So denkt Marcel Koller ...
ÖFB-Teamchef Marcel Koller und seine Gedanken über Fußball, Mentalitäten, Sieg und Niederlage.
... über Kritiker, die von einem No-Name-Kandidaten sprachen:
Freilich habe ich mich im Stillen gefragt, wie man öffentlich solche Urteile fällen kann, ohne zu wissen, wie ich arbeite. Ich weiß nur so viel: Ein sogenannter großer Name bringt dir noch keine Qualität und ist auch noch kein Garant für die Erfüllung dessen, was man haben möchte.
... über den „Schlendrian“ im Nationalteam:
Es war evident, dass man hinten zu sorglos und ungesichert war. Und dass augenfällig war, dass zu viele Spiele in der letzten Phase verloren wurden, in der letzten Viertelstunde. Das war habituell. Ein Ärgernis, das ins Auge stach. Darauf war der Blick zu lenken.
... über seine Spielphilosophie:
Ich bin gern aktiv. Ich warte nicht gern ab, was passiert, sondern versuche, nach vorn zu gehen und zu provozieren. Gerade in der Defensive gibt es viele, die warten ab, bis der Gegner einen Fehler macht, und dann erst werden sie initiativ und machen ihr Spiel. Und ich will den Gegner provozieren. Ich will nicht abwarten, zuschauen, ich will aktiv sein, ich will handeln. Ich will so schnell wie möglich den Ball in unseren Reihen haben.
... über Niederlagen:
Ich muss emotional erholt sein und Ruhe ausstrahlen, keine fatalistische, resignative Ruhe, sondern eine, die Aufbruch und Optimismus signalisiert. Daher versuche ich, nach Niederlagen und einer ersten inhaltlichen Klarheit über die Gründe zur Ruhe zu kommen und abzuschalten.
... über Erfolg:
Erfolg hat eine große Verführungskraft, gegen die man sich auflehnen muss. Am meisten gefährdet bist du, wenn du erfolgreich bist. Das Gift der Trägheit beginnt sofort zu wirken.
... über die Fortschritte im Team:
Es ist gelungen, Mentalitäten, die einer Siegermentalität zuwiderliefen, zu korrigieren. Dieses Mantra haben wir jedem Einzelnen eingehämmert: Mobilisierung der Konzentration in der letzten Viertelstunde, bedingungsloses Fokussiert- und Entschlossenbleiben, und zwar so lange, bis der Abpfiff erfolgt. Anpfiff und Abpfiff, das sind die Pole, und in dieser Zeitspanne gilt ein Höchstmaß an Konzentration und Wachheit.
... über den 1:0-Sieg gegen Russland:
Das Auswärtsspiel gegen Russland in der EM-Qualifikation war ein Meilenstein. Dort war der Reifungsprozess für mich am sichtbarsten. Vor allem, was das Verhalten im Finish anbelangte, die Widerstandskraft, die selbstbewusste Robustheit, mit der eine Führung abgesichert worden ist.
... über ein Mannschaftsgefüge:
Ich bin schon einer, der viel auf die Mannschaft als Ganzes schaut.
Individuelle Qualität ist wichtig, aber einen Wert bekommt sie erst, wenn sie ins Gefüge einer Mannschaft integriert werden kann.
... über Mentalitäten:
In der Schweiz ist eine Selbstverständlichkeit da, erfolgreich zu sein.
... über Koller:
Ich bin jemand, der zu seinen Entscheidungen steht und dann auch
danach handelt. Ich schau’ ganz selten hadernd zurück.
... über sein Team:
Wir haben eine gute Quali gespielt, aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass wir Anwärter auf den Europameistertitel sind.
... über den Fußball:
Wenn man im Fußball tätig ist, kann man nicht das ganze Leben lang gewinnen. Man muss lernen, mit Niederlagen schöpferisch umzugehen. Sie zu akzeptieren, auch als Anschauungsmaterial für die Selbstreflexion.
... über das Wesentliche im Spiel:
Ich schätze es nicht, wenn wir uns ohne Not sechzig Meter zurückfallen lassen, denn das Tor, der Endzweck allen Tuns, ist ja in der Nähe. Wenn ich mich sechzig Meter zurückbewege, muss ich danach ja sechzig Meter wieder nach vor, das sind 120 Meter, die nicht nötig sind. Vielleicht müssen wir nur vierzig laufen und der Ball ist im Tor, ist ja einfacher.
Biografie: Marcel Koller hat durch die Erfolge mit dem Nationalteam den Fußball in diesem Land in den Status einer bisher hier unbekannten Salonfähigkeit emporgehoben. „Kleine Zeitung“-Chefredakteur Hubert Patterer begleitete den 55-Jährigen zu den Stätten seines Wirkens und Koller gewährt in den in diesem Buch dargestellten intensiven Gesprächen Einblicke in sein tiefes Inneres.
Marcel Koller – Die Kunst des Siegens; 24,80 Euro.