Biathlet Christoph Sumann: „Das will ich meinen Kindern nicht antun“

Von Marlies Czerny   18.November 2011

OÖN: Wie geht’s deinen* Kindern, wenn du jetzt wieder so viel unterwegs bist?

Sumann: Als sie noch klein waren, war das nicht das Problem. Je älter sie werden, desto schwieriger wird es. Meine Tochter leidet ziemlich darunter. Sie will endlich, dass ich mit dem blöden Biathlon aufhöre, auch wenn es ihr Spaß macht. Im Sommer nehme ich mir die Freiheit, dass ich nur begrenzt auf Trainingskursen bin, aber im Winter ist es ein Problem.

OÖN: Du bist quasi ein Halbjahres-Daddy…

Sumann: Sozusagen. Die Lea meint, ich soll doch einen anderen Job machen. Friseur oder Feuerwehrmann, was ihr grad einfällt.

OÖN: Warst schon mal bei einem Elternsprechtag?

Sumann: Nein, das übernimmt meine Frau. Aber es ist ohnehin meine Mutter die Lehrerin meiner Tochter – es ist eine kleine Schule, in einem kleinen Ort.

OÖN: Das birgt wohl Konfliktpotenzial...

Sumann: Ja gezwungenermaßen. Aber für die ersten zwei Volksschuljahre ist das okay. Ich hatte selber meine Mutter schon als Lehrerin. Aber ich bin definitiv nicht bevorzugt worden.

OÖN: Ab wann hat dich deine Familie mehr als der Biathlon?

Sumann: Die WM 2012 in Ruhpolding, da bin ich 36 Jahre, das wird ein guter Zeitpunkt, um zu gehen. Es wird die größte Biathlonveranstaltung, die es je gegeben hat, meine Lieblingsstrecke, super.

OÖN: Bremst oder pusht der Österreichische Skiverband euch Biathleten eher?

Sumann: Viele Jahre lang waren wir geduldet und Mitläufer. Aber mittlerweile hat der ÖSV auch gesehen, dass wir in Sachen Wirtschaftsdienst eine größere Rolle spielen. Wir haben jahrelang von den Alpinen finanziell profitiert. Jetzt können wir uns selber erhalten, sind auf einem guten Weg.

OÖN: Wie zufrieden bist du mit Hans Pum als Chef über alle Sparten, somit auch über euch Biathleten?

Sumann: Für ihn ist es wohl ein schwieriger Job, in den er sich noch einarbeiten muss. Der Hans ist ja auch ein Alpiner, hatte immer nur mit ihnen zu tun. Er hat zu wenig Know-how im Speziellen, dass er sich wo einmischen wird. Er hat seine Leute, denen er vertraut. Eingreifen wird er nur, wenn es brennt und er helfen kann. Bei uns gibt es aber kein Potenzial, wo man etwas ändern müsste.

OÖN: Wenn du einen rennfreien Tag hast, wo zappst du eher hin – zu den Alpinen oder Skispringern?

Sumann: Ich schaue mir beides an. Daheim an einem freien Tag verbringe ich die Zeit sicher nicht vor dem Fernseher, das will ich meinen Kindern nicht antun. Und auch nicht das Golfspielen, auch wenn das einmal ein Hobby werden könnte. Wenn ich daheim am Golfplatz vorbeifahre, sind zu 80 Prozent Pensionisten unterwegs, das läuft mir also nicht davon.

OÖN: Bist du auf Facebook registriert?

Sumann: Nein, ich verabscheue es. Ich finde das Offenlegen von so viel Persönlichem an Leute, die man nicht kennt, abnormal. Ich stehe eh den ganzen Winter in der Öffentlichkeit, in den Medien, im Fernsehen, da will und muss ich nicht sämtlichen Scheiß, der mir tagtäglich passiert, kommentieren. Und wen interessiert das auch? Ich prostituiere mich sicher nicht privat. Mich wird’s auf Facebook nie geben, definitiv.

OÖN: Dabei könntest du viel erzählen und nimmst dir auch in Interviews nie ein Blatt vor den Mund…

Sumann: Ja, es gibt so viele Sportler, die reden und nichts sagen – und wo einfach nur Kloake zum Vorschein kommt. So verschwende ich doch meine Zeit, die Zeit des Interviewenden, die von allen anderen. Wenn ich etwas anschaue, will ich etwas erfahren, was nicht alltäglich ist. Wenn ich nichts zu sagen habe, dann sage ich: Mir ist nach keinem Interview, ihr wisst eh alles.

OÖN: Wann geht dir der Schmäh aus?

Sumann: Die Frage kann ich nicht beantworten… Aber ich kann auch ein launischer Typ sein. Wenn etwas nicht so läuft, unterm Strich Nüsse herauskommt, dann werd ich auch grantig.

OÖN: Wen lässt du das spüren?

Sumann: Früher jeden. Wenn du eine Familie hast, bist du verantwortlich für sie, das sehen viele nicht. Schlecht laufen heißt auch, kein Geld zu verdienen. Das ist ja ein Job wie jeder andere. Bin ich gut, kann ich gut verdienen – wenn nicht, dann nicht. Früher hab ich oft den ganzen Frust mit nach Hause genommen. Aber Gott sei Dank hab ich es geschafft, das abzulegen. Das war unfair der Familie gegenüber. Wenn ich jetzt heimkomme, bin ich nicht der Superstar, der Medaillengewinner, sondern der Papa. Die zwei interessiert es einen Scheißdreck, ob ich gewonnen hab. Da gilt es jetzt zu spielen.

 

Der Mensch: Sumann, kein Buhmann

Als der Steirer zum Auftakt bei der WM 2009 eine Strafrunde vergessen hatte, schleuderte er aus Frust sein Gewehr durch die Luft. „Kühlschrank auf, Bier auf – zisch, passt“, lautete seine Verdrängungstaktik. Dem Tief folgten zwei zweite WM-Plätze (Massenstart, Staffel). Bei Olympia 2010 in Vancouver versilberte er wieder seine Langlauf- und Schussleistung in Verfolgung und Staffel. Sumann lebt seit 13 Jahren mit Ehefrau Katrin in Frojach (Bezirk Murau) zusammen. Ihre Kinder: Lea (7) und Felix (1). Was, wenn der Sieger von fünf Einzel-Weltcuprennen genug hat vom Biathlon? „Ich hab einen Job als Polizist am Flughafen in Graz, ich könnte dort morgen anfangen.“

Der Weg: Wen Sumann auf dem Göblberg am liebsten zum Mond schießen würde

Wer einen Sonntagsspaziergang plant, ist am Göblberg (801 m) richtig. Wer dann einen Weggefährten wie Christoph Sumann dabei hat, kommt sogar außer Atem – vor Lachen. Vom Wirt z’Hoblschlag in Frankenburg führt uns der Weg eine Viertelstunde über einen sanften Bergrücken durch Wald zum Höhepunkt des Hausrucks. Ums Eck in Lohnsburg trainierte Sumann, so war unser Ziel naheliegend. Sein Eintrag ins Gipfelbuch („nach mühsamem Aufstieg“) ist schmunzelnd zu verstehen. Die einzige Schlüsselstelle sind hinterlistige Wurzeln, die sich aus dem Waldboden bohren.

„Darf ich nur einen sagen?“, erwidert Sumann die Frage, wen er am liebsten zum Mond schießen würde. Dann überlegt er doch lange, als wir auf den 35 Meter hohen Aussichtsturm mit seinen 210 Stufen steigen. Der Dieter Bohlen? „Nein, der ist super. Mir fallen viele Politiker ein, da bräuchte ich ein Sammel-Katapult zum Mond. Scheinbar hat jeder Dreck am Stecken“, schießt er los. „Und so Typen aus der Society, ein Richard Lugner etwa, der muss sich immer zum Affen machen. Das ist die komplette Seelenprostitution.“ Auch Sportkollegen gehen ihm auf den Senkel, mit Namen spart er. „Aber Markus Rogan ist schon ein Sonderfall.“

Unser Blick schweift über das Innviertel bis nach Bayern. Fast täglich bekommt Sumann Fanpost – die meiste von den Deutschen und aus Russland. „Im Vergleich zum Schlieri und Morgi ist die Post sicher nur im Promillebereich.“ Apropos Promille: Bei der Einkehr auf dem Rückweg prosten wir mit einem Schilcher-Sturm an. „Ein guter Steirer“, sagt Sumann. Ob er sich selbst damit meint? Beim Saisonstart am 30. November im schwedischen Östersund kann er zeigen, wie gut er ist.