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Der Goldgräber auf dem grünen Rasen

Von Annette Gantner   10.Oktober 2015

Als die OÖNachrichten ÖFB-Sportdirektor Willibald Ruttensteiner in seinem Büro im Wiener Ernst-Happel-Stadion treffen, ist er gerade im Nebenzimmer und bespricht sich mit Teamchef Marcel Koller. Vorbereitungen für den Abschluss der EM-Qualifikation, deren letzter Höhepunkt am Montag mit dem Heimspiel gegen Liechtenstein bevorsteht.

Dass Österreich nach Jahren der Schmach den Fußball-Olymp ansteuert, ist auch ein Verdienst Ruttensteiners. Der smarte 52-Jährige gilt als jener Mann, der den "österreichischen Weg" kreiert hat. Er war es, der Koller als Nationaltrainer vorschlug. Zu dem Zeitpunkt waren die Jugendmannschaften bereits auf Siegeskurs. "Die Frage war, wann können wir die Erfolge des Unterbaus in die Nationalmannschaft hochbringen. Es ist die große Kunst unseres Trainers, dieses Potenzial zu heben."

Unlängst wurde Ruttensteiner von der UEFA nach Bratislava eingeladen, um vor 53 Nationen über Österreichs Fußballwunder zu referieren. "Wir haben 2000 den österreichischen Weg konzipiert und arbeiten seitdem jedes Jahr an der Optimierung", erzählt er. "Der heimische Fußball ist jahrelang belächelt und als drittklassig dargestellt worden. Das hat mir effektiv weh getan. Es ist ein wunderbares Gefühl, dass jetzt die Wertschätzung zurückkommt."

Österreich hat sich erstmals auf den 11. Platz der FIFA-Liste vorgedribbelt. Die Nationalmannschaft und drei Jugendteams haben sich für eine Europa- bzw. Weltmeisterschaft qualifiziert. In Europa hat dies nur Deutschland geschafft.

Eine Million pro Wochenende

"Der Trainer hat die Intention, das nächste Spiel zu gewinnen. Der Sportdirektor das nächste Jahrzehnt", beschreibt der Oberösterreicher seinen Job. Er berät den Teamchef, überblickt die Fortbildung der Spieler und Trainer und entwickelt die Talente vom Kinder- bis zum Frauenfußball. "Es wird vom Arbeiter bis zum Akademiker gespielt. Der Fußball bewegt eine Million Menschen pro Wochenende", ist er von der Wirkung des runden Leders fasziniert.

Während Frank Stronach in der Politik belächelt wird, würdigt ihn Ruttensteiner. "Die erste Akademie, die Stronach gegründet hat, war für den österreichischen Weg ganz wichtig. Da muss man ihm dankbar sein." Die Nachwuchsarbeit hatte früher erst bei den 15-Jährigen angesetzt. Verlorene Jahre. "Die Ausbildung der Zehn- bis 14-Jährigen war damals qualitativ nicht gut genug", blickt er zurück. Heute gibt es für diese Altersgruppe 29 Ausbildungszentren, gefolgt von zwölf Fußballakademien.

Ruttensteiner weiß, was mangelnde Nachwuchsförderung bedeutet. Er selbst hatte als Kleinkind in Wolfern mit seinen Brüdern Werner und Ralf Fußball gespielt. Trainer Heinz Hochhauser wollte ihn mit 15 ins Ausbildungszentrum nach Wels holen. Doch sein Vater, sprach sich dagegen aus, sein Sohn sollte zuerst die Matura machen.

Mit 18 Jahren wechselte er zur Raika Wels. "Es war sensationell, von einem kleinen Verein in die erste Division einberufen zu werden. Es war immer mein Traum, Spieler zu werden." Er war im Mittelfeld eingesetzt, die "typische Nummer 10", lacht er stolz. Doch der Traum war zu Ende, als mit 21 Jahren die verletzte Achillessehne jegliche Ambition zunichte machte.

Volksschullehrer für zehn Jahre

"Ich habe die Situation am Fußballplatz nicht mehr ausgehalten. Jahrelang habe ich nichts mehr mit Fußball zu tun gehabt", erzählt er. Ruttensteiner ließ sich zum Volksschullehrer ausbilden. Zumindest war ihm das Schicksal hold. Seine spätere Frau Ines, ebenfalls Lehrerin in Ausbildung, saß in der Kantine, als Ruttensteiner auf Krücken hereinhumpelte. Er stolperte, sie half ihm – nächstes Jahr feiern beide Silberne Hochzeit. Sie haben zwei Töchter: Lisa und Carmen.

Er sollte nur zehn Jahre unterrichten. Freunde fragten, ob er nicht in Wolfern die Fußballer trainieren wolle, er sagte zu. Spieler von einst erinnern sich, dass der Verein mit ihm als Coach mäßig erfolgreich war. Doch Ruttensteiner sei schon damals ein guter Tüftler und Stratege gewesen.

Der FC Linz machte ihn zum sportlichen Leiter der Fußballakademie. "Dort begann ich mit Leo Windtner zusammenzuarbeiten", erinnert er sich an den Beginn einer erfolgreichen Freundschaft. 1999 wurde Windtner ÖFB-Vizepräsident, er nahm Ruttensteiner als Sportkoordinator nach Wien mit. 2006 wurde er Sportdirektor.

Seine Familie blieb in Wolfern, ein Umzug nach Wien, wo Ruttensteiner im dritten Bezirk wohnt, wurde verworfen, da er jobbedingt, ein Drittel des Jahres im Ausland ist. "Mein Job ist arbeitsintensiv. Aber es macht nichts, weil ich etwas tue, was mein Hobby ist." Das Wienerische hat er nicht angenommen, Ruttensteiner spricht Dialekt, er ist eloquent und hat Schmäh.

Zeit bleibt offenbar: Vor ein paar Jahren machte der Pädagoge noch einen MBA für Management und die Ausbildung zum Mentaltrainer. "Die Spieler stehen vor einem Match unter großem Stress. Da ist es hilfreich, Entspannungstechniken zu beherrschen."

Spricht er von der Nationalelf, strahlen seine Augen: "Die wollen einfach gewinnen. Das ist ein irrsinnig starkes Team." Wieso kaum Oberösterreicher mitspielen? "Das muss man die Akademie in Linz fragen", lässt er die Antwort offen.

Das Spiel gegen Schweden, bei dem sich Österreich für die EM qualifizierte, ist bisheriger Höhepunkt seiner Karriere. Mit dem Handy hatte er den Spielstand fotografiert, als Beweis, dass er nicht träumt. "Was ich hier gesehen habe, das habe ich mir immer gewünscht – und plötzlich ist es Realität. So eine Leistung zu bieten und die Schweden so zu deklassieren war nicht vorstellbar. Es war ein überwältigendes Gefühl."

Ruttensteiner ist überzeugt davon, dass Österreich in Frankreich reüssieren wird. "Wichtig ist, das erste Spiel zu gewinnen. Von Spiel zu Spiel zu denken ist eine gute Strategie." Er wirkt zuversichtlich, dass Koller als Trainer bleibt, immerhin sei die Weltmeisterschaft 2018 eine große Herausforderung.

Nach eineinhalb Stunden blickt er auf seine ÖFB-Uhr am Handgelenk. Nächster Termin: Besprechung mit dem Teamchef. Es regiert Schweizer Pünktlichkeit.

 

Nachgefragt ...

Heimweh nach Oberösterreich bekomme ich … wenn ich an meine Familie, Freunde und meinen Garten denke

Das fehlt mir in Wien aus Oberösterreich ... die Natur, die Wanderungen, der Traunsee

Das gibt es nur in Wien... so viel Kunst und Kultur

Mein Lieblingsplatz in Wien ... das Ernst-Happel-Stadion während eines ÖFB-Matchs

Der größte Unterschied zwischen Wienern und Oberösterreichern ... der Schmäh

 

11. Platz für unser Fußballteam: Im Juli 2008 war Österreich auf dem 105. Platz der FIFA-Liste abgesunken. Seit der Vorwoche nähern wir uns den Top Ten.

1. Mal qualifiziert: Österreich spielt 2016 bei der Europameisterschaft mit. 2008 hatte Österreich nur antreten dürfen, weil es Gastgeberland der EM war.

295.038 aktive Spieler zählt der ÖFB, es gibt 2293 Vereine, 37.010 Trainer und 2492 Schiedsrichter.

 

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29. März 2024