Zwei Fan-Herzen in einer Brust

Normalerweise wäre es klar, für welchen Verein das Herz von Yasemin Taskin (37) bei einem Europa-League-Spiel des LASK auf der Linzer Gugl schlagen würde. "Hier in Österreich gehört dem LASK mein Herz", sagt sie. Nur heute ist nichts so, wie es normalerweise in ihrer Fußballwelt ist. Der LASK spielt ab 19.45 Uhr nicht gegen irgendwen. Sondern gegen Besiktas Istanbul.

Noch nie hat Taskin ein Spiel von Besiktas live gesehen, und dennoch ist sie ein Fan, solange sie denken kann: "In der Türkei kommen die Guten als Besiktas-Fans auf die Welt", sagt sie und lacht. Taskin wurde zwar in Österreich geboren, fühlt sich der alten Heimat ihrer Familie aber dennoch tief verbunden. Besiktas-Fan zu sein, gehört in ihrer Familie dazu. Einmal ein Spiel der Mannschaft hautnah miterleben zu können, sei ein lange gehegter Kindheitswunsch gewesen.

Das Europa-Cup-Spiel gegen die Fußballstars aus Istanbul wird für Taskin zu einem kleinen Familientreffen: "Einige Verwandte von mir kommen sogar extra aus Wien angereist, damit sie sich das Spiel in Linz anschauen können", sagt sie. Ali Hamdemir (29) geht es ähnlich. Seine Verbindung zum LASK ist besonders tief. Zwischen 2007 und 2012 lief er insgesamt 21 Mal als Teil der Kampfmannschaft der Linzer Athletiker aufs Feld. Vor zwei Jahren beendete er seine Profikarriere und arbeitet nun als Bürokaufmann. Die Umstellung vom Fußballprofi zum Schreibtischarbeiter fiel im anfangs schwer: "Acht Stunden zu sitzen, war damals zu viel für mich. Während der ersten Wochen habe ich die letzten zwei, drei Stunden jeden Tag im Stehen gearbeitet." Seine Entscheidung, die Profi-Fußballschuhe an den Nagel zu hängen, bereut er aber nicht: "Jetzt habe ich einen Job, der auch eine Zukunft hat für mich. Aber es gibt durchaus Momente, in denen ich das Profileben vermisse."

"Ein Pflichtsieg"

Dass es keine großen organisierten Fanfahrten von Istanbul nach Linz gibt, wundert Hamdemir nicht: "Aus Sicht der Fans in Istanbul ist das ein Pflichtsieg gegen den LASK. Da fliegen sie nicht extra nach Österreich, weil es aus ihrer Sicht um nichts geht", sagt er.

Dennoch müssen sich die Besiktas-Spieler nicht sorgen, dass sie heute auf der Gugl nicht frenetisch aus vermutlich tausenden Kehlen angefeuert werden. Im Gegenteil: "Etwa 14.000 Zuseher sind bei dem Spiel zugelassen. Ich denke, dass 5000 oder 6000 davon wegen Besiktas kommen werden", sagt Hamdemir.

Keine abgetrennten Sektoren

Geteilte Fansektoren wird es heute im Linzer Stadion keine geben. LASK- und Besiktas-Anhänger werden gemeinsam, nebeneinander auf der Tribüne stehen. Befürchten sie Reibereien zwischen den Fangruppen? "An so etwas Grausliches denk ich nicht. Ich bin mir sicher, dass es ein friedliches Fußball-Fest sein wird", sagt Taskin. Zur Vorsicht wird sie sich mit ihrer Besiktas-Kappe und ihrem LASK-Shirt dennoch nicht mitten zwischen die eingefleischtesten LASK-Fans stellen. "Ich werde mir ein möglichst ruhiges Plätzchen suchen und das Spiel genießen. Ich will nicht, dass sich jemand provoziert fühlt."

Für wen sie heute jubeln wird, kann Taskin nicht sagen. Sie ist hin und her gerissen: "Zwei Fußball-Herzen schlagen heute gegeneinander in meiner Brust. Einfach wird das bestimmt nicht."