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Vorhang auf

Von Manfred Wolf, 10. März 2019, 18:00 Uhr
Vorhang auf
Spuren des Eisernen Vorhangs entlang der Grenze zwischen Österreich und Tschechien, Bild: Mario Lang

Eine große Klappe hat er ja nicht, der Mario Lang. Er ist schon demütig. Aber ein kleines Klapprad hat er – und mit dem ist er den Grenzverlauf des einstigen Eisernen Vorhangs entlanggeradelt.

Beim Radfahren hat man ja viel Zeit. Und wenn du jetzt von Riga nach St. Petersburg trittst, dann erst recht. Und wenn du dann auch noch Kind der 60er- und 70er-Jahre bist, dann ist das schon recht spannend, so entlang des Weges, wo einmal der Eiserne Vorhang verlief, zu radeln. Weil: Eiserner Vorhang, das hieß damals Gefahr.

Und weil das innere Kind Gefahr liebt und das Verbotene von damals ja immer noch spannend ist, hat sich Mario Lang mit seinen 51 Jahren gedacht: "Fahr ich jetzt einfach mal den ganzen Eisernen Vorhang ab." Freilich nicht auf einmal. Weil 10.000 Kilometer durch 20 Länder auf einen Sitz und das auf einem Sitz von einem Klapprad, das klappt nicht so recht. Also hat er den Weg geviertelt.

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Begegnungen auf dem Radweg am Eisernen Vorhang Bild: Mario Lang
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Radweg am Eisernen Vorhang Bild: Mario Lang

 

Zum Glück ist der Mario Lang freiberuflich unterwegs. Optiker hat er eigentlich gelernt, und die Optik hat es ihm auch angetan. Er ist Fotograf, beim Augustin, der Wiener Straßenzeitung. Also hat er auf der Straße auch immer seine Kamera dabei gehabt und einen Blog bebildert und mit ein paar Zeilen Text versehen, wo er auch seine spannendsten Erlebnisse beschreibt. Wie er zum Beispiel in Rumänien den Daumen rausstrecken musste, weil es dann doch zu sehr geregnet hat. Und dann hat ihn eine Familie mitgenommen, obwohl das Auto schon voll war. Die waren zwar unterwegs zu einem Familienausflug, da müsse er halt mit, meinten sie. Doch danach würden sie ihn dorthin bringen, wo er wolle. Noch nicht einmal auf ein Getränk hätte er sie einladen dürfen, erzählt er, so freundlich und hilfsbereit waren die. Wie er überhaupt festgestellt hat, dass, je schmäler die Brieftasche der Menschen ist – und vor allem im südlichen Abschnitt hinter dem Eisernen Vorhang, also damals dahinter, haben sie auch heute wirklich noch nichts –, desto großherziger sind sie, die Menschen.

Der Vorhang ist ein anderer

Auf eine gewisse Art und Weise existiert er dort ja heute noch, der Vorhang. Eisern ist er halt nicht mehr, meint Mario Lang. Aber etwas anderes weist den Menschen ihre Grenzen auf: die Armut. Bettelarm seien sie dort, die Menschen. Jetzt könnten sie zwar reisen, aber Geld dazu haben sie nicht. Da ist es ihm schon bewusst geworden, dass er ruhig ein bisserl demütig sein darf, dass er auf der anderen Seite des Vorhangs aufgewachsen ist. Und dass es verrückt ist, wenn heute wieder Mauern errichtet werden.

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Der Eisernen Vorhangs in Deutschland Bild: Mario Lang

Vor allem, weil es gegen die größte Gefahr, die er entlang des Eisernen Vorhangs am eigenen Leib erlebt hat, ohnehin keine Mauern, Grenzen oder Vorhänge gibt, die sie aufhalten könnte: Gelsen. Die finnischen nämlich. Da schlägst du dein Zelt auf, mutterseelenallein, in der unendlich schönen finnischen Seenplatte, und kaum fünf Minuten später sind sie da, tausende, abertausend, und stechen durch jede Gewandschicht einfach durch, als wärst du ein Gelsen-Buffet.

Aber missen möchte er trotzdem nichts. Weil von ein paar Gelsen lässt sich der Abenteurer ja nicht einschüchtern. Auch von den Bären nicht, die es dort zwar gibt, von denen er aber keinen gesehen hat. Weil die sind schon eingeschüchtert , wie ihm ein finnischer Fischer erklärt hat, der in 50 Jahren selbst noch nie einen Bären gesehen hat.

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Ganz oben, in Norwegen, werden die Tage dann ziemlich lang. Bild: Mario Lang

Die suchen auch lieber die Einsamkeit. So wie der Mario Lang, weil einsam war er schon immer wieder mal. Stellen gibt es, gerade auch rauf bis zum nördlichsten Punkt in Norwegen, da gibt es keine Anzeichen von Zivilisation – bis auf die Straße. Und die nützen dann auch die Elche.

Und ganz oben, da scheint einem dann die Sonne – im Juli sogar rund um die Uhr. Weil dort oben, in Jakobselv, dort scheint dann auch um Mitternacht die Sonne, so weit oben liegt das. Nur ans Einschlafen ist dann halt nicht mehr recht zu denken bei dieser Festtagsbeleuchtung. Aber dafür bleibt wieder Zeit zum Nachdenken. Über neue Projekte und darüber, dass es schon schaurig ist, wenn man sich vorstellt, dass diese tausenden Kilometer über so viele Jahre nicht passierbar waren. Aber das soll der Mario selbst erzählen …

Vortrag "Iron Curtain Tour" von Mario Lang, Aktionsradius Wien (Gaußplatz 11), 12. März, 19.30 Uhr; www.vorhangauf.international

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Mario Lang fuhr 10.000 Kilometer auf dem Klapprad. Bild: Mario Lang
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