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Frankreich im Freudentaumel: "Feiern den ganzen Sommer"

Von nachrichten.at/apa   16.Juli 2018

Frankreichs Teamchef Didier Deschamps setzte gerade zur ersten Antwort an, da stürmten seine vom Glück berauschten Spieler die Pressekonferenz. Sie sprangen auf das Podium, grölten, tanzten und verspritzten Getränke. Der Weltmeistertitel nach einem denkwürdigen 4:2 im Endspiel gegen Kroatien wurde euphorisch und standesgemäß - mit Champagner - gefeiert. Auch das gläserne Präsent für den zweiten WM-Titel für Frankreich hatte gelitten. "Sie sind jung, sie sind ein bisschen verrückt", sagte ihr breitgrinsender Teamchef, dem selbst ein historisches Kunststück gelungen war: Der 49-Jährige ist mit dem Brasilianer Mario Zagallo und Franz Beckenbauer der dritte Fußballer, der als Spieler und Trainer Weltmeister wurde.

"Im Moment wissen meine Spieler noch nicht, was es bedeutet, Weltmeister zu sein", erklärte Deschamps, der vor 20 Jahren bei der Heim-WM als Spieler den Goldpokal in die Höhe stemmen durfte. Frankreichs 1998er-Generation erreichte Legenden-Status. Deschamps über seine nunmehrigen Schützlinge: "Sie werden auf immer und ewig als Weltmeister in Erinnerung bleiben. Es gibt in dem Beruf nichts, was drüber steht."

Angeführt von "Man of the Match" Antoine Griezmann hatte Frankreich im torreichsten Endspiel seit 1966 das abgeliefert, was die Equipe bereits in den vorherigen Spielen angedeutet hatte: Hinten schwer zu bezwingen, und vorne jederzeit für einen Treffer gut. Deschamps kalkuliertes Risiko mit einem gegen Kroatien noch defensiveren Kylian Mbappe ging auf.

Video: ORF-Korrespondentin Eva Twaroch über die Grand Nation nach dem WM-Erfolg.

 

"Ich bin so glücklich. Unsere Ambition war es, zu gewinnen", jubelte der zum besten Jungprofi des Turniers gekürte Mbappe. Dank seines Tores zum 4:1 stieg der Youngster von Paris Saint-Germain mit 19 Jahren und 207 Tagen zum zweitjüngsten Torschützen der WM-Final-Geschichte nach Brasilien-Legende Pele 1958 auf. "Jetzt feiern wir, und wir werden den ganzen Sommer feiern. Es gibt eine Zeit für alles - in ein paar Wochen werden wir dann wieder mit der Arbeit beginnen können."

 

Offensivkollege Griezmann wähnte sich nach dem Erreichten kurz im falschen Film. "Ich weiß gar nicht, wo ich bin", sagte der vierfache Turnier-Torschütze. "Das Herz ist glücklich. Wir haben es geschafft, den Pokal nach Frankreich zu holen", fügte er an.

Mehr über Frankreichs Weltmeistermacher Didier Deschamps

Lehren gezogen

Das vermeintlich talentierteste Team dieser WM hatte 55 Tage zusammen verbracht. "Es hat nicht ein Problem gegeben", erzählte Deschamps. Aus der Final-Niederlage gegen Portugal bei der Heim-EM vor zwei Jahren hätte seine Truppe gelernt. "Es war so, so schmerzvoll, vor zwei Jahren nicht den EM-Titel zu holen. Aber vielleicht wären wir jetzt nicht Weltmeister, hätten wir es damals geschafft."

Deschamps Zug, bei der Kader-Nominierung auf viele prominente Namen wie Anthony Martial (Manchester United), Karim Benzema (Real Madrid) oder Adrien Rabiot (PSG) zu verzichten, erwies sich als goldrichtig. "So wie wir dieses Team aufgebaut haben, war der Wille, es gemeinsam zu schaffen, das Entscheidende", sagte Deschamps nun.

Das Eigentor von Mario Mandzukic (18. Minute), Griezmann per Handelfmeter (38.), Paul Pogba (59.) und Mbappe (65.) stürzten die Millionen Fans in der Heimat endgültig in den blau-weiß-roten Party-Rausch. Binnen Minuten nach Abpfiff der Partie strömten Zigtausende Fußballfans auf die Champs-Elysses und verwandelten sie in eine Feiermeile voller Frankreich-Fahnen. Überall war der Sprechchor "On est les champions" ("Wir sind die Champions") zu hören. "Der Weg zum Titel war weit, aber wir sind sehr stolz darauf, dass wir die Franzosen glücklich machen konnten, damit sie ihre Alltags-Sorgen vergessen können", sagte Mbappe.

"Wir waren klar die bessere Mannschaft"

Kroatien hat den Sprung auf den Fußball-Gipfel verpasst. Die Enttäuschung war in den ersten Stunden nach der 2:4-Niederlage im WM-Finale gegen Frankreich bei den "Feurigen" klarerweise riesengroß. Doch Ivan Rakitic, Luka Modric und ihr Überraschungstrainer Zlatko Dalic verließen die größte Fußball-Bühne der Welt erhobenen Hauptes.  "Wir sind sehr traurig, aber auch sehr stolz", fasste Dalic die kollektive Gefühlslage zusammen. Modric, der zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde, wollte nichts bedauern. "Sie werden feiern, aber wir können erhobenen Hauptes sein", sagte der klatschnasse Spielmacher. "Du weißt, dass du trotz der Niederlage etwas Großes erreicht hast, aber es ist hart, wenn man so nahe dran ist und noch verliert."

Eine knappe halbe Stunde dauerte es nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Nestor Pitana, bis FIFA-Präsident Gianni Infantino und Russlands Staatschef Wladimir Putin für die Siegerehrung bereit waren. Und weil währenddessen der Moskauer Himmel seine Schleusen öffnete, standen Kroatiens Finalhelden ein wenig wie begossene Pudel da.

"Am Ende war sogar der Himmel traurig", sagte ein zerknirschter Ivan Rakitic. Wie Modric, Mario Mandzukic oder dem im Finale bärenstarken Ivan Perisic blieb dem Wahl-Schweizer die Krönung versagt. "Meine Gefühle sind schwierig zu beschreiben. Ich sollte stolz sein, aber klar bin ich im Moment sehr traurig und enttäuscht", sagte der Barcelona-Star. "Wir waren klar die bessere Mannschaft, aber so ist eben der Fußball."

Kroatien spielte auch nach Rückständen tapfer, lancierte im Luschniki-Stadion von Moskau Angriff um Angriff, doch Frankreich war an diesem Tag zu kaltschnäuzig - und hatte im nötigen Augenblick das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite. Ein Eigentor von Mandzukic, ein folgenschweres Handspiel von Perisic - das Finale förderte gleich mehrere Pechvögel zutage.

Im Halbfinale noch war Mandzukic mit seinem Siegtor gegen England der gefeierte Mann gewesen, am Sonntag bugsierte er den Ball per Kopf ins eigene Tor. Perisic schien den Fauxpas auszubügeln, traf mit einem satten Linksschuss zum 1:1-Ausgleich. Doch wenige Minuten später griff sich der Inter-Mailand-Legionär schockiert an den Kopf: Der argentinische Referee Nestor Pitana hatte mit Hilfe des Video-Assistenten entschieden, dass sein Handspiel im Strafraum elfmeterwürdig war - eine harte, wenn auch richtige Entscheidung. Denn Perisics Hand ging aktiv zum Ball. Frankreichs Offensivstar Antoine Griezmann traf zum 2:1.

Schiedsrichter im Fokus

"Ich kommentiere nie Schiedsrichter-Entscheidungen. In einem WM-Finale gibst du so einen Elfmeter aber nicht", haderte Teamchef Dalic nach der Partie ein wenig. Der erfahrene Referee Pitana hatte unter anderem eine zweifelhafte Flugeinlage von Griezmann vor dem Freistoß zu Frankreichs 1:0 als kroatisches Foul gewertet. Dalic gab sich als fairer Verlierer. Die Entscheidungen dürften den französischen Sieg nicht schmälern, so der Trainer. "Der Schiedsrichter hat nur entschieden, wie er es gesehen hat."

Nach dem 2:1 aber nahm das Unheil für Kroatien seinen Lauf. Erst als nach weiteren Toren von Paul Pogba und Kylian Mbappe aus kroatischer Sicht bereits alles verloren schien, durfte Mandzukic noch einmal seinen Torriecher unter Beweis stellen. Der 32-Jährige stellte gegen Frankreichs plötzlich dribbelwütigen Torhüter Hugo Lloris den Fuß dazwischen und verkürzte auf 2:4. Es war - wie bei Persisic - sein dritter WM-Treffer. Am Ausgang änderte dies nichts mehr, Pogba und Konsorten spielten den Vorsprung zu routiniert nach Hause.

Am Montag wird das kroatische Team in Zagreb wie Helden empfangen werden. Wie sehr die Menschen im kleinen Land an der Adria mit seinen vier Millionen Einwohnern wegen des Nationalteams mit Stolz erfüllt sind, demonstrierte im Luschniki-Stadion die Höchste des Landes, Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic. Im typische Karo-Dress gekleidet nahm sie bei der Übergabe der Silbermedaille jeden einzelnen kroatischen Spieler liebevoll in den Arm. Tränen hatte sie dabei in den Augen, aber auch einen Glanz und ein Strahlen, die Freude und Stolz ausdrückten. Teamchef Dalic sprach aus, was viele Kroaten dachten: "Ich habe den Spielern gesagt: Ihr könnt erhobenen Hauptes gehen, ihr könnt stolz sein."

Video: Alina Zellhofer (ORF) berichtet von der Strandbar Herrmann in Wien über den Jubel der französischen Fans.

 

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28. März 2024