Mourinho ist das geringste Problem
MANCHESTER. Manchester United hat seine Ideale verkauft – und damit den tiefen Fall selbst verschuldet.
Zumindest einen 26 Millionen Euro schweren Abfindungsscheck darf sich José Mourinho nach dem gestrigen Ende seiner Trainerzeit bei Manchester United noch einstecken. Am Vormittag wurde der 55-jährige Portugiese gefeuert, die Trennung vom Trainer war dem Klub gerade einmal ein fünfzeiliges Statement wert. Als Nachfolger werden Zinédine Zidane und Ryan Giggs gehandelt.
Mourinho ist freilich das geringste Problem des tief gefallenen Klubs. Wenn ein Verein binnen vier Jahren fünf Trainer verbraucht, dann liegen die wahren Probleme meist viel tiefer.
Der Klub ist heute von seinem einst so erfolgreichen Leitbild und den Werten von früher weiter denn je entfernt. Unter Trainer-Legende Alex Ferguson stand stets der Verein über jedem Einzelspieler. Es war das Kollektiv, das 24 Titel in 27 Jahren gewann.
Spieler mit Charakter, die in anderen Großklubs nur Mitläufer gewesen wären, wurden von Ferguson bedingungslos verteidigt – und wuchsen zum Dank über sich hinaus.
Wirklich investiert wurde nur in junge, vielversprechende Talente. Heute ist genau das Gegenteil der Fall. Bestes Beispiel: Paul Pogba, der von 2009 bis 2012 in der Nachwuchs-Auswahl von Manchester United groß geworden war. Als Pogbas Allüren dessen hervorragende Leistungen auf dem Spielfeld in den Schatten stellten, zog Ferguson sofort die Reißleine. Manchester United ließ die Möglichkeit zur Vertragsverlängerung verstreichen. Vier Jahre später holte Manchester, zu diesem Zeitpunkt längst ohne Alex Ferguson in der mächtigen Rolle als Chefeinkäufer, Pogba um umgerechnet 100 Millionen Euro zurück. Eine Fehlinvestition – denn auch unter den eigenen Fans wird der Franzose als personifizierter Absturz des Traditionsklubs gesehen.
Die Liste der teuren Einkäufe älterer Spieler, die nur wenig gebracht haben, ließe sich locker fortführen. Die sportliche Kompetenz ist völlig verloren gegangen.
Der Wert der Marke
Dass sich der Klub die Fehleinkäufe leisten kann, liegt am Wert der Marke. So lag der Umsatz in der vergangenen Saison bei 675 Millionen Euro. Seit dem Jahr 2005 ist der Verein in amerikanischer Hand. Der mittlerweile verstorbene amerikanische Investor Malcolm Glazer kaufte die Vereinsanteile um umgerechnet 900 Millionen Euro. Die Schulden, die Glazer dafür machen musste, wurden an den Verein überschrieben und werden (sehr) langsam abgebaut.
Fast ebenso schwer wie Fergusons Abgang wiegt jener seines engsten Mitarbeiters, David Gill. Der Langzeit-Finanzchef wurde 2012 durch den ehemaligen Investmentbanker Ed Woodward ersetzt.
Manchester United wird von den Eigentümern längst nicht mehr als Fußballverein, sondern als Investment gesehen. Auch das erklärt, warum es Mourinhos Nachfolger nicht einfacher haben wird.
In den letzten vier Jahren waren genau zwei Trainer bei MU: Louis von Gaal und José Mourinho. Da hat Rapid in dieser Zeit schon etwas mehr verbraucht! Und in der letzten Saison war MU in der Premiere League immerhin an zweiter Stelle (6 Punkte vor Liverpool), ein Jahr vorher gewann man die Euro-League. In England gibt es sechs Top-Mannschaften, es ist halt schwieriger wie in jeder anderen Liga!