich in erster Linie selbst getroffen. Aber die Familie hatte natürlich das größte Gewicht dabei. Meine Frau hat mich vom ersten Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben, voll unterstützt. Sie hat mit mir bei allen möglichen Bewerben mitgelitten. Ich hab‘ mit ihr am Abend einmal das Thema angeschnitten und ihr gesagt: "Du Andrea, ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ich muss etwas anderes machen."

Und deine Frau hat dann spontan gejubelt, oder?

Nein, Jubel war da keiner. Es ist ein gutes Gespräch entstanden, und letztendlich war ich mir sicher, dass mein Entschluss, aufzuhören, der richtige ist.

Hat es die Partnerin eines Leistungssportlers sehr schwer?

Das ist sicher nicht einfach, vor allem für eine Familie ist es mitunter sehr belastend. Da müssen sich alle danach richten. Aber wenn ich gemerkt hätte, dass meine Kinder darunter leiden, hätte ich sofort die Reißleine gezogen. Das war aber nie gegeben.

Wie ist es dir gegangen, wenn du wieder einmal für ein mehrwöchiges Trainingslager von daheim weggefahren bist?

Da hat man natürlich ein schweres Herz, aber du weißt einfach, das ist dein Beruf, so wie wenn jemand auf Montage geht. Diesen Job wollte ich einfach zu hundert Prozent erfüllen. Meine Familie hat gewusst, dass ich für das Laufen gelebt habe, und mich Gott sei Dank immer voll unterstützt.

Du kannst sicher von dir behaupten, dass du ein Mensch bist, der laufend seinen Horizont erweitert hat.

Genau so ist es. Ich bin gelernter Maurer und habe dann in diesen Sport hineinwachsen dürfen. Rückblickend muss ich sagen, wow, das war wirklich eine unglaubliche Erfahrung, für die ich sehr, sehr dankbar bin.

Welche Dinge hast du für das Leben mitgenommen, abgesehen von den vielen Pokalen, Medaillen und Urkunden?

Vor allem habe ich gelernt, wie wichtig es ist, geduldig sein zu können. Stark geprägt haben mich die Eindrücke von meinen Trainingslagern in Kenia. Da erfährt man, um was es im Leben wirklich geht.

Worum geht es denn wirklich?

Es geht um die Einfachheit. Wir leben alle in einem Konsumwahn, haben eine schnelllebige Zeit, der ganze Stress, das macht viele Menschen kaputt. So, wie wir zwei jetzt da sitzen und auf den Traunsee hinunterschauen und miteinander reden – so bin ich oft in Kenia gesessen und habe gewartet. Ob der Bus jetzt um neun Uhr kommt, um zehn oder um elf, ganz egal ... Irgendwann kommt er eh, das ist die Hauptsache. Diese Gelassenheit ist sehr lehrreich.

Warst du jemals eifersüchtig auf die afrikanischen Läufer, die ja genetisch bedingt offenbar besser für diesen Sport veranlagt sind als die Europäer?

Nein, überhaupt nicht. Ich möchte mit keinem tauschen. Da, wo ich leben darf, das ist wie ein Geschenk, das ist Lebensqualität pur. Der Laufsport ist in Österreich zwar sehr populär, aber wenn du wirklich ein Star werden willst, da würde es dir auch kaum helfen, wenn du so schnell wie ein Afrikaner läufst. Da musst du in diesem Land eine andere Sportart betreiben.

Wie wirst du dich offiziell als Lauf-Profi verabschieden?

Das wird der Wings-for-Life-World-Run am 8. Mai sein. Da geht es um einen guten Zweck, außerdem kann man selbst die Länge bestimmen, weil man ja vom Ziel-Auto irgendwann eingeholt wird. Sobald ich stehen bleibe, kann ich sagen, es waren 23 unglaublich schöne Jahre, die da jetzt hinter mir liegen.

Wann bleibst du stehen?

Ich will mich nicht festlegen, weil da würde ich mich unter Druck setzen, und das möchte ich nicht mehr tun. Gewinnen brauch ich nicht, da müsste ich ja 60, 70 Kilometer rennen. Mir geht es um einen würdigen Abgang.

Und dann wird man dich nie wieder mit einer Startnummer laufen sehen?

Nein. Wie gesagt, mit dem Leistungssport höre ich auf, Europameisterschaften oder Olympia sind kein Thema mehr. Aber den einen oder anderen Volkslauf werde ich schon noch bestreiten. In der Szene bleibe ich sicher. Eine Trainertätigkeit könnte ich mir auch vorstellen. Es wäre schön, wenn ich mein Wissen weitergeben könnte.

Spürst du eine Befreiung, weil du deine Lebensweise nicht mehr hundertprozentig an den Spitzensport anpassen musst?

Das regelmäßige Laufen oder eine gesunde Ernährung werden natürlich auch in Zukunft Teile meines Lebens bleiben. Aber ich brauch mir keine großen Gedanken zu machen, wenn wir jetzt miteinander ein Achterl trinken. Diese Leichtigkeit ist schon angenehm. Bisher habe ich für das Laufen alles getan, wir haben an allen Schrauben gedreht, da habe ich alles meinem Sport untergeordnet.

Gmundens Kraftplatz

Viele Wege führen hinauf auf den Grünberg. Der einfachste ist, wenn man sich per Seilbahn „liften“ lässt. Beim sportlich ambitionierten Gipfelgespräch wanderten wir vom Franz’l im Holz hinauf zum Gasthof Grünbergalm, der zum Zeitpunkt unseres Besuchs das Frühlingserwachen erlebte. Im Winter ist das gemütliche Gasthaus normalerweise ein Hot-Spot der Ski-Touren-Geher, heuer gab es auf dem Grünberg allerdings eher eine Gatsch- als eine Schneefahrbahn, was nicht gerade die Geschäfte förderte.

Mit der Inbetriebnahme der Seilbahn hat sich das schlagartig geändert, zumal es neben Speis’ und Trank, dem herrlichen Ausblick von der Sonnen-Terrasse auch einen neuen Abenteuerspielplatz für bewegungshungrige Kinder gibt.

Apropos Bewegungshunger – für viele Besucher ist der Grünberg nicht nur ein Kraftplatz, sondern nur die erste Etappe auf einer längeren Wanderung. Das gilt auch für die Teilnehmer des legendären Traunsee-Bergmarathons (70 km/4500 Höhemeter; heuer am 2. Juli), bei dem die Ersteigung des Grünbergs nach dem Start nicht viel mehr als ein gemütliches „Warm-up“ ist.

Zur Person

Christian Pflügl (geboren am 25. 12. 1978) wuchs auf einem Bauernhof in Niederthalheim auf. Weil er als Nachwuchs-Fußballer zwar schnell rannte, aber nicht ins Tor traf, kam er zum LCAV Doubrava, wo er mit Fritz Baldinger einen Trainer und Förderer fand. Weitere Vereine waren IGLA Longlife und zuletzt der SK Voest. Nach Baldinger trainierte er unter Manfred Pröll und zuletzt mit Willi Lilge.

Seinen ersten Marathon lief Pflügl 2008 in Linz, seine Bestzeit (2:15,58 Stunden) stellte er 2011 in Frankfurt auf. In seinem letzten großen Rennen, dem Marathon bei der EM 2014 in Zürich, erreichte Pflügl Platz 45. Insgesamt hat er auf seinem Karriereweg mehr als 100.000 Kilometer laufend zurückgelegt („Da wird jetzt ein großes Service fällig“).

Pflügl ist seit 2005 mit Andrea verheiratet und hat drei Kinder: Julian (9), Lena Sophie (12) und Laurenz (5). Die Familie lebt in Gschwandt bei Gmunden.

 

 

 

 

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