Neue deutsche Tugend: Viel Lob nach einer Niederlage
PARIS. 1:2 in Frankreich verloren, aber Löw bekommt eine Atempause.
Deutschlands Fußball-Nationalteam war lange für sein Sieger-Gen und den Killerinstinkt in heißen Spielen berühmt und berüchtigt. Nach dem blamablen Aus in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Russland und einer bitteren 0:3-Pleite gegen die Niederlande am Wochenende gehen die Uhren inzwischen offenbar anders. Nach der 1:2-Niederlage am Dienstagabend in Paris gegen Weltmeister Frankreich gab es auf der Seite der Deutschen kaum Kritik, sondern viel (Selbst-)Lob. Gut für den angezählten DFB-Teamchef Joachim Löw, dem die heimischen Medien eine Atempause gewähren.
"Die Leistung der Mannschaft war großartig. Sie hat ihr Herz in die Hand genommen und mutig nach vorn gespielt." Dass ein deutscher Bundestrainer nach einer Niederlage so ins Schwärmen kommt, hat es, wenn überhaupt, schon lange nicht gegeben. Löw lobte jedenfalls seine im Vergleich zur Niederlage in den Niederlanden stark veränderte Mannschaft nach dem 1:2 in Paris über den grünen Klee.
"Eine gute Energie"
Auch die Spieler selbst zeigten sich hochzufrieden. Für Routinier Toni Kroos war es gar "eine der Niederlagen, die am meisten Spaß gemacht haben, weil der Ball ganz gut lief". "Wir können viel Gutes aus diesem Spiel mitnehmen", sagte Kapitän Manuel Neuer, obwohl seine Mannschaft als Gruppenletzter dem Abstieg aus Liga A nahe ist. Teammanager Oliver Bierhoff erkannte "ein wichtiges, gutes Zeichen" und hoffte, in Paris die Geburtsstunde eines neuen, frischen und leistungsfähigen Teams erlebt zu haben: "Das glaube ich schon. Ich glaube, man hat eine gute Energie gesehen. Man hat einen Willen gesehen." Sein Nachsatz zur Personaldebatte um den Teamchef klang auch sehr positiv: "Man merkt, dass Jogi den Job mit Leidenschaft macht."
Nicht nur der Einbau junger frischer Kräfte hat dem deutschen Team sichtbar gut getan, auch der Wechsel des Spielsystem hat grossen Anteil daran. Das auf erdrückenden Ballbesitz ausgelegte Spiel hat nun endgültig seine Schuldigkeit getan. Jahrelang hatten erst Barcelona, dann das spanische und später auch das deutsche Nationalteam mit ihrem Tika-Taka die Gegner durch endloses Ballhalten mürbe gespielt. Doch die Gegner haben inzwischen ein Mittel dagegen gefunden. Heute heißt das Zaubermittel "blitzschnelles Umschaltspiel". Hinten gut stehen und bei Balleroberung mit Vollgas vor das gegnerische Tor. Dazu bedarf es schneller, technisch guter Spieler, die diese Spielanlage auch im Verein spielen.