Ein Rekordläufer, der nicht davonlaufen kann
LINZ/KIEW. Der Bestzeithalter des Linz-Marathons blieb in Kiew zurück, während seine Familie auf der Flucht in Linz durchatmen konnte.
Zwei Stunden, sieben Minuten, 33 Sekunden. In dieser Weltklassezeit gewann der Ukrainer Alexander Kuzin am 15. April 2007 den Linzer Marathon. Es war der Lauf seines Lebens. Der Streckenrekord gilt noch heute. Für Kuzin haben sich die Zeiten seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine allerdings dramatisch geändert. Der 47-jährige Polizei-Sportler kämpft derzeit in Kiew nicht um Rekorde, sondern ums Überleben. Seiner Familie ist in den vergangenen Tagen die Flucht gelungen. Linz war dabei ein nicht unwichtiges Etappenziel.
"Ich bin mit Alexander in den vergangenen Jahren immer in Kontakt geblieben. Als die Lage in der Ukraine heiß wurde, habe ich angeboten, dass ich ihn und seine Familie an einer Grenze zur Ukraine abhole. Egal wo, ich wäre hingekommen", sagt Ewald Tröbinger, der langjährige Organisationschef des Linzer Marathons. Kuzin ersuchte schließlich um ein Quartier für seine Frau, seine beiden Kinder und die Familie seiner Schwester, die vorige Woche gemeinsam aus Kiew geflüchtet sind. Der Rekordläufer selbst konnte (oder wollte) nicht mehr davonlaufen, da "wehrfähige" Männer bis 60 Jahre die Ukraine seit Kriegsbeginn nicht mehr verlassen dürfen. Die achtköpfige Flüchtlingsgruppe erreichte schließlich nach einer mehrtägigen Odyssee über Rumänien am Sonntag Linz, wo sie nach Tröbingers Vermittlung und Roman Gassenbauers Hilfe in dessen Sommerhaus-Hotel übernachten und endlich einmal tief durchatmen konnte.
Ein Rekord als Visitenkarte
"Sie waren acht Tage auf Achse und freuten sich wirklich über die Zimmer und vor allem das Frühstücksbuffet", sagt Tröbinger. Kuzin sagte seiner Frau beim Abschied noch, dass sie seinen Kindern unbedingt den Linzer Hauptplatz zeigen soll, wo er 2007 den Marathon-Rekord gelaufen ist. Dieser Wunsch konnte in der Eile – das Ziel der Flucht waren Bekannte in Deutschland – leider nicht erfüllt werden. Dass der Linzer Hauptplatz für Kuzin ein besonderer Ort ist, erklärt Tröbinger so: "Seine Weltklasse-Zeit von damals ist nicht nur eine hervorragende Visitenkarte für den Linzer Marathon, sie hat auch Alexanders Leben stark beeinflusst." Kuzin gilt in der Ukraine als Lauf-Legende, seine Frau Tatiana hat als ehemalige Zweitplatzierte des New-York-Marathons ebenfalls als Ausdauersportlerin einen langen Atem bewiesen.
Hoffnung auf ein Wiedersehen
Gemeinsam betreuen die beiden im "Kuzin Team – Marathon Club Taras Bulba" ambitionierte Hobbyläufer und Talente. Zuletzt war Kuzin Anfang April 2017, zehn Jahre nach seinem Streckenrekord, mit einer 30-köpfigen Läufergruppe in einem Bus von der Ukraine zum Marathon nach Linz gereist. Das Kuzin-Team gewann damals das Staffelrennen.
Auch heuer ist ein Start geplant, wenn am 23. Oktober der 20. Linzer Marathon ausgetragen wird. In seiner letzten WhatsApp-Nachricht an Tröbinger bedankte sich Kuzin für die Hilfe und schrieb, dass er sich schon auf ein Wiedersehen im Oktober in Linz freue. Es ist ihm und seiner Familie sehr zu wünschen, dass der Lebenslauf des Linzer Rekordmanns Alexander Kuzin tatsächlich diese Richtung nehmen kann.
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