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Lohnender Ausflug nach Mähren

Von Bert Brandstetter, 24. Februar 2019, 14:49 Uhr
Lohnender Ausflug nach Mähren
Die Stadt Trebíc Bild: Brandstetter

Viel zu selten begeben sich Österreicher auf Erkundungstour zu den nördlichen Nachbarn, etwa nach Mähren im östlichen Drittel Tschechiens. Bert Brandstetter hat dort viel Sehenswertes entdeckt.

Der "Brünnerstraßler" gilt auch unter wohlmeinenden Weinliebhabern als resch. Sind sie unter sich, reden sie von "krampensauer". Daheim ist dieser sehr spezielle Veltliner dort, wo Österreicher fahren müssen, wenn sie in die mährische Hauptstadt Brünn möchten. Aber obwohl auch in Mähren etwas Wein wächst, ein viel prominenterer Durstlöscher ist dort wie auch im gesamten Tschechien natürlich das Bier. Es ist weicher und milder als anderswo.

So gut etwa auch das Brünner "Starobrno" schmecken mag, das mitten in der Stadt gebraut wird, den Brünnern gehört die Firma schon lange nicht mehr. 1994 hat sie die österreichische Brau Union gekauft, sie befindet sich damit heute im Besitz von Heineken. Jährlich werden mehr als eine Million Hektoliter gebraut, und auch der Spaß bleibt erhalten: Ausschließlich zum Gründonnerstag färbt Starobrno eine seiner Sorten giftgrün ein und erlebt damit vor allem bei den 80.000 Brünner Studenten Zuspruch. Sie sind es, die mit Begeisterung auch die abendliche Šchalina (Straßenbahn) benützen, in der Bier ausgeschenkt wird.

Lohnender Ausflug nach Mähren
Brno Bild: Brandstetter

Hast a Šnuptychl?

Mähren im östlichen Drittel Tschechiens verweist auf eine lange Liste von Prominenten aller Kategorien, die es dort zu etwas gebracht haben oder dem Land die Ehre erwiesen haben: W. A. Mozart war dort, wohl auch, weil es in Mähren viele Kunstmäzene gab, bei denen etwas zu holen war. Heimat war Mähren weiters für Leoš Janácek, für Erich Wolfgang Korngold, für Robert Musil und Viktor Kaplan, ganz kurz auch für den ehemaligen Grün-Politiker Gunther Trübswasser. Seine Eltern mussten mit ihm als Baby das Land 1944 wie so viele andere verlassen. Verwandte weiß er noch immer in Brno, wenngleich ihn seine Haltung gegen Atomkraftwerke von diesen deutlich unterscheidet, wie er bedauert. Wer Mähren bereist, sieht von Weitem die vier rauchenden Atommeiler von Mochovce. Positiver beeindrucken die Besucher Mährens dann aber Städte wie Kremsier oder Olmütz: Geld der EU hat die alte Bausubstanz wie neu erstehen lassen, und es wurde auch versucht, politische Schuld zu mildern – in Trebíc etwa, wo das idyllische Judenviertel gleich neben der beeindruckenden romanischen St.-Prokop-Basilika jetzt zumindest als Weltkulturerbe der UNESCO gilt.

Reisen oder auch bloß Kontakte nach Tschechien werden massiv gebremst durch die sprachliche Barriere. In Mähren bietet sich aber eine durchaus verträgliche sprachliche Einstiegshilfe an: Hantec, die Sprache der älteren Brünner Bevölkerung, in der sich Tschechisch sehr sympathisch mit Deutsch vermischt. Gebräuchliche Vokabel sind etwa: hokna (Arbeit), ksicht (Gesicht), hajzl (Klosett), hózny (Hose), šnuptychl (Taschentuch), erteple (Kartoffel), haxna (Bein) oder vasrovica (Wasser).

Lohnender Ausflug nach Mähren
Telc Bild: Brandstetter

Diese Mischsprache entstand, als die mährische Landbevölkerung in der Zeit der beginnenden Industrialisierung des 19. Jahrhunderts aus der Hanna-Ebene aufbrach und in die aufstrebende Stadt Brünn zog. Dort wurde mehrheitlich Deutsch gesprochen. Dieses begann sich mit dem tschechisch-mährischen Dialekt der zuziehenden sogenannten Hannaken zu vermischen. Weil Brünn ein durchaus internationaler Kreuzungspunkt mehrerer Handelswege war, mengten sich auch italienische, jüdische und Vokabel weiterer Sprachen dazu. Das Hantec war entstanden und bildete in den 1960er Jahren sogar eine Art Geheimsprache der gemischten Bevölkerung gegenüber den tschechischen Kommunisten, die sich beim Verstehen des Hantec dann doch etwas schwer taten.

Hantec wird bis heute gesprochen, obwohl es eine unselige Politik geschafft hat, auch Brünn zu einer Stadt zu machen, wo inzwischen fast nur noch Tschechen leben und damit auch nur noch tschechisch gesprochen wird. Junge Brünner wollten mit dem Hantec, das die Kommunisten als Gaunersprache abqualifiziert haben, lange Zeit nichts zu tun haben. Inzwischen gibt es aber Bemühungen, die Sprache wieder zu beleben, etwa mit einem eigenen Radiosender. Und es tauchen sogar Musikbands auf, die ihre Texte auf Hantec singen.

Gut 120 Jahre ist es her, da begann in der ostmährischen Stadt Zlín ein europäischer Traum Marke Amerika wahr zu werden. Ein gewisser Tomaš Bat’a machte mit seiner revolutionären Art der industriellen Herstellung von Schuhen von sich reden. Ein Großauftrag für das Militär, den er gewonnen hatte, weil er Schuhe um die Hälfte billiger anbieten konnte als die Konkurrenz, brachte ihm das nötige Kapital.

Die Fabrik wuchs und wuchs, Bat’a wurde Bürgermeister, und auch seine Heimatstadt bekam ein völlig neues Gesicht. Unter dem Motto "Kollektiv arbeiten – individuell wohnen" entstanden Werkssiedlungen neben firmeneigenen Kindergärten, Schulen sowie ein Krankenhaus, ein Warenhaus und das damals größte Kino Mitteleuropas. Errungenschaften, die heute als "Perle des Funktionalismus" bezeichnet werden.

Zlín galt und gilt als erste funktionalistische Stadt der Welt. Die Konzernzentrale residierte nach amerikanischem Vorbild im zweithöchsten Hochhaus Europas (77 Meter, 16 Stockwerke) mit mehreren Liften und sogar einem vollständigen Büroraum samt Waschgelegenheit, der nach wie vor als Lift auf und ab fährt, heute freilich nur noch für Museumszwecke. 1930 war die zum Konzern aufgestiegene Firma Bata Weltmarktführer. Die Konzernzentrale in Zlín wurde von den Kommunisten enteignet, dank der ausländischen Niederlassungen existiert Bata bis heute. Hauptsitz ist Lausanne.

Mühlviertler Jurist in Prag

Bitten Sie einen Tschechen, den Namen "Rechberger" auszusprechen, er wird es nicht oder nur ganz schwer schaffen. Das ist der Grund, warum sich Thomas Rechberger im Restaurant oftmals als Pan Tomas vorstellt.

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Thomas Rechberger lebt seit zehn Jahren in Tschechien. Bild: Brandstetter

Der Mühlviertler ist seit zehn Jahren bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei beschäftigt und eher zufällig in der tschechischen Hauptstadt gelandet. Nach seinem Jus-Studium absolvierte er ein kurzes Praktikum in einer Anwaltskanzlei im mährischen Brno. Keine Ahnung von der Sprache, empfand er das Nachbarland damals "wie eine völlig fremde und verschlossene Welt". Und doch muss ein Funken übergesprungen sein. Seine 2010 abgegebene Dissertation reichte er in tschechischer Sprache ein. Längst ist Prag seine Heimat.

Seine andere Heimat hat Pan Tomas natürlich nicht vergessen. Gerne nimmt er an den Treffen der Vereinigung der Österreicher in Prag teil, alle paar Wochen besucht er auch seine Eltern und seine Geschwister in St. Martin. Kulturelle Unterschiede zwischen beiden Ländern spürt er nicht, wie er sagt. Das Handy läutet und Thomas Rechberger parliert in perfekt klingendem Tschechisch, so als gäbe es nichts Normaleres auf dieser Welt.

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