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Die Abkehr vom Angsthasen-Fußball

Von Günther Mayrhofer   12.Juni 2019

So schnell kann es gehen: Mit zwei Siegen hat Österreichs Nationalmannschaft das Schicksal in der Qualifikation für die Fußball-EM 2020 wieder in der eigenen Hand. Unterschiedlicher hätten die beiden Partien aber abgesehen vom Ergebnis nicht ablaufen können. Während das 1:0 gegen Slowenien am Freitag in Klagenfurt die EM-Hoffnung nur wegen der drei Punkte nährte, spielte das ÖFB-Team nur drei Tage später beim 4:1 in Nordmazedonien (endlich wieder) die eigenen Stärken aus. Darauf kann man aufbauen.

Die Herangehensweise: "You play to win the game." Herm Edwards, den ehemaligen Trainer des American-Football-Teams New York Jets, machte diese Aussage berühmt. Sie zeugt vom Vertrauen in die eigene Stärke, sie gibt den eigenen Anspruch vor, sie lehrt den unbedingten Willen zum Erfolg. Für das ÖFB-Team schien dieser Leitsatz gegen Slowenien nicht zu gelten. Es spielte, um nicht zu verlieren.

Fußball ist ein Fehlerspiel. Bei aller Vorbereitung, individueller Brillanz und taktischer Reife sind es immer Fehler, die Toren vorausgehen. Das ÖFB-Team legte es gegen Slowenien darauf an, einen Fehler weniger als der Gegner zu machen. Es reichte, weil der Gegner dem ÖFB-Team diesen Gefallen tat. "Typischer Foda-Fußball", werden sich die Fans von Sturm Graz, wo Franco Foda vor seiner Bestellung zum Teamchef gewirkt hatte, gedacht haben.

Drei Tage später war in Nordmazedonien alles anders: Endlich wurden wieder Fehler des Gegners erzwungen. Pressing und Gegenpressing lebten auf, die Intensität, die Österreich in den besten Zeiten der Qualifikation zur EM 2014 angetrieben hatte, war zurück. Vom Fußball der Ängstlichen kehrte das ÖFB-Team zum aktiven Ansatz zurück.

Es war ohnehin ein Kunststück, wie bei diesen Spielern die Handbremse im Kopf gezogen werden konnte. Gegen Slowenien spielten sieben ehemalige oder aktuelle Salzburg-Spieler, gegen Nordmazedonien waren es acht. Sie alle sind das intensive Spiel gewohnt.

Der Mut zum Risiko: Spielkontrolle ist nichts Schlechtes. Ballbesitz muss aber zielgerichtet sein oder zumindest der Erholung nach intensiven Phasen dienen. Gegen Slowenien war der Ballbesitz aber meist dem fehlenden Mut geschuldet, eine Risikoaktion zu setzen, gemäß dem Mantra "Nur keinen Fehler machen!" Besonders im letzten Spieldrittel braucht es aber dieses Risiko, mit Dribblings, Pässen in die Tiefe oder schnellen Kombinationen Räume zu schaffen.

Das zeigte Österreich in Nordmazedonien. Marcel Sabitzer machte eines seiner besten Spiele im Team, weil dieser Ansatz genau seiner Spielweise entspricht. Während er gegen Slowenien auf sich allein gestellt war, bekam er in Skopje die nötige Unterstützung.

Durch das höhere Tempo in den Offensivaktionen hatten die Nordmazedonier keiner Zeit mehr, sich zu organisieren. Österreichs Spiel bekam dadurch zur Breite auch Tiefe. Es entstanden genug Torchancen, durch die man die Partie eigentlich schon in der ersten Hälfte entscheiden hätte müssen.

Das offensivere Verteidigen: Gegen Slowenien war das Nationalteam bei Ballverlust im Rückwärtsgang. Besonders schlimm wurde es nach dem Führungstor, als der Vorsprung fast ausschließlich auf der letzten Linie verteidigt wurde. So konnte auch ein eigentlich unterlegener Gegner mit langen Bällen in den Strafraum am Ende Druck aufbauen. Gegen Nordmazedonien ließ es das ÖFB-Team gar nicht so weit kommen: Das Pressing funktionierte, die Hausherren konnten fast nie kontrolliert ihr Spiel aufbauen. Aus einigen Ballgewinnen tief in der gegnerischen Hälfte ergaben sich Chancen. "Man muss sowieso sein Tor verteidigen. Die Frage ist nur, wo", erklärt etwa Frankfurt-Trainer Adi Hütter seine Philosophie.

"Vorne heißt, man will den Gegner unter Druck setzen, damit er nicht die Zeit hat, sich zu orientieren. Klar, wenn du den Ball verlierst, kannst du dich zurückziehen und warten. Wenn du dann den Ball wieder gewinnst, hast du aber 70 Meter bis zum Tor. Wenn du versuchst, ihn weiter vorne zu gewinnen, hast du nur 30 Meter bis zum Tor."

Selbst wenn die erste Pressinglinie überspielt ist, bleiben danach noch 70 Meter Platz und Zeit, den Gegner zu bremsen. In diesem Punkt muss sich das ÖFB-Team steigern. Die Restverteidigung war in Nordmazedonien nicht immer perfekt abgestimmt. Man kann behaupten, dass das in der Nationalmannschaft mit den wenigen Trainingseinheiten gar nicht möglich sei – doch es sind genug Spieler dabei, welche die nötigen Verhaltensweisen von ihren Klubs kennen. Pressing ist eine der Stärken des ÖFB-Teams, deshalb muss man sie auch ausspielen.

Fehlstart fast wettgemacht

Das ÖFB-Team geht mit zwei Siegen in die Sommerpause. Die bereits leisen Diskussionen über Teamchef Franco Foda vor dem erfolgreichen Doppel verstummen. Nach dem dominanten Sieg in Nordmazedonien wird es auch für ihn keinen Zweifel mehr geben, dass der offensive, mutige Ansatz viel besser zu den Spielertypen passt als die Sicherheitsvariante. Mit dieser Intensität kann das ÖFB-Team auch die Fans zurückgewinnen. Der Fehlstart in der EM-Qualifikation wurde fast wettgemacht – im Herbst muss die Aufholjagd weitergehen.

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16. April 2024