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"Bewegungsarmut ist eine tickende Zeitbombe"

Von Christoph Zöpfl, 16. September 2015, 00:04 Uhr
"Bewegungsarmut ist eine tickende Zeitbombe"
Er schlägt als Obmann der Linzer Zehnkampf-Union eine Brücke von der Theorie zur Praxis: Roland Werthner Bild: Weihbold

Unsere Kinder werden immer dicker und unbeweglicher. Roland Werthner zeigt Wege auf, wie man den Trend umkehren könnte.

Der Linzer Sportwissenschafter Roland Werthner will, dass sich etwas bewegt. Nicht nur auf dem Sportplatz. Ein Gespräch über die österreichischen Sportstrukturen und eine oberösterreichische Vision namens "Bewegungsparadies".

 

Wie ist der aktuelle Status quo des Sports in Oberösterreich, und welchen Stellenwert soll der Sport in der Gesellschaft haben?

Werthner: Es ist immer wieder faszinierend, wie viele Anhänger jede Sportart und auch die nicht offiziell anerkannten Bewegungsformen auch in Oberösterreich haben und wie viele Personen sich hier enorm engagieren. Österreich ist aber kein Vorbildland, wen es um das "Sich-selber-Bewegen" geht. Vor allem die jungen Oberösterreicher leben schon mehr in den virtuellen Welten der Computerspiele, Handy-Apps und Internetapplikationen. Faktum ist leider: Die Bewegungs-Leistungsfähigkeit auch der oberösterreichischen Bevölkerung nimmt von Jahr zu Jahr ab.

Läuten bei Ihnen die Alarmglocken, wenn Sie diese Entwicklung verfolgen?

Ich habe vor 20 Jahren ein sportmotorisches Talent-Diagnosesystem entwickelt und europaweit tausende Kinder und Erwachsene auf ihre motorischen Fähigkeiten getestet. Das Nicht-Bewegen oder Zu-wenig-Bewegen ist eine tickende Zeitbombe, die ich sehr bewusst wahrnehme. Die Folgen werden sehr teuer: Zunahme von Unfällen aufgrund koordinativer Schwächen, Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose ...

Welche Bewegungsinitiativen würden Sie für Oberösterreich empfehlen?

Attraktive Motorikparks in allen Gemeinden; Bewegungsspezialisten in Kindergärten und Volksschulen; Stärkung und Professionalisierung der Vereine mit Schwerpunktsetzung in der professionellen Nachwuchsarbeit; Aufbau eines landesübergreifenden Netzwerks von Bewegungsmultiplikatoren beziehungsweise Unterstützung von guten privatwirtschaftlichen Bewegungsinitiativen auch außerhalb der Dachverbandsstrukturen.

Scheitert die Umsetzung dieser Konzepte an den finanziellen Rahmenbedingungen?

Das Landesbudget für den Sport liegt bei 16,2 Millionen Euro – im Vergleich dazu bekommt die Kultur 180 Millionen. So wertvoll das dort ausgewiesene Musikschulwesen ist, im Sport fehlt eine derartige professionelle Struktur. Das Budget ist auch eine Botschaft. Man kann sich nicht immer auf die Ehrenamtlichkeit zurückziehen.

Ist die Ehrenamtlichkeit in unserer Gesellschaft nicht ohnehin schon ein Auslaufmodell?

Ohne Ehrenamtlichkeit, die ja auch immer von einer hohen intrinsischen Motivation der handelnden Personen begleitet wird, wird es auch in Zukunft nicht gehen. An der Bundessportakademie bilden wir jährlich hunderte Instruktoren und Trainer aus. Diese mehrwöchigen Ausbildungen boomen, obwohl nachfolgende Verdienstmöglichkeiten im Sport kaum vorhanden sind. Viele gute Leute gehen uns aber gerade deshalb auch verloren, weil es im Sport für junge Sportpädagogen und Sportwissenschafter kaum die Möglichkeit eines beruflichen Existenzaufbaus gibt. Für jede Sportstätte ist die Finanzierung eines Platzwartes möglich. Für die sportliche Belebung gibt es viel zu wenig Geld.

Sie befanden sich in den 1990-er-Jahren als Büroleiter des Sportministers praktisch im Vorzimmer der Macht. Wie betrachten Sie das politische Kräftespiel jetzt von der Außenposition?

Ein sportkompetenter Minister in einem eigenen Sportministerium könnte in relativ kurzer Zeit wirklich etwas bewegen. Als "Sportkompetenz" reichen aber das ein wenig Tischtennis-spielen-Können und der Besuch von Fußball-Länderspielen nicht aus. Ich erwarte mir hier eine Leitfigur mit Visionen und klaren Zielvorgaben.

Was halten Sie vom "Projekt Rio"?

Ohne ein gut durchdachtes Nachwuchs- und Hochleistungs-Gesamtkonzept ist das eine Last-Minute-Aktion und politischer Aktionismus. Kurz vor den Olympischen Spielen ist auf einmal fast alles möglich. Da haben viele Verbände und Athleten Probleme, noch sinnvolle Fördermaßnahmen zu erfinden und abzurechnen.

Eigentlich sollten wir die Lage des Landes besprechen, einige Leser werden sich denken, die reden ja nur über Sport ...

Wie viele Leute starten das Zeitunglesen mit dem Sportteil? Gute Sportstrukturen und Erfolge von oberösterreichischen Mannschaften und Sportlern stärken sicherlich die nationale und regionale Identität. Zusätzlich sehe ich sehr wohl aber die vielen positiven gesundheitlichen Wirkungen des Sports. Auch für jeden Oberösterreicher gilt: Der Körper ist nicht nur das Stativ für den Kopf. Es geht schon darum, dass wir nur dann halbwegs komplett sind, wenn Geist und Körper funktionieren.

Wenn wir uns vor der nächsten Landtagswahl wieder treffen, wird die Zeitbombe der Bewegungslosigkeit immer noch ticken?

Gute Frage. Ich glaube, es bräuchte ein Gesamtkonzept, einen ganz großen politischen Willen und viele vernetzte Initiativen, um eine Trendumkehr zu schaffen. Das dürfen keine Ankündigungen oder exemplarische Vorzeige- oder Fassade-Projekte sein. Oberösterreich könnte in Europa eine Bewegungs-Vorbildregion, ein Bewegungsparadies werden.

Zur Person

Roland Werthner war Leiter eines Leistungssport-Gymnasiums in Salzburg, Kabinettchef im Sport-Staatssekretariat, ist der Erfinder der „Motorik-Parks“, bildet an der Bundessportakademie in Linz Trainer aus und ist Obmann und Trainer des erfolgreichen Leichtathletik-Vereins Zehnkampf-Union.

 

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8  Kommentare
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adaschauher (12.083 Kommentare)
am 16.09.2015 11:00

Die Sportartikelindustrie setzt im Jahr ca 4 Milliarden Euro um, also alle müssen laufen und sporteln. Das unsere Kinder durch elektronische Medien, total überforderte Eltern zum Teil nicht einmal mehr fähig sind normal zu sprechen lesen und zu schreiben stört Herrn Werthner natürlich nicht. Die Therapie ist ganz einfach: Sport, Sport und nochmal Sport also Leistung!
Das so neben bei aus dieser Überforderung nicht nur das Gewicht steigt sondern auch der Gebrauch von Psychopharmaka stört den Herrn Ex-Spitzensportler natürlich auch nicht, sondern da hilft auch wieder nur Sport, Sport !

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capsaicin (3.848 Kommentare)
am 16.09.2015 10:14

für einige wenige ist das "sich-regelmäßig-sportlich-betätigen-GEN" ein must-have, eine lebenseinstellung !

außerdem braucht es bei vielen sportarten keine trainer, besondere vorkenntnisse oder spezielle infrastrukturen/trainingsgeräte.

z.b. radln, joggen, schwimmen, gymnastik, etc., können überall & jederzeit ohne großem finanziellen aufwand betrieben werden.

conclusio: selbst täglich mit dem inneren schweinehund gassi gehn --> ist besser als nix...

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linzerleser (3.633 Kommentare)
am 16.09.2015 08:38

ein Beispiel aus der Praxis. z.b. einige Tennis Vereine erhalten Förderungen bis zu 70.000 € . Aber Förderung talentierter Kinder wird finanziell überhaupt nict unterstützt. Kindertrainings muessen Eltern selber zahlen wenn es überhaupt Kindertraining gibt. Da fragt man sich wo das ganze Geld hinfliesst wenn man als normales Tennismitglied auch noch gleich viel Mitgliedsbeitrag zahlt wie bei einem Verein ohne jede Förderung.
Da scheint doch so einiges nicht im Rechten zu liegen oder?

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Einheizer (5.398 Kommentare)
am 16.09.2015 07:08

Kann schon sein dass der Sport zu wenig finanzielle Mittel erhält, die ( hauptamtlichen ) Sportfunktionäre sicher nicht. Was machen die Leute bei UNION, ASKÖ und ASVÖ eigentlich ? Wir haben die 66 Fachverbände in Österreich, die Bundessportorganisation , das ÖOC und andere, das sollte genügen.
Selbst ein mir persönlich bekannter Präsident eines Fachverbandes konnte mir den Zweck der Dachverbände nicht erklären....
Also liebe Dachverbände ,für was seid ihr gut ?

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Roman_H (116 Kommentare)
am 16.09.2015 06:56

"Das Landesbudget für den Sport liegt bei 16,2 Millionen Euro – im Vergleich dazu bekommt die Kultur 180 Millionen."

Liebe OÖN!
Kann Ihre Redaktion diese Zahl nachvollziehen/bestätigen? Gefühlt (also in meiner subjektiven Empfindung!), bekommt der Sport viel mehr als die Kultur. Ich unterstelle - ohne es zu wissen - dass hier evtl. in den 180 Mio. auch anteilige Errichtungskosten für z.B. ein Musiktheater enthalten sind. In den 16,2 aber ausschließlich die "Betriebskosten" der zahlreichen Sportstätten?

Danke! grinsen

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Einheizer (5.398 Kommentare)
am 16.09.2015 06:19

Die Kinder bekommen Geld für Muffins u.ä. in die Schule mit, bekommen Geld für Industrieeis im Sommer. Bei Geburtstagspartys für die Kleinen gibt es dann Fressspiele wie Schokoladewettessen etc. Am Wochenendee fahren die lieben Eltern dann statt in die Natur zum Wandern oder Radfahren mit den Kleinen in die Einkaufstempel. Dort wird der Nachwuchs wiederum gemästet und praktischerweise gleich zu Konsumidioten erzogen während die ebenfalls fettleibigen Eltern fressen und saufen. Anschließend werden Unmengen an fetten Fertigpizzen und ähnliches Zeugs im Kofferraum verstaut, schließlich will man auch zu Hause nicht kochen, denn das hieße ja Hirn einschalten. Anschließend beim Vorabendprogramm im TV stopft man sich dann mit Chips und aderem Klumpert voll. All das nennt sich dann Erziehung der Kinder !

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silver (261 Kommentare)
am 16.09.2015 06:46

trifft es genau auf den punkt
ich bin bestens ausgebildet hab vor zwei wochen den trainergrundkurs fertig gemacht der mich da ich in diesen 6 wochen nichts verdient habe ca 10.000 euro gekostet hat... und ich werde mit dieser ausbildung in oö niemals auch nur einen cent verdienen weil keiner für einen ausgebildeten trainer zahlt.. aber die kinder rennen uns die türe ein und der bedarf wäre mehr als da... aber eigentlich bin ich ein vollidiot sowas durchzuziehen... aber von gratis am sportplatzstehen kann man leider nicht seine rechnungen zahlen...

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 16.09.2015 08:11

oh, sie verscherzen es sich aber mit den "gustierern", denn die fressen und saufen nicht, sie genießen und erziehen die kinder gleich dazu, es ihnen nachzumachen....kommt aber das gleiche heraus .. grinsen

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