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Frohe Ostern auf Karpathos

Von Manfred Lädtke, 24. März 2019, 00:04 Uhr
Frohe Ostern auf Karpathos
Osterdienstag versammeln sich festlich gekleidete Frauen auf dem Dorfplatz. Die prachtvollen Trachten werden von den Müttern vererbt. Goldene Ketten und Münzen zeigen den Wohlstand ihrer Töchter Bild: Lädtke

In der orthodoxen Bergwelt der griechischen Insel sind jahrhundertealte Festrituale noch lebendig. Manfred Lädtke hat die stolzen Frauen von Olympos besucht.

Vor der Stadtkirche in Pigadia lärmen seit Stunden explodierende Feuerwerkskörper. Bis in die Straßen hinein drängen sich Menschen vor dem größten Gotteshaus des Inselhauptortes auf Karpathos, um in der Nacht vor Ostersonntag die griechisch-orthodoxe Ostermesse zu feiern. Um Mitternacht verlöschen in der Kirche plötzlich alle Lichter. Der Priester trägt eine Kerze durch die Schar der Gläubigen, die an der Flamme ihre Stabkerzen entzünden und das Licht wie eine Stafette durch die Nacht reichen. Der flimmernde und glimmernde Kirchplatz ist erfüllt von feierlichem Gemurmel: "Christos anesti", Christus ist auferstanden.

Am Morgen des Osterdienstags ist die Hafenmole der am stärksten bevölkerte Platz in Pigadia. Karpathioten, Festlandgriechen und Touristen wollen mit einem Ausflugsschiff zu Griechenlands traditionsreichem Osterfest "Lambri Triti" (Fest der Lebenden und Toten) nach Olympos, das in der orthodoxen Welt nur in diesem urtypischen Bergdorf gefeiert wird. Zwei Stunden tuckert das Motorschiff an klobigen Bergwänden entlang in den spröden Norden nach Diafani. Morgensonne unterhält die Passagiere mit Schattenspielen auf den Felsen, die Luft über dem silber glänzenden Meer des Dodekanes ist von seltener Klarheit. Vor 35 Jahren, als es auf Karpathos noch keinen Flugplatz und keine Asphaltpiste in das fast 600 Jahre alte Bergdörfchen gab, hätten sich auf diesem Pinselstrich der Natur allenfalls im Sommer ein paar Fremde verirrt, erzählt ein Grieche und zwirbelt seinen stattlichen Schnauzbart.

Frohe Ostern auf Karpathos
Bunte Fischerboote an der Hafenpromenade im Inselhauptort Pigadia Bild: Lädtke

In Diafani stören nur qualmende Auspuffe und stotternde Motoren wartender Omnibusse das friedliche Idyll. Dann schnauft der Bus die Serpentinen hinauf ins zehn Kilometer entfernte Olympos mit seinen jahrhundertealten Festritualen und einem auf anderen Ägäis-Inseln längst ausgestorbenen Dialekt. Nach Kurven und Kurven öffnet sich in 700 Meter Höhe auf der rechten Fensterseite eine Guckkastenbühne mit verschwenderischem Gebirgspanorama. In den Tälern sind Prozessionsgruppen mit Fahnen und Ikonen zu Bergkapellen unterwegs, deren rote Kup-peln wie Spielbälle in der kargen Bergwelt leuchten. Die über Terrassenfelder in den blauen Himmel strebenden Würfelhäuser scheinen aus dem Berg herauszuwachsen.

Prunkvolle Trachten

Als der Bus am Ortsrand hält, weisen Mädchen in prunkvollen Trachten den Weg in die "Oberstadt". Wo Männer und Söhne ausgewandert sind, beherrschen Frauen das Alltagsleben. Heute haben sie ihre weiß-schwarze Arbeitskleidung gegen Festtagsgewänder getauscht. In den öffentlichen Steinöfen, in denen Tage vor Ostern Brotlaibe gebacken und Festessen gegart werden, ist die Glut verloschen. Vor Haustüren bieten Frauen kunstvolle Handarbeiten zum Verkauf an. In seinem Laden an der steilstufigen Hauptgasse fertigt ein Schuhmacher Stiefel aus Ziegenleder nach Maß an. Die von Touristen jedes Jahr neu diskutierte Frage, ob das Festhalten der Bewohner am Brauchtum Ausdruck ihres traditionellen Lebensgefühls oder willkommene Gelegenheit sei, an der Suche der Urlauber nach dem "ursprünglichen Griechenland" mit ein paar Euros beteiligt zu sein, interessiert den Alten wenig. "Ase mou", winkt er gelangweilt ab, "wem würde die Antwort schon weiterhelfen?"

Im Labyrinth der kreuz und quer, unter- und übereinander sich schlängelnden Gassen herrscht Gedränge und Geschiebe. Auf der Bergspitze versammeln sich vor der großen Kirche Frauen in farbenprächtigen Festtagsgewändern. Die Älteren sind in schlichte schwarze Kleider gehüllt, auf denen sie bunte Schürzen oder Westen mit Blumenmotiven und Schmuckbändern tragen. Stickereien verzieren die Kopftücher und breiten Taillenbänder. Als Zeichen ihres Wohlstandes tragen unverheiratete Mädchen auf Kopf und Dekolleté zusätzlich oft kiloschwere Goldketten und Münzen. Immer dichter, immer farbenfroher wird die festliche Versammlung der stolzen Frauen von Olympos.

Frohe Ostern auf Karpathos
In weltvergessener Abgeschiedenheit schmiegt sich das mittelalterliche Dorf Olympos an einen Berg. Bild: Lädtke

Unterhalb der Kirchentreppe spielen Familien ein typisches griechisches Osterspiel. Tock, tock schlagen Vater und Sohn zwei rotbemalte Eier aneinander. Das Ei in der Hand des Buben splittert nicht, was Glück und einen freien Wunsch bedeutet. Junge Burschen bauen Tische und Stühle auf, während das Summen asiatischer Fernsehkameras ahnen lässt, dass das Bilderbuchdorf und seine folkloristische Kulisse bald auch für Reisende aus dem Reich der Mitte ein Tipp werden. Die Einwohner der 300-Seelen-Enklave verfolgen das mediale Treiben mit reservierter Gelassenheit. Viele von ihnen haben noch nie den Fuß auf eine andere Insel gesetzt.

Aus einer Seitenstraße nähert sich jetzt eine Prozession. Männer mit schwitzenden Gesichtern tragen schwere Ikonen die Stufen hinauf zum heiligen Platz vor der Kirche. Andere bahnen dem frommen Zug ein Spalier durch die Menschentraube. Auf den Tischen stehen Wein und das süße Ostergebäck "Tsoureki". Nach den Männern bewegen sich Frauen und Kinder ehrfürchtig an den aufgestellten Gottesbildern vorbei zum Dorfpriester, der die Osterbotschaft verkündet. Als später Musikanten Lyra und Laute wieder einpacken, kriechen erste Schatten über die sonnenwarmen Steine.

Aufbruchsstimmung macht sich breit, das kleine Dorf scheint Luft zu holen. Auch die mit Videokameras, Fotoapparaten und Handys ausgerüsteten Touristen verlassen allmählich die Mauern, Treppen und "Logenplätze" auf den flachen Hausdächern.

Piratennest in der Ägäis

Zwei Stunden bleibt noch Zeit, auf dem Bergbuckel die der Meerseite zugewandten Dorfpfade zu durchstreifen. Dort ist der Farbenrausch auf einmal zu Ende. Die Rückseiten der Häuser sind nur selten getüncht und passen sich mit unverfremdetem Naturstein dem kahlen Berg an. Bunte Farben hätten schon von weitem Seeräuber auf das Dörfchen aufmerksam gemacht. Immerhin war das langgestreckte Karpathos im Mittelalter ein Piratennest in der Ägäis. Welch ein Glück, dass die Insel unter dem Schutz des Gottes Poseidon stand …

In der Taverne unterhalb der Windmühlen kann man die Aussicht über die wildromantischen Gebirgstäler genießen und dabei die köstliche "pita" (Spinat- und Käsetaschen) probieren – bis die röhrende Bussirene zur Rückfahrt ruft. Geschickt lenkt der Fahrer seinen Oldtimer zwischen Felswand und Abhang in die richtige Position. Auf den staubigen Omnibus hat eine Kinderhand große Buchstaben gekritzelt: "Kalo pasha stin Kárpatho." Frohe Ostern auf Karpathos.

 

Festrituale

Ostern wird nach dem Julianischen Kalender in Griechenland früher oder später als bei uns gefeiert. In diesem Jahr fällt der griechische Ostersonntag auf den 28. April. Liturgie und Symbolik des Festes sind byzantinischen Riten entnommen. Hauptereignis ist die Verkündung der Priester „Christus ist auferstanden“ in der Nacht zum Ostersonntag. Ein warmes Mahl bieten an diesem Tag nur wenige Restaurants an, man hebt sich den Appetit für das große Lammschlemmen am Sonntag auf. Der religiöse Osterdienstag „Lambri Triti“, das Fest der „Lebenden und Toten“, wird in der Welt der Orthodoxie nur im Bergdorf Olympos gefeiert (30. April 2019).

Typische Osterspeisen sind die aus Reis und Innereien gemachte Ostersuppe „Mayaritsa“, das mit rotgefärbten Eiern besteckte, gewürzte süße Brot „Tsoureki“ sowie der gegrillte Lammbraten mit Retsina und Zimtgebäck.

Anreise: Direktflüge bieten zum Beispiel Austrian Airlines ab Wien an. Vom Hafen in Pigadia fahren Schiffe nach Diafani. Dort umsteigen in einen Bus. Von Rhodos und Athen verkehren auch Fähren zur Insel. Bequemer und meistens auch preiswerter als Individualreisen sind Pauschalreisen nach Karpathos. Die schönsten Strände auf der Ägäis-Insel befinden sich im Süden und im Zentrum. Südlich des Flughafens liegen verträumte, feinsandige kleine Buchten. Unterkunft: kleine Hotels und Pensionen im Hauptort Pigadia ab zirka 50 Euro, Privatzimmer in Olympos ab 25 Euro.

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